U-Bahn-Bau: Schwere, teure Fehler der Wiener Linien

(c) AP (Markus Schreiber)
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Die Verlängerung der U1 (Leopoldau) und U2 (Stadion) sorgt für ein Nachspiel. Durch Fehlplanungen und mangelnde Kontrolle Fehler wurden laut Rechnungshof Millionen verschwendet.

WIEN. „Bei der Verlängerung der U-Bahn-Linien U1 und U2 versagte das interne Kontrollsystem der Wiener Linien. In der Projektabwicklung traten Fehler auf, die zu erheblichen Mehrkosten im Ausmaß von rund 8,95 Millionen Euro führten.“

Der Rechnungshof zerlegt in einem vertraulichen Rohbericht, der der „Presse“ vorliegt, geradezu die Arbeit der Wiener Linien bei den jüngsten Prestigeprojekten, den beiden U-Bahn-Verlängerungen in die Leopoldau (U1) und zum Stadion (U2). Konkret wirft der Rechnungshof den städtischen Verkehrsbetrieben – und der Stadt Wien – vor, teilweise dilettantisch agiert zu haben.

Die Kritikpunkte im Detail:
•Keine Kontrolle der Stadt. Wien und Bund finanzierten den U-Bahn-Ausbau zu jeweils 50 Prozent. Zusätzlich stellten die Wiener Linien 6,18 Millionen Euro für den allgemeinen Betrieb in Rechnung. Trotz der hohen Summen bezahlten Stadt und Bund, ohne inhaltlich zu kontrollieren, wozu die Millionen überhaupt verwendet wurden. Ein Ergebnis: Mit dem Steuergeld wurde auch der Neubau von Geschäftslokalen, die von Privaten in U-Bahn-Stationen betrieben werden, finanziert.


•Umgehung von Gesetzen. „Zusatzaufträge und die Überschreitung der Vergabesumme erfolgten unter Umgehung ... der Zuständigkeiten und Informationspflichten.“ Das harte und klare Urteil der Rechnungshof-Prüfer: „Die internen Kontrollsysteme zur Sicherung der Sparsamkeit und Effizienz haben versagt.“


•Leistung doppelt verrechnet. Schwere Mängel ortet der Rechnungshof bei der Verrechnung; und anscheinend verrechnen sich die Wiener Linien oft. Bei dem Bau eines Tunnels (Kagraner Platz) wurden Leistungen den Wiener Linien doppelt verrechnet. Dazu der Rechnungshof-Bericht wörtlich: „Die Abrechnungsmängel bewirkten im Bauabschnitt U1/1 vermeidbare Mehrkosten in der Höhe von 90.000 Euro, im Bauabschnitt U2/3 in der Höhe von 280.000 Euro.“


•Probleme bei Ausschreibung. „Die Niederschrift zur Angebotsöffnung enthielt nicht alle Informationen, die laut Vergabebestimmungen notwendig waren. Gleichzeitig war die Prüfung der Angebote mangelhaft: Die Wiener Linien erkannten zum Teil spekulative Angebotspreise nicht, was zu Mehrkosten in der Höhe von 150.000 Euro führte.


•Geld verschenkt. Die Wiener Linien sind äußerst großzügig, zeigt der Bericht: „Bei Stahlbauarbeiten verzichteten die Wiener Linien auf zu Recht bestehende Pönaleforderungen in der Höhe von 61.500 Euro.“


•Bauverzögerung durch Inkompetenz. Lange Zeit wurde gezittert, ob die U2-Verlängerung zum Stadion rechtzeitig zur Fußball-EM fertig wird – weil ein Grundstücksbesitzer sich quergelegt hatte. Jetzt deckt der Prüfbericht auf: „Die Wiener Linien beantragten die Enteignung mit sechsmonatiger Verspätung. Das war einer der Gründe für die erheblichen Bauverzögerungen.“

VP-Verkehrssprecher Wolfgang Gerstl schäumt und ortet „einen ungeheuren Finanzskandal in der Gemeinde Wien“; Grün-Gemeinderat Martin Margulies spricht von einem „Debakel für die Wiener Linien“. Nun wollen ÖVP und Grüne mit einer Sondersitzung des Kontrollausschusses Druck auf die zuständige Vizebürgermeisterin Renate Brauner ausüben, den Missständen weiter nachzugehen.

Auf einen Blick

Der Rechnungshof deckt auf: Bei den jüngsten U-Bahn-Verlängerungen haben die Wiener Linien durch Fehlplanungen und mangelhafte Kontrolle Millionen verschwendet. Gleichzeitig kritisieren die Prüfer großzügige Pensionsregelungen für Landesbeamte, vor allem in Wien, Tirol und Vorarlberg. Allein in Wien ortet der RH ein Einsparungspotenzial in der Höhe von 130 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2009)

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