20 Jahre im Amt: Was von Häupls Ära bleiben wird

Amtsantritt vor genau 20 Jahren. Bürgermeister Michael Häupl mit seinem Mentor, Helmut Zilk.
Amtsantritt vor genau 20 Jahren. Bürgermeister Michael Häupl mit seinem Mentor, Helmut Zilk. APA/ULRICH SCHNARR
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Am Freitag feierte der Wiener Bürgermeister sein 20-jähriges Amtsjubiläum. Doch was machte die Häupl-Jahre aus? Ein Rückblick in sechs Thesen.

Für eine ganze Generation ist er der Wiener Bürgermeister – sie kennen keinen anderen. 20 Jahre ist Michael Häupl nun im Amt und ein, zwei, drei mehr werden es noch werden. Länger als jeder seiner Vorgänger konnte er die Stadt, ihre Politik prägen. Doch woran wird man sich erinnern, wenn man einst an diese Ära denkt? Ein „Presse“-Rückblick vorab.

1. Wie aus einer Niederlage Geschichte wird: Die rot-grüne Premiere

Es ist nicht sehr charmant, aber tatsächlich war der (zweite) Verlust der SPÖ-Absoluten wohl das prägendste Ereignis der Ära Häupl, respektive waren es die Folgen dieser Wiener Wahlnacht 2010. Rot-Grün trägt seither sein Copyright – auch wenn Häupls Ja zu Grün vor allem der sanften Überzeugungsarbeit anderer (z. B. Christian Oxonitsch) sowie der Tatsache geschuldet war, dass die Alternative damals keine war: Die Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek konnte sich in der eigenen Partei kaum mehr durchsetzen und hatte sich zudem mit dem Law-and-Order-Wahlkampf unbeliebt gemacht. Die Koalition mit den Grünen galt im Vergleich als neu, sexy, wie eine Art Frischzellenkur für die Platzhirschpartei.

Inzwischen weiß man, dass die Rechnung so nicht aufgegangen ist. Die Grünen haben die Regierungsbank als Bühne genutzt, die SPÖ sah daneben alt aus – und die Basis war grantig. Derzeit läuft ein koalitionäres Kräftemessen namens Wahlrechtsreform, dass das Potenzial hätte, das rot-grüne „Experiment“ platzen zu lassen. Wird aber nicht passieren. Denn die Grünen wollen bleiben, und Häupl braucht einen Koalitionspartner. Denn die Zeiten der Absoluten sind vorbei – auch dafür steht die Häupl-Ära.

2. Von Jörg Haider bis Heinz-Christian Strache: Der rot-blaue Kampf um den Gemeindebau

Mit dem Aufstieg der Freiheitlichen, dem ideologischen Feindbild der weit links verankerten Wiener SPÖ, begann der Kampf um die Arbeiter, um den Gemeindebau. Jörg Haider gegen Michael Häupl lautete lange das Match, das von Häupl auf eine österreichweite Ebene gehoben wurde. Den Höhepunkt erreichte es in Zeiten der blau-schwarzen Bundesregierung. Noch heute wird versucht, Funktionäre mit dem (für die SPÖ) blau-schwarzen Horrorszenario zu motivieren bzw. Sympathisanten an die Wahlurne zu bringen.

Die FPÖ war Häupls deklarierter Hauptgegner, die anderen Parteien waren Luft. Grund: Seit 20 Jahren waren ÖVP, Grüne, LIF nicht annähernd in der Lage, die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen. Das schaffte nur die FPÖ mit fast 30 Prozent. Zudem lukrierte die FPÖ kaum Nichtwähler, sondern zog enttäuschte SPÖ-Wähler massenhaft von der Häupl-Partei ab. Die Wiener SPÖ verlor oft in annähernd gleichem Ausmaß, in dem die FPÖ dazugewann. Häupl hat gegen den Ansturm des Feindbildes FPÖ bis heute kein wirkungsvolles, dauerhaftes Rezept gefunden – und vererbt das Thema damit seinem Nachfolger.

3. Brot und Spiele: Wie Wien zu einer Eventstadt wurde – und Häupls Rolle dabei

Im Mai kommenden Jahres wird in Wien der Songcontest stattfinden und damit werden auch Millionen Wien-Bilder in alle Welt gebracht. Und die Botschaft wird wohl ankommen: Die Bundeshauptstadt ist eine moderne, junge Stadt geworden, in der etwas los ist. Tatsächlich hat sich Wien in den 20 Jahren Amtszeit von Michael Häupl zu einer lebendigen Metropole gewandelt. Natürlich auch mit viel Geld aus der Stadtkassa, mit dem viele Events zur Freude der Bürger erst möglich wurden. Häupl selbst hat die Entwicklung Wiens zu einer schillernden Stadt zwar wohlwollend unterstützt, als aktiver Initiator steht er aber nicht im Vordergrund. So wurden die „Urväter“ der Wiener Eventszene – das Filmfestival auf dem Rathausplatz, der Adventzauber oder der Silvesterpfad – noch unter Häupl-Vorgänger Helmut Zilk ins Leben gerufen.

