Ein Fußballtor neben Prinz Eugen

„Schlüssel zur Hofburg“. Kuratorin Maria Welzig neben einer von 20 Installationen auf dem Areal der Hofburg.
„Schlüssel zur Hofburg“. Kuratorin Maria Welzig neben einer von 20 Installationen auf dem Areal der Hofburg.Die Presse/Clemens Fabry
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Sie war und ist nicht nur Zentrum politischer Macht, die Hofburg. Dass sie viel mehr Geschichte(n) vermitteln kann, zeigt eine aktuelle Freiluft-Ausstellung mit 20 Installationen auf dem Areal.

Mitten auf dem Heldenplatz, auf der Wiese neben dem Prinz-Eugen-Denkmal steht es – und passt so gar nicht hierher: ein Fußballtor, das ein Transparent mit einem Foto Herbert Prohaskas ziert. Fußball, das hat hier doch nichts verloren, auf dem riesigen Areal der Hofburg, die zuallererst mit Herrschaftsgeschichten verbunden wird, früher mit den Habsburgern, nun als Sitz des Bundespräsidenten.

Anhand der Hofburg lässt sich aber nicht nur die Geschichte der Mächtigen nacherzählen, sondern, sagt Maria Welzig, „auf dem Areal hat sich die Geschichte unseres ganzen Landes abgespielt“, hier lässt sich auch ein großes Stück Alltagsgeschichte aufspüren. Nur: Diese Geschichten werden fast gar nicht erzählt, drinnen in den Museen (Kaiserappartements etc.) nicht und draußen im Freien schon gar nicht. Daher hat die Burghauptmannschaft als Verwalterin des mächtigen Areals Welzig und Ko-Kuratorin Ingrid Holzschuh beauftragt, diese anderen Seiten der Hofburg sichtbar zu machen – die beiden tun dies anhand von 20 Installationen, die über das Areal verteilt besucht werden können.

Die Texte der Installationen sind griffig und kurz, man wollte die Besucher im öffentlichen Raum nicht mit einer Datenmenge überfordern. Oft passen Zitate und Bilder zeitlich nicht zusammen, ergänzen einander aber. Wie das eingangs erwähnte Transparent im Fußballtor, auf dem Prohaska vor der Hofburg zu sehen ist, 1978, kurz nach Córdoba. Daneben ist eine Art Beschwerdebericht („Umtriebe und Unzukömmlichkeiten“) zu lesen, in dem beklagt wird, dass immer wieder Buben auf dem Heldenplatz Fußball spielen. Der Bericht stammt aus dem Jahr 1906 und ist trotzdem „mehr denn je“ aktuell, sagt Welzig. „Denn die Benutzung des öffentlichen Raums hat enorm an Bedeutung zugenommen.“ Die Installation spielt also auch mit der Frage, wem der öffentliche Raum – gerade auch an einem so geschichtsträchtigen Ort – heute eigentlich gehört.

Leichter zu übersehen ist jener Schlüssel, der in einer kleinen Glasvitrine gezeigt wird: Steht er doch symbolisch für die Zeit der Besatzung, in der Teile der Hofburg von der Sowjetarmee als „Haus der Offiziere“ („dom oficerov“) genutzt wurden. (Die Amerikaner brachten im heutigen MQ das Basketballspiel unter die Wiener, auch dazu gibt es eine Station.) Dazu erzählen kleine Tafeln die Geschichte von Rudolf Novak, der kaum aus der russischen Gefangenschaft entflohen, als Tischler in der Hofburg wieder mit den Russen zu tun hatte, die die Türen zur Burg stets versperrt hielten (daher der Schlüssel): Novak musste durchs Fenster zu seinem Arbeitsplatz klettern – er wohnte sogar in der Hofburg. Wiens Nachkriegsgeschichte wird in dieser Installation also mit Novaks Lebensgeschichte verwoben.

Sehr persönlich ist auch der Zugang zu einem dunklen Kapitel: Die NS-Zeit wird anhand eines Romans des ehemaligen Josefstadt-Direktors Ernst Lothar thematisiert. In einer (wetterfesten) Ausgabe kann man Teile des Romans nachlesen, indem ein Bub, begeistertes Mitglied der Hitlerjugend, mit einem alten Juden ins Gespräch kommt – und sich so der Brutalität des NS-Regimes bewusst wird.

Der Roman liegt exakt auf jener Bank vor den Fliederbüschen auf, auf der die beiden Protagonisten im Roman miteinander reden. Schaut man nach links, hat man jenen Balkon im Blick, auf dem Hitler einst seine Anschlussrede gehalten hat.

„Geschichten-OrtHofburg“: Bis 26. Oktober. Führungen (7 €) am Fr., 14. 10. (17 Uhr) und am Mi, 26. 10. (15 Uhr). Anmeldung: geschichtenort@gmx.net. Infos: www.geschichtenort.eu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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