Alijew-Prozess: Geschworene kippen Vorwurf „Doppelmord“

ALIYEV-PROZESS: MUSSAYEV
ALIYEV-PROZESS: MUSSAYEVAPA/HERBERT NEUBAUER
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Trotz vierjähriger Ermittlungen blieb die Staatsanwaltschaft Wien im Prozess um den Mord an zwei kasachischen Bankern mit ihrer Anklage weitgehend erfolglos.

Wien. Bei allem Abwägen der Probleme, die ein Strafverfahren bringt, welches Österreich stellvertretend für einen anderen Staat führen muss: Das Resultat des hoch aufwendigen Alijew-Prozesses muss als ausgewachsene Niederlage für die Staatsanwaltschaft Wien gewertet werden. Und als Misserfolg für die Jahre lang höchst aktiven Rechtsvertreter der Hinterbliebenen der Mordopfer. Damit ist auch der Kern der Anklage genannt: zweifacher Mord. Eben dieser Vorwurf wurde von den Geschworenen Freitagnachmittag im Straflandesgericht Wien einstimmig zurückgewiesen. Und so wurden die beiden Angeklagten, der frühere kasachische Geheimdienstchef Alnur Mussajew (61) und der Ex-Leibwächter Vadim Koshlyak (42), in diesem zentralen Punkt freigesprochen.

Auch sonst blieb bei Mussajew nichts hängen. Die acht Geschworenen entschieden auch im zweiten – von der Staatsanwaltschaft erst im letzten Moment in die Anklage aufgenommenen Punkt, Freiheitsentziehung – auf Freispruch. Koshlyak ging nicht ganz „leer“ aus: Er bekam wegen Freiheitsentziehung eines der späteren Mordopfer – es handelt sich um die kasachischen Bankmanager Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov – zwei Jahre Haft, davon wurden 16 Monate bedingt (auf Bewährung) verhängt.
Die U-Haft für beide Angeklagten wurden vom Gericht sofort aufgehoben. Beide Männer wurden auf freien Fuß gesetzt.

Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht. Staatsanwalt Markus Berghammer und seine Kollegin Bettina Wallner meldeten umgehend Rechtsmittel an. Immerhin war vier Jahre lang intensiv ermittelt worden. Wallner hatte bis zuletzt für Verurteilungen gekämpft. Der Tod des ursprünglichen Hauptangeklagten, des früheren kasachischen Botschafters in Wien, Rachat Alijew – er beging am 24. Februar in seiner U-Haft-Einzelzelle Selbstmord – hatte dem Prozess aber einen Unsicherheitsfaktor verliehen. Im Lichte der nunmehrigen Freisprüche vom Vorwurf „Doppelmord“ darf aber wohl gesagt werden, dass auch Alijew keineswegs mit einer sicheren Verurteilung hätte rechnen müssen.

Geldgier oder politische Intrige?

Als Motiv für die Ermordung der Banker im Februar 2007 in Almaty, Kasachstan, hatte die Anklage Geldgier angenommen. Obgleich oder gerade weil Alijew der Schwiegersohn des kasachischen Staatsführers Nursultan Nasarbajew gewesen war, hatte die Anklage versucht, die Politik aus der (Straf-)Sache herauszuhalten. Die Verteidigung, angeführt von dem prominenten Wiener Advokaten Manfred Ainedter, hatte einen Rachefeldzug von Nasarbajew gegen den – wie es hieß – „abtrünnigen“ Schwiegersohn Alijew ins Treffen geführt. Und gemeint: Hinter den Morden stecke der kasachische Geheimdienst KNB.

Auch der enorme Mitteleinsatz der Witwen lief ins Leere. Diese hatten den Verein Tagdyr gegründet, in dessen Namen die Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner (LGP) in ganz großem Stil auf eine Verfolgung Alijews hinarbeitete. Der Verein ist (von LGP unwidersprochen) mit sagenhaften 14 Millionen Euro dotiert.

Wie sieht Mussajew den Freispruch? Der Rechtsstaat Österreich habe gesiegt, meinte der stets unauffällig auftretende Ex-KNB-Boss. Dann ging er in seine U-Haft-Zelle und packte seine Sachen.

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