Mit einigen Entwicklungen wird auch Häupls langjährige Vizebürgermeisterin, Grete Laska (die mit der Causa „Pratervorplatz“ eher einen unrühmlichen Abgang hatte), in Verbindung gebracht. Unter ihr wurde etwa Wien Marketing geschaffen, jene Organisation, die bis heute einen großen Teil der in Wien stattfindenden Events organisiert. In den vergangenen Jahren sind auch zahlreiche In-Grätzel entstanden: Summerstage, Freihausviertel, Naschmarkt, Karmeliterviertel, Museumsquartier. Ein Faktum, das aber oft auf private Initiativen zurückgeht. In einem besonderen Fall versäumte es Häupl, ein Machtwort zu sprechen: Jahrelang wurde über den Bau einer modernen Halle für Veranstaltungen diskutiert, bis Häupl endgültig „zu teuer“ sagte. Jetzt findet der Songcontest eben in der Stadthalle statt.

4. Die Bastion Rotes Wien: Kampf gegen Privatisierung, Schutz von Privilegien

Kampf gegen jede Privatisierung (selbst wenn sie sinnvoll wäre), Kampf für billigere Mieten (auch zulasten von privaten Wohnungseigentümern), Kampf für sozial Schwache (dazu zählt die SPÖ auch sehr stark Migranten), Bildung als Aufstiegschance. Keine Landespartei der heimischen Sozialdemokratie fühlt sich ideologisch so stark den Kernwerten der Arbeiterbewegung verpflichtet wie die Wiener SPÖ. Das wurzelt in der historischen Entwicklung der Arbeiterbewegung, deren Basis Wien war. Der rote Anspruch lautet: Die Stadt muss sich um die Menschen kümmern – von der Wiege bis zur Bahre. Und nebenbei rote Stammwähler mit teuren Geschenken bei Laune halten. Beispielsweise mit der Verschleppung einer notwendigen Reform der Beamtenpensionen, die den Steuerzahler teuer kommt.

Kritik an diesen Werten empfinden viele Wiener SPÖ-Politiker als persönlichen Angriff. Als Bürgermeister und Wiener SPÖ-Chef hat Häupl versucht, dieses rote Selbstverständnis der eigenen Partei (und den Wienern) konsequent einzutrichtern. So wurde bei der Wiener Volksbefragung erhoben: „Sollen die kommunalen Wiener Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?“ Selbst wenn die Wiener Nein geantwortet hätten, hätte sich nichts geändert, wurde von der SPÖ bereits im Vorfeld dazu erklärt. Dass auf Häupl ein ideologisch flexibler SPÖ-Bürgermeister folgt, ist de facto ausgeschlossen.

5. Die Boom-Stadt: Häupl vererbt ein wachsendes Wien

Wien hat in den vergangenen 20 Jahren eine Internationalisierung, eine Öffnung (durch die EU-Osterweiterung) und einen Strukturwandel durchlebt. Also eine turbulente Phase samt Entwicklung in Richtung Dienstleistungssektor und hochqualifizierter Arbeitsplätze, sagt Wifo-Ökonom Peter Mayerhofer. Von 44 untersuchten Metropolen liege Wien beim Wachstum mit 1,9 Prozent pro Jahr im Mittelfeld, was kein schlechter Wert sei, weil die schwächeren Städte deutlich aufgeholt hätten, so Mayerhofer: „Wien steht nicht schlecht da.“

Nach dem Strukturwandel kommt aber die nächste Herausforderung, die den Nachfolger von Michael Häupl betreffen wird: Wien gehört zu den am schnellsten wachsenden Städten Europas. Derzeit hat Wien mit 1,8 die höchste Einwohnerzahl der Zweiten Republik, für 2029 werden zwei Millionen erwartet. Das bedeutet Prestige, aber auch, dass die (teure) Infrastruktur der Stadt mitwachsen muss. Ein großes Erbe, das Häupl hinterlässt – im wahrsten Sinn des Wortes.

6. Der mächtigste Mann in der SPÖ: Das Zeitalter der Landesfürsten

Michael Häupl und Erwin Pröll. Das rot-schwarze Duo gilt als Power-Couple der Innenpolitik. Die mächtigen Landesfürsten gaben in der Vergangenheit aus der zweiten Reihe, fußfrei, gern die Strippenzieher in der Bundespolitik. Jetzt ist Michael Häupl natürlich noch immer einer der Mächtigsten in der SPÖ und ja, er sitzt auch in der Steuerreformkommission, aber das Interesse am Geschehen über die Landesgrenzen hinaus scheint etwas erlahmt. Vielleicht hat es mit dem (für die SPÖ) unerfreulichen Ausgang der von ihm angezettelten Wehrpflicht-Volksbefragung zu tun. Seither initiiert er Volksbefragungen nur mehr in Wien. Und auch eine Steuerreform ist für die Wiener SPÖ vor allem in Hinblick auf die eigenen Wahlen interessant.

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