Chorherr: Entscheidung zum Heumarkt wird verschoben

 „Da sage ich: Nein, nein, nein“: Christoph Chorherr zu den Plänen, den Botanischen Garten dem Tiergarten einzuverleiben.
„Da sage ich: Nein, nein, nein“: Christoph Chorherr zu den Plänen, den Botanischen Garten dem Tiergarten einzuverleiben.Clemens Fabry / Die Presse
  • Drucken

Christoph Chorherr, der Planungssprecher der Wiener Grünen, im Interview über Schönbrunn, die Unesco und Stadträtin Ulli Simas Irrtum.

Die Presse: Die Nachdenkpause beim Projekt Heumarkt/Intercontinental/Eislaufverein sollte bis September dauern. Der ist nun vorbei.

Christoph Chorherr: Manchmal brauchen anspruchsvolle Projekte ihre Zeit. Ich rechne aber damit, dass es heuer ein Ergebnis gibt.


Was ist der Grund der Verschiebung?

An uns liegt es nicht. Da werkt ein großes Team.


Wird es letztlich eine Entscheidung des Fachbeirats oder eine politische?

Natürlich eine politische, aber wir nehmen den Fachbeirat sehr ernst.


Aber Sie können ihn overrulen?

Ja, die Vorgabe der Vizebürgermeisterin war, dass der Turm sowohl zu dick als auch zu hoch ist. Insofern ist klar, dass es eine Redimensionierung wird. Am Ende ist es eine Entscheidung des Gemeinderats.


Was ist rückblickend schiefgelaufen?

Bei wenigen Verfahren wurde mit so viel Sorgfalt vorgegangen wie hier. Es gab ein kooperatives Verfahren, einen internationalen Wettbewerb, der Entwurf wurde von der Jury mit breiter Mehrheit gewählt. Aber es gibt Projekte, die eine enorme Emotion mit sich bringen. Wobei ich den Heumarkt für over-hyped halte. Wien hat wichtigere städtebauliche Herausforderungen.


Wir würden trotzdem gern beim Thema bleiben: Laut Unesco würde der geplante Turm die Sichtachse, also den Canaletto-Blick vom Belvedere, stören. Wien könnte das seinen Weltkulturerbe-Status kosten. Doch viele meinen: Wien braucht den gar nicht. Sie auch?

Die Schlagzeile „Chorherr gegen Weltkulturerbe“ werden Sie von mir nicht hören. Ich nehme den Status zur Kenntnis, er gehört quasi zum Erbe der Stadt. Worüber man reden soll, ist, was das Weltkulturerbe Wien eigentlich ist.


Ex-Planungsstadtrat Rudi Schicker plädiert für eine Flexibilisierung: Man solle nur einzelne Stadtteile schützen.

Eine solche Vertragsänderung steht nicht im Raum.

Ein Expertenbefund zu Denkmalschutz und Stadtplanung lautet: Wien weiß nicht, was es will. Vorgaben wie das Hochhauskonzept seien zu vage, und die Grünen hätten Angst vor Konflikten.

Also wenn es eine Partei gibt, die keinen sinnvollen Konflikt scheut, sind es die Grünen. Und die Konzepte sind nicht vage, sondern schlau: Es stimmt, dass das Hochhauskonzept nicht präzise sagt, an welchem Ort wie hoch gebaut werden darf. Aber man kann nicht vorab mit dem Maßstock durch die Stadt gehen. Stadtplanung ist ein Prozess.

Vielleicht entsteht der Eindruck der Konfliktvermeidung, weil sich die Grünen oft still verhalten. Etwa beim Ex-Rechenzentrum beim Rathaus. Ein privater Investor soll dort Büros bauen. Braucht Wien mehr Büros statt Wohnungen oder Schulen?

Eine wachsende Stadt braucht das alles. Natürlich würde mich eine Schule freuen, aber erstens ist es ein Grundstück der Wien-Holding und ressortiert bei Renate Brauner, und zweitens weiß ich, dass es in der Stadt finanziell sehr eng ist. Man braucht einen Investor. Als es um die Verbauung der Sichtachse ging, haben wir uns sehr wohl gemeldet. Aber wir keppeln nicht in andere Ressorts.


Hört man deshalb wenig zum Schönbrunner Vorfeld?

