Heumarkt: Wenn Grüne gegen Grüne stimmen

Maria Vassilakou.
Maria Vassilakou.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Der grüne Rathausklub will sich mehrheitlich hinter Maria Vassilakou – und gegen den Entscheid der grünen Basis stellen.

Wien. Seit Jahren treibt die grüne Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, das Heumarkt-Hochhausprojekt voran: Es gab kooperative Verfahren, einen Architekturwettbewerb, eine Nachdenkpause, eine Überarbeitung – und es hätte die Flächenwidmung folgen sollen. Nun machte Vassilakou die eigene Basis einen Strich durch die Rechnung. Eine Urabstimmung hat ergeben, dass sich die grünen Gemeinderäte künftig gegen das Projekt wenden sollen, da Wien dadurch wohl den Welterbe-Status verlieren wird. Ein Dilemma, das Montagnacht einen parteiinternen Sitzungsmarathon nach sich zog.

1 Worauf hat man sich in den grünen Krisensitzungen geeinigt?

Rund 60 Funktionäre, Projektbefürworter und -gegner diskutierten bis in die Nacht. Die Gegner des Projekts rund um den grünen Nationalratsabgeordneten Wolfgang Zinggl (der nicht zur Sitzung erschien) und die Grünen Innere Stadt bestanden darauf, das Ergebnis zu akzeptieren. Laut Statut ist es für die Partei bindend.
Doch wer ist die Partei? Man möchte glauben, das seien die grünen Gemeinderatsabgeordneten – doch für diese gilt auch das freie Mandat. Das bedeutet, dass jeder so abstimmen kann, wie er möchte. Vassilakou appellierte nun, von diesem Recht Gebrauch zu machen: „Es entscheidet nicht die Partei, sondern der Gemeinderat. Ich bin froh, dass Mandatare die Möglichkeit haben, mehr Parameter heranzuziehen als nur die Partei. Das unterscheidet uns von totalitären Regimen.“ Sie zeigte sich zuversichtlich, dass eine rot-grüne Mehrheit zustande kommen würde – ohne Stimmen der Opposition. Sie stehe dem roten Koalitionspartner ebenso im Wort wie dem Investor, der in den vergangenen Jahren alle Auflagen der Stadt erfüllt habe.

2 Wie werden die grünen Mandatare nun wirklich abstimmen?

Die SPÖ steht hinter dem Projekt und hält 44 Gemeinderatssitze. Um eine Mehrheit zu erreichen, müssen sieben von zehn grünen Mandataren zustimmen. „Nach intensiven partei- und klubinternen Beratungen wird es im Gemeinderat eine rot-grüne Mehrheit für die Widmung geben“, sagte Klubobmann David Ellensohn am Dienstag.
Diese Mehrheit dürfte nur haarscharf erreicht werden. „Presse“-Recherchen zufolge wollen drei Grüne gegen das Projekt stimmen: Finanzsprecher Martin Margulies, Integrationssprecherin Faika El-Nagashi und Wissenschaftssprecherin Barbara Huemer. Margulies sagte der „Presse“: „Ich bin dafür, sich an das Ergebnis der Urabstimmung zu halten, und werde das auch tun.“ Die beiden Frauen wollten keine Stellungnahme abgeben.

Einer, der mit Ja stimmen will, ist Wirtschaftssprecher Peter Kraus: „Die Frage ist, wem ich mich verpflichtet fühle: jenen 348 Parteimitgliedern, die mit Nein gestimmt haben, oder den 330, die so wie ich mit Ja gestimmt haben? Den Grünen im dritten Bezirk, die jahrelang am Projekt mitgearbeitet haben? Den Bezirksvertretern, die mehrheitlich in der Bezirksvertretung zugestimmt haben? Oder den rund 9900 Wienern, die rechnerisch als Wähler hinter einem grünen Mandat stehen?“ All das auf die Waagschale gelegt, ergebe sich für ihn daraus, für das Projekt zu stimmen.

3 Was sagt die SPÖ dazu? Will sie die Opposition ins Boot holen?

„Natürlich gehe ich davon aus, dass sich die Grünen an den Koalitionspakt halten“, sagte Bürgermeister Michael Häupl am Dienstag. Und: „Ich möchte die Handschlagsqualitäten der Vizebürgermeisterin loben und begrüße das Vorgehen der Grünen.“
Mit der Opposition wolle er dennoch reden, wie er das aber ohnehin bei allen großen Projekten tue. Die ÖVP hatte Häupl am Montag ein Koalitionsangebot gemacht. Dazu sagte er: „Das ist eine originelle Antwort auf eine nicht gestellte Frage.“

4 Was sind nun die nächsten Schritte am Heumarkt?

Sollte die Flächenwidmung am 1. Juni im Gemeinderat Zustimmung erhalten, beginnen 2019 die Straßenumbauarbeiten. Ab 1. 1. 2020 können im Intercont keine Zimmer mehr gebucht werden. Das Hotel wird während der laufenden Eislaufsaison ausgeräumt – danach beginnt der Abriss. Die Bauarbeiten dauern bis 2022. Der Eislaufverein wird in der Zwischenzeit auf den Schwarzenbergplatz übersiedelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2017)

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