Hirschstetten: Begegnungszone mit Schafen und Zieseln

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein kleiner Zoo, ein großer Spielplatz, ein alter Bauernhof und eine botanische Reise rund um die Welt: ein Tag in Hirschstetten.

Kurz ist man in Indien, und sieht eine nicht ganz kitschfreie Ganesha-Statue. Davor war man zwischen Kakteen in Mexiko, später wird man einen historischen Bauernhof besichtigen und an einer Art Mini-Provence (Lavendel, Lavendel, Lavendel) vorbeikommen.

Wenn man so will, kann man die Blumengärten Hirschstetten im 22.Wiener Bezirk als eine Art entschleunigten Themenpark verstehen. Einen angenehmen, ruhigen, ohne laute Fahrgeräte, Zuckerwatte und nervige Geräuschkulisse.

Wer würde vermuten, wie viel sich hinter dem Namen „Blumengärten“ verstecken kann. Blumengärten, das klingt nach Beeten und Gewächshäusern. Die gibt es hier freilich auch, sehr viele sogar, zieht in Hirschstetten doch das Stadtgartenamt die Frühjahrs-, Sommer- und Herbstpflanzen auf, ehe sie in den Wiener Parks ausgepflanzt werden. Hier wachsen aber auch Stauden heran, die später die grauen Straßen der Stadt grüner und freundlicher machen sollen. „Straßenbegleitgrün“ nennt man das im wunderbaren Beamtendeutsch.

In den Blumengärten – bis 2002 hießen sie wenig einladend „Reservegärten“– als Gärtnereibetrieb der Stadt wächst also ziemlich viel, allein von den Sommerblumen werden 1,4 Millionen Stück ausgepflanzt. Davon bekommt man gleich am Anfang einen ziemlich guten Eindruck, wenn man sich der Anlage über den alleeartigen Südeingang in der Quadenstraße nähert. Vorbei am (im August wegen Sanierung geschlossenen) Palmenhaus, das mit seinem Retro-Schriftzug sogleich sein Alter (unverkennbar 1950er!) verrät, spaziert man zunächst an einer Reihe von riesigen Gewächshäusern vorbei. Hier kann man den Gärtnern über die Schulter schauen, ehe man zum weitläufigen Teil der Blumengärten kommt, der für die Besucher gedacht ist. Gleich links geht es zu einem Urzeitgarten, wie eine Mutter ihrem kleinen Buben ankündigt. Urzeitgarten, das macht den Buben neugierig. „Gibt es da echte Dinosaurier?“ fragt er hoffnungsfroh. Nein, die gibt es nicht, auch keine unechten, dafür aber den Nachbau einer Feuerstelle, umringt von Pflanzen, die es in der Urzeit (Gingko!) schon gab.

Rechterhand haben die Gärtner eine Reihe von Kleingärten angelegt, von der Dachterrasse bis zum Vier-Jahreszeiten-Garten. Nachmachen und Ideen-Abschauen sind ausdrücklich erlaubt. So zeigt etwa der „Seniorengarten“, wie man einen Garten anlegen kann, den man sogar im Rollstuhl pflegen kann. Mit Kindern hält man sich hier nicht allzu lange auf, der große Insektenspielplatz ist in Sichtweite, der einzige Ort in den Blumengärten, an dem es ein bisschen lauter wird. Nicht vorbeigehen sollte man allerdings an dem Obstgarten, in dem seltene Apfel- und Birnensorten wachsen. Die große Tafel zeigt, wie wenige alte Sorten man heutzutage noch kennt. (Der „Breitarschapfel“ sorgt verlässlich für Gelächter bei den Besuchern.)

Im Spinnennetz. Wer mit Kindern kommt, wird vermutlich einen längeren Stopp beim Insektenspielplatz einlegen, die Spielgeräte simulieren die Lebensräume von Insekten: Das Klettergerüst ist ein Spinnennetz, man klettert in einen Ameisenstaat (und über eine riesige Holzameise) oder schaukelt in einem überdimensionalen Bienenstock. Für die Eltern gibt es allerlei Sitzmöbel, kleines Minus an heißen Tagen: Der Spielplatz hat, wie die Blumengärten generell, wenige Schattenplätze. Schatten findet man etwa beim großen Naturteich, wo man auf Holzliegen die Füße in den Sand stecken und den Springbrunnen beobachten kann. Fast fühlt es sich hier wie im Urlaub an, schade eigentlich, dass man im Teich nicht baden kann.

Die Blumengärten – und das macht sie richtig familienausflugstauglich – beherbergen auch viele Tiere, die sich auf dem Gelände verteilen. Enten, Graureiher, Kröten. Land- und Wasserschildkröten lassen sich entspannt die Sonne auf den Panzer scheinen, es gibt ein Wildkatzengehege, Fasane und Störche. Und – hieß das immer schon so oder erst, seit das Wort in der Stadt so populär ist? – eine Begegnungszone. Gemeint ist eine zwischen Menschen und Tieren (Schaf!), wenn es Letzteren zu viel wird, können sie sich in die „Ruhezone“ zurückziehen.

Noch mehr Tiere, Ziegen, Hühner und Kaninchen nämlich, entdeckt man beim Bauernhof aus dem Weinviertel, der teils mit Originalteilen aus 1880 nachgebaut wurde. Hier findet man auch eine der (zu) wenigen WC-Anlagen. Am Wochenende lässt sich hier bei einem Miniheurigen eine kleine Pause einlegen. Mit etwas Geduld sieht man einen der vielen Ziesel.

Hat man es bis zum Bauernhaus geschafft, hat man längst noch nicht alle Themengärten der Anlage gesehen. Der Irrgarten wäre da etwa noch, oder der indische Garten, seit einigen Jahren kann man in dem mit Rosen umrahmten Florarium auch heiraten, das genauso aussieht, als wäre hier das eine oder andere romantische Hollywood-Happy-End gedreht worden.

Wer will, kann hier an den vielen Hinweisschildern unterwegs viel lernen, eine ganze, dicke ,wetterfeste Mappe ist etwa Ayurveda gewidmet. Viele kommen aber einfach hierher, um die Blumengärten als große, kostenlose, ruhige und unglaublich blumenreiche Parkanlage entlangzuspazieren.

Und weil die Gärtner immer wieder diese eine Frage beantworten müssen: Nein, Blumen kaufen und mit nach Hause nehmen kann man hier nicht.

Hirschstetten

Die Blumengärten sind von Di bis So (10 bis 18 Uhr) bei freiem Eintritt geöffnet. Südeingang: 22., Quadenstr. 15. Führungen (auch für Gehörlose) gegen Voranmeldung: 01/4000 42110. Das Wochenende von 11. bis 13. 9. ist der Traditionellen Chinesischen Medizin gewidmet, am 12. und 13.9. gibt es Workshops zu Gemüseraritäten. www.park.wien.at

Fakten

1954 beschließt der Wiener Gemeinderat den Ausbau des sogenannten Reservegartens in Hirschstetten inklusive Großgewächshaus. Kosten: 54 Mio. Schilling.

1974 wird in Hirschstetten weiter ausgebaut, zeitgleich wird der Betrieb in der Gärtnerei Hohe Warte eingestellt.

2002 werden die Reservegärten in Blumengärten Hirschstetten umbenannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

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