Wir teilen die Feststellungen der bundeseigenen Schloss-Schönbrunn-Gesellschaft: Erstens, dass der Zugang von der U-Bahn zum Schloss derzeit inferior ist. Zweitens, dass das Vorfeld des Schlosses mit Bussen verparkt wird. Ich denke, wir haben dank eines runden Tisches einen guten Kompromiss gefunden, dem der Bezirk zugestimmt hat. Zu glauben, dass die Stadtplanung dem Nummer-eins-Denkmal Österreichs vorschreiben kann, wie es seine Zufahrt organisieren soll, ist eine Illusion. Was ich übrigens nicht verstehe: Warum man sich über den Parkplatz aufregt statt darüber, dass der Botanische Garten abgesperrt und dem Zoo einverleibt werden soll. Da sage ich: Nein, nein, nein.

Bisher haben Bezirks- und Bundesgrüne protestiert. Von Wien hörte man nichts.

Darum sage ich es jetzt. Und auch die Bezirksgrünen sind Wiener Grüne. Wir werden alles tun, was wir können, um das zu verhindern.

Und das wäre? Es sind ja Bundesgärten.

Formal nicht viel. Aber hinter den Kulissen kann man sprechen. Man sollte auch über die Öffnung der bis jetzt nicht zugänglichen Teilen des Parks reden – wissend, dass das ökologisch sensibles Gebiet ist.


Apropos sensibel: Die Architektenkammer hat SPÖ-Umweltstadträtin Ulli Sima scharf kritisiert, weil sie im „Falter“ erzählt hat, wie sie sich bei einem Wettbewerb über die Jury hinweggesetzt hatte. Verstehen Sie die Kritik?

Ja.


Sima sagt, das sei ein „ärgerlicher Einzelfall“. Die Kammer glaubt: Es passiert öfter.

Ich muss nicht alles kommentieren.


Sima hat auch gemeint, dass es künftig weniger offene Wettbewerbe geben werde, weil die teuer seien.

Das ist ein Irrtum. Erstens ist der Anteil des Umweltressorts an Wettbewerben überschaubar. Zweitens gibt es vom Gemeinderat beschlossene baukulturelle Richtlinien, die klar feststellen, dass qualitätssichernde Verfahren – wie offene Wettbewerbe – sinnvoll und erwünscht sind. Es stimmt auch nicht, dass das teuer ist und immer lange dauert.

Zur Person

Christoph Chorherr ist Gemeinderat und Planungssprecher der Grünen in Wien. Von 1991 bis 1997 war er erster Nicht-amtsführender Stadtrat der Grünen in Wien, 1996 bis 1997 war er Bundessprecher der Grünen, 1997 bis 2004 Klubobmann der Wiener Grünen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 7. Oktober 2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Visualisierung des neuen Heumarktareals.
Wien

Fast fix: Wien verliert Welterbe

Die Unesco hat Wien am Donnerstag vor allem wegen des umstrittenen Baus eines Hochhauses am Heumarkt auf die Rote Liste gesetzt. Die Aberkennung droht 2018.
Visualisierung des Hochhaus-Projekts am Heumarkt
Wien

Weltkulturerbe: Unesco setzt Wien auf Rote Liste

Das umstrittene Hochhausprojekt am Heumarkt ist ausschlaggebend für die Entscheidung. Wiens historisches Zentrum verliere "außergewöhnlichen, universellen Wert". Das Komitee setzt Wien eine Frist bis Februar 2018.
Eine Visualisierung des geplanten Projekts am Heumarkt (hinten)
Wien

Unesco berät über Wiens Weltkulturerbe

Dem historischen Zentrum Wiens droht die Aufnahme in Liste der bedrohten Kulturgüter. Anlass ist das umstrittene Bauprojekt am Heumarkt.
Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.
Wien

Unesco korrigiert Vassilakou

Weltkulturerbe: Wien kommt auf die Rote Liste.
Maria Vassilakou geht gestärkt aus dem Heumarkt-Streit hervor – obwohl sie sich gegen Teile ihrer Partei gestellt hat.
Wien

Heumarkt: Das Hochhaus, das Parteien spaltet

Für den Investor ist der Kampf nach der beschlossenen Flächenwidmung vorüber, in den Parteien gehen die Scharmützel weiter.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.