Tlapa: Ein Modehaus muss sich ändern

Aus der alten Zeit: eine Aufnahme des Meisterbetriebs Tlapa von 1912 – mit hineinretuschierten Figuren ergänzt.
Aus der alten Zeit: eine Aufnahme des Meisterbetriebs Tlapa von 1912 – mit hineinretuschierten Figuren ergänzt. (c) Bezirksmuseum Favoriten
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Einst war das Modehaus Tlapa auf der Favoritenstraße eine Wiener Institution, nun steht es vor einem radikalen Wandel – vom Kleiderhaus zum Outlet-Center.

Es gab eine Zeit, da war es fast schon selbstverständlich, zum Tlapa zu fahren, wenn man einen Anzug brauchte. Nicht nur aus Wien, auch aus Niederösterreich und dem Burgenland machte man sich auf zur Favoritenstraße. Der Name des Traditionsunternehmens wurde mit einer Selbstverständlichkeit ausgesprochen, wie man hierzulande zu Kräuterlimonade eben Almdudler sagt. Nun hat Tlapa in der Stadt nach wie vor einen gewissen Bekanntheitsgrad, doch so wie die Fassade mit ihren goldschimmernden Scheiben ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt, strahlt auch das Modehaus den Charme des Dinosauriers aus, der seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat.

Wobei man schon etwas genauer hinschauen muss, denn beim Durchstreifen der Stockwerke wirkt es auf den ersten Blick auch nicht viel anders als Ketten à la Peek & Cloppenburg – vielleicht nur etwas dezenter und edler. Von den Verkäufern in ihren perfekt sitzenden Anzügen bis zu den akkurat geschlichteten Kleidungsstücken, die selbst im Abverkaufsbereich in Reih und Glied an der Stange hängen. Und natürlich im Selbstverständnis, das beim Kundenservice an den Tag gelegt wird – wo die „Mann von Welt“-Attitüde noch lange frei von jeglichem ironischen Unterton gepflegt wurde.

Doch in den Gängen ist nun immer wieder zu hören, dass es „ein Wahnsinn“ ist, was da passiert, werden Blicke zwischen Verunsicherung und Empörung ausgetauscht, wenn zwei ältere Damen mit einer Verkäuferin sprechen. „Hier kümmert man sich ja noch um die Kunden, so etwas gibt es ja sonst nirgends“, sagt eine. „Wo sollen wir denn dann einkaufen gehen?“

Wie es weitergehen wird, das ist noch nicht wirklich klar. Fest steht bis jetzt nur, dass 61 der 100 Mitarbeiter beim AMS zur Kündigung vorgemerkt sind und im Mai gehen müssen. Und dass es Pläne gibt, das Modehaus zum Outlet-Center umzubauen. „Wir müssen uns verjüngen“, ließ Eigentümer und Geschäftsführer Carlo Vitaly medial verlautbaren.

Es wäre das vorläufige Ende einer Entwicklung, die sich schon abgezeichnet hat. Vom Modehaus, das mit „Wie ich es meine“ zeitweise sogar eine Fibel für Mitarbeiter herausgab, wie man mit den Kunden richtig umgeht, das auf hohe Qualität und maßgeschneiderte Kleidung setzt, zum Anbieter von Aktions- und Ausschussware.


Gründe für den Wandel. Warum es so weit kam, dafür gibt es einige Gründe. Da ist die Konkurrenz durch internationale Konzerne, die mit ihren Filialen natürlich anders kalkulieren können als das Modegeschäft mit einem einzigen Standort. Noch dazu setzen die Mitbewerber vermehrt auf jüngere Mitarbeiter, die deutlich billiger sind. Dann ist da auch noch ein genereller Rückgang in Sachen elegante Kleidung–man gehe heute eben nicht mehr im Anzug zu Geburtstagsfeiern, wie es Roman Schwarzenecker von der Beratungsfirma Standort + Markt ausdrückt. Und die Zeiten, in denen zu einer Firmung die ganze Familie neu eingekleidet wurde, seien auch vorbei. Nicht zuletzt hat auch die Favoritenstraße schon bessere Zeiten erlebt – mit der Mariahilfer Straße, in die Menschen aus ganz Wien zum Bummeln kommen, kann die Fußgängerzone im Zehnten längst nicht mehr mithalten.

In den 1970er-Jahren, da war das noch anders. Da boomte die Straße – und da erlebte das Modehaus auch seine stärksten Zeiten. Aus dem kleinen Kleiderhaus, das Schneidermeister Wenzel Tlapa 1873 gegründet hatte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach ein großes Geschäft. In den 1950er-Jahren setzte die große Expansion ein, bis 1964 hatte man schon vier Stockwerke, 1967 wurde schließlich ein Neubau auf dem angrenzenden Grund in die Höhe gezogen, zeitweise hatte man eine Verkaufsfläche von 10.000 Quadratmetern.

Werbeträger wie Hans Krankl, der 1986 den Anzugtyp Vision 2001 präsentierte, gehörten dazu, Moderatoren von Fernsehsendungen wurden von Tlapa eingekleidet. Bis in die Neunzigerjahre lief es gut. Bis eben die Entwicklung sich langsam drehte. Karl Gustav Vitaly, der langjährige Patriarch, oft auch „der Kaiser von Favoriten“ genannt, der das Unternehmen groß gemacht hatte, starb 2003. Nicht erst seit damals tauchten immer wieder Gerüchte über einen Verkauf des Hauses auf. Nie kam es dazu. Bis jetzt.

Auch Carl Vitaly, der Enkel des Firmengründers, will das Unternehmen nicht abstoßen. Eine Insolvenzgefahr bestehe nicht, und mit der Idee des Outlet-Centers hofft er, das Ruder noch einmal herumreißen zu können. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich das Modehaus dann entwickeln wird. Und welche Assoziationen sich künftig eröffnen werden, wenn man den Namen Tlapa hört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2015)

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