Prozess um Sexualdelikt bei Donauinselfest: Angeklagter freigelassen

Der Angeklagte am Dienstag auf dem Weg zum Gerichtssaal.
Der Angeklagte am Dienstag auf dem Weg zum Gerichtssaal.Imlinger / Die Presse
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Ein mittlerweile 19-jähriger Afghane soll am Wiener Donauinselfest über eine junge Slowakin hergefallen sein. "Ich bin nicht schuldig", sagt er vor Gericht. Der Prozess wurde vertagt, der Asylwerber enthaftet.

Nachdem sich im Prozess um die versuchte Vergewaltigung einer jungen Studentin am heurigen Donauinselfest das Gericht zur Einvernahme des 21-jährigen Opfers vertagt hatte, setzte es noch eine Überraschung. Der Senat gab einem Enthaftungsantrag von Verteidigerin Alexandra Stuefer Folge.

Der 19 Jahre alte Afghane wurde gegen gelindere Mittel nach sechswöchiger U-Haft auf freien Fuß gesetzt. Der Senat geht zwar weiter von dringendem Tatverdacht in Richtung versuchter Vergewaltigung und geschlechtlicher Nötigung aus. Bei einem unbescholtenen Angeklagten in fast noch jugendlichem Alter sei aber nicht zwangsläufig anzunehmen, dass dieser erneut strafbare Handlungen begehen wird, so dass in Verbindung mit speziellen Weisungen die U-Haft aufgehoben werden könne, erläuterte Richter Norbert Gerstberger. Der Angeklagte muss sich nun wöchentlich bei Gericht melden und ehebaldigst eine Wohnanschrift und eine Beschäftigung nachweisen.

Zudem wurde vorläufige Bewährungshilfe angeordnet. Außerdem soll ein psychiatrisches Gutachten eingeholt werden, um abzuklären, ob bei dem 19-Jährigen überhaupt Zurechnungsfähigkeit gegeben ist. In den jugendgerichtlichen Erhebungen finden sich Hinweise auf eine verzögerte sexuelle Reife des Afghanen.

"Ich bin nicht schuldig"

Mit einstündiger Verspätung hatte am Dienstag der Prozess gegen den Asylwerber begonnen. "Die Dolmetscherin hat verschlafen. Ich habe sie gerade geweckt", gab Richter Norbert Gerstberger gegen 9.15 Uhr im Landesgericht für Strafsachen bekannt. Als kurz nach 10 Uhr die Übersetzerin anwesend war, betonte der Angeklagte: "Ich bin nicht schuldig."

Der Prozess ist am Nachmittag auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Beim nächsten Mal soll die 21 Jahre alte Slowakin - allenfalls im Wege einer Videokonferenz - als Zeugin vernommen werden. Unmittelbar nach dem Vorfall hatte die Frau erklärt, sich an nichts erinnern zu können. Ihre bisherigen Schilderungen wurden in der Hauptverhandlung vorerst nicht thematisiert - die Verteidigerin sprach sich gegen die Verlesung der Polizeiprotokolle aus.

Angetanzt und eingekreist?

Staatsanwältin Anja Oberkofler wirft dem Angeklagten vor, am 24. Juni gegen 23.00 Uhr vor einer Bühne mit einer Gruppe männlicher Jugendlicher das spätere Opfer angetanzt und eingekreist zu haben. Die 21 Jahre alte Erasmus-Studentin habe ihre letzten Tage in Wien genießen und den Semester-Abschluss feiern wollen, ehe sie in ihre Heimat in der Slowakei zurückkehrte. Der Angeklagte habe sie umklammert, sie zu küssen versucht, sie gestreichelt und im Intimbereich betastet. Als die junge Frau sich losriss und den Bereich vor der Bühne fluchtartig verließ, sei er ihr gefolgt, habe sie "mit einem Würgegriff" gepackt "und mit einem Schwung ins Gebüsch gezogen", zitierte die Staatsanwältin aus einem Polizeibericht.

Der zudringliche Mann war nämlich schon vor der Bühne Polizisten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) aufgefallen, die in Zivil Dienst versahen. Ein Beamter bemerkte, dass der 19-Jährige der Frau folgte, als diese nach hinten ging. Nachdem er die Frau zu Boden gebracht hatte, soll der 19-Jährige - so zumindest die Wahrnehmung der Polizei - probiert haben, ihr das T-Shirt vom Leib zu reißen. Die Beamten kamen der jungen Frau zu Hilfe, die zwar alkoholisiert war, aber sich dennoch nach Kräften wehrte. Sie zogen den Afghanen mit erheblicher Anstrengung von der nach wie vor am Boden liegenden Studentin.

"Sie hat mich ebenfalls geküsst"

Der Angeklagte, der im Jänner 2015 nach Österreich gekommen war, behauptete dagegen, die 21-Jährige habe sich ihm gegenüber "freizügig" verhalten. "Ich bin hingegangen, um zu tanzen", schilderte der Bursch, weshalb er das Donauinselfest aufgesucht hatte. Schließlich sei er auf die allein tanzende Studentin aufmerksam geworden und habe diese angesprochen. "Falls sie einverstanden wäre, würde ich sie auch küssen", sei ihm dabei durch den Kopf gegangen. Er habe dann ihren Hals geküsst: "Sie hat nichts gesagt. Da sie sich nicht geweigert hat, habe ich mir gedacht, sie möchte vielleicht mehr."

In weiterer Folge habe er seine Lippen auf ihre gedrückt. "Sie hat mich ebenfalls geküsst. Da habe ich sie am Hintern angefasst", erzählte der 19-Jährige. Sie habe sich darauf zu ihm umgedreht: "Sie wollte, dass ich sie am Nacken küsse und mit ihr schmuse. Sie hat mich bereitwillig geküsst und nahm keinen Abstand zu mir." Ihm sei folglich klar gewesen: "Es hat ihr gefallen."

"Ich wollte keinen Geschlechtsverkehr"

Als die Frau sich von der Bühne entfernte, sei er ihr nachgegangen - nicht um Sex zu haben, wie der Bursch dem Schöffensenat versicherte: "Ich wollte keinen Geschlechtsverkehr, da ich in einem Land aufgewachsen bin, wo das verboten ist." Er habe vielmehr mit ihr weitertanzen, sie allenfalls nach Hause begleiten wollen. Im Abseits habe er sie an den Händen ergriffen: "Ich war etwas betrunken. Sie auch. Ich dachte, sie ist etwas betrunken und spielt ein bisschen mit mir." Beim Versuch, sie erneut zu küssen, "sind wir dann beide umgefallen und die Böschung heruntergefallen, weil wir betrunken waren. Und dann waren gleich die Polizisten da", erklärte der junge Mann. "Ich wollte nur tanzen und herumschmusen. Das war alles", insistierte er.

Es handle sich beim inkriminieren Geschehen um "keinen der klassischen Fälle, wo vergewaltigt wird", führte Verteidigerin Alexia Stuefer ins Treffen. Junge Leute beiderlei Geschlechts hätten "da vorne herumgetanzt" und wären sich dabei körperlich nahe gekommen. Da sei durchaus erwünscht, "sonst geht man in die Oper", so Stuefer. Auch die junge Frau habe wohl nichts dagegen gehabt: "Die schlägt in alle Richtungen aus, wenn sie nicht will." Was sich abgespielt habe, sei "klassisches Studentenleben". Ihr Mandant habe sich dabei "möglicherweise blöd angestellt", stellte die Verteidigerin fest.

Gruppe von 25 bis 30 Afghanen

Die 21-jährige Frau dürfte am Donauinselfest von mehreren fremden Männern bedrängt und sexuell belästigt worden sein. Während der Angeklagte die slowakische Studentin umklammert und angetanzt hätte, habe eine "Menschentraube" das Paar umringt, nach außen abgeschottet und nach der Frau gegriffen. Das schilderte ein Beamter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) als Zeuge.

Der 28-jährige Beamte hatte sich gemeinsam mit zwei Kollegen vor die "Krone Hit"-Bühne begeben, nachdem unbeteiligte Frauen und Security-Kräfte die Polizei auf die Notlage der 21-Jährigen hingewiesen hatten. Die drei Beamten in Zivil, die per Funk verständigt wurden, kämpften sich darauf zu einer Gruppe von 25 bis 30 Afghanen durch. Diese hätte den Angeklagten und die Slowakin umringt, neben dem Angeklagten hätten weitere, teilweise halbnackte Männer die Frau begrapscht und im Intimbereich zu berühren versucht, so der Zeuge: "Die Erschütterung war groß, weil wir so etwas in Österreich noch nicht wahrgenommen haben." Die Frau habe "Abwehrbewegungen" gemacht: "Die wollte raus, panisch."

Keine strafbaren Handlungen auf Video

Die entsprechenden Szenen müssten an sich auf Video festgehalten worden sei - laut einem Polizeibericht wurde der gesamte Bühnenbereich von schwenkbaren Kameras überwacht. Auf den dem Gericht übermittelten Sequenzen, die den fraglichen Zeitraum (22.50 bis 23.07 Uhr) umfassen, sind allerdings keine strafbaren Handlungen und auch kein Antanzen zu sehen, wie Richter Norbert Gerstberger, der vor der Verhandlung das Material gesichtet hatte, bekannt gab. Möglicherweise wurde der Justiz bisher nicht das vollständige Bildmaterial zur Verfügung gestellt oder es war - entgegen der Einschätzung des polizeilichen Einsatzleiters - gar nicht der gesamte heikle Bereich überwacht worden.

Als es der 21-Jährigen gelang, sich loszumachen und den Bereich vor der Bühne zu verlassen, sei ihr der Angeklagte gefolgt, schilderte der Polizist weiter. Er habe sich an dessen Fersen geheftet: "Sie hat ihm (dem Angeklagten, Anm.) zu erkennen gegeben, dass sie die Schnauze voll hat. Sie hat abwehrende Handbewegungen gemacht." Schließlich habe sie sogar zu laufen begonnen. Der Afghane sei ihr im Laufschritt über eine Böschung gefolgt, habe sie eingeholt, die linke Hand über ihren Kopf gelegt, sie nach unten gedrückt und in ein Gebüsch gezogen. Der junge Polizist sprach wörtlich von einer "bewussten Gewaltanwendung, um sie eine finstere Zone zu bekommen, wo man nichts sieht". Er sei nun unverzüglich eingeschritten, habe den Afghanen vom Körper der Frau gezerrt, den Mann fixiert und die Festnahme ausgesprochen, berichtete der Polizist. Die junge Frau habe geweint, sich auf den Boden gesetzt und sei "fertig" gewesen.

Zunächst Anzeige auf freiem Fuß

Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil der Verdächtige trotz einer Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung nach seiner polizeilichen Einvernahme zunächst auf freien Fuß gesetzt wurde. Erst nach öffentlicher Kritk wurde er in U-Haft genommen.

(APA)

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