20 Jahre nachtspazieren am Gürtel

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Am 26. August feiert der Gürtel-Nightwalk seinen 20. Geburtstag. Aus einem kleinen Gratis-Festival für ein paar Hundert Jugendliche ist ein überranntes Sommerevent geworden.

Wien. 20 Jahre sind in Sachen Stadtentwicklung eine lange Zeit, Grätzel können sich in dieser Zeit deutlich wandeln. Der Wiener Gürtel wäre da so ein Beispiel: Von der tristen, dicht befahrenen Verkehrsader hat sich zumindest ein Teil ab Ende der 1990er-Jahre zu einem belebten Viertel entwickelt: In die Stadtbahnbögen, zentral zwischen Josefstadt, Ottakring und Hernals gelegen und mit bester U6-Anbindung, zogen diverse Lokale und Clubs und verschafften der Gegend und ja, der ganzen Stadt, eine neue Nachtleben-Szene.

1998 wollte man mit einem kleinen Gratis-Musikfestival wienweit auf die Entwicklung am bis dahin völlig uninteressanten Gürtel aufmerksam machen: Die Besucher sollten die Gürtelbögen entlang von Lokal zu Lokal ziehen und sich vor und in den Lokalen Bands und DJs anhören können: Der Gürtel-Nightwalk war geboren.

Im ersten Jahr kamen einige Hundert, und man sprach schon von „unerwartetem Ansturm“. Mittlerweile sind es – je nach Wetter – mindestens 15.000, eher deutlich mehr als 20.000 Besucher, die sich an einem Samstagabend im Spätsommer in die Nightwalk-Nacht stürzen, zwischen B72, Chelsea und Café Carina Bier trinken und Musik hören. Insgesamt sollen es in den 20 Jahren an die 450.000 Flaneure gewesen sein.

So ist der Nightwalk ein fixer, wenn auch kurzer (nur eine Nacht!) Bestandteil im (mittlerweile unübersichtlich gewordenen) Festival- und Partysommer in Wien: der kleine, alternative Bruder des Donauinselfestivals im Frühsommer, wenn man so will. Gemein ist beiden, dass sie von der SPÖ organisiert werden. Der Gürtel-Nightwalk wurde vom heutigen SPÖ-Klubchef, Christian Oxonitsch, und den Gemeinderäten Kurt Stürzenbecher und Heinz Vettermann erfunden, ab 2001 löste die heutige Nationalrätin Nurten Yilmaz Oxonitsch im Organisationsteam ab.

Nach 20 Jahren, befanden die drei bei der Präsentation des heurigen Nightwalk-Programms am gestrigen Donnerstag, sei es Zeit für einen Generationenwechsel. Die 21. Auflage im Jahr 2018 wird also ein neues, jüngeres Team organisieren. Wer übernehmen wird, steht noch nicht fest, es sollen aber wieder (rote) Vertreter aus den Bezirken Josefstadt, Ottakring und Hernals sein.

Eröffnet mit einer Lesung

Damit dürfte am 26. August, wenn der Nightwalk im heurigen Jahr ab dem frühen Abend stattfindet, eine Tradition zu Ende gehen. Denn eröffnet wird das Gratis-Gürtelfest jedes Jahr traditionell mit einer Lesung der drei Organisatoren Yilmaz, Stürzenbecher und Vettermann im Café Carina (19 Uhr). Dabei tragen die drei Auszüge aus unfreiwillig komischen Protokollen von Plenarsitzungen vor. Sonst ist das Programm klar auf Live-Musik und (zu späterer Stunde) DJs ausgerichtet.

Das Programm ist weniger breit als beim Popfest, und Headliner wie beim Donauinselfest findet man am Gürtel nicht. Immerhin: 2014 spielte dort eine Band namens Wanda, die man heute doch ganz gut kennt . . .

Eine große Zukunft vor sich haben könnte etwa das Grazer Trio Tents, das – leider erst um Mitternacht – im Rhiz auftritt: drei grundnervöse Herren in grellen Hemden, denen in ihren knappen Songs die Zeit und das Leben davonrennen. Davor, noch an der frischen Luft: der auf nicht einschläfernde Weise kontemplative Bernhard Fleischmann, diesmal mit Band. Wer je im Herzen ein Mod war, findet sich um 20 Uhr beim B72 ein: Es spielt die Band Freud, die britischer als ein Halfpint Cider ist. Wer mehr Durst hat und Rock'n'Roll liebt, zu dem auch gebrüllt werden kann, findet zur selben Zeit beim Chelsea in den Thirsty Eyes Gleichgesinnte.

Auch das Volxkino, das durch die Stadt tingelnde Sommerkino, kommt heuer wieder zum Gürtel und zeigt dort den Film „Café Belgica“ (ab 21 Uhr, im Durchgang zur Laudongasse). Und Besucher mit viel Ausdauer lädt ab sechs Uhr früh der DJ Noize Director im Café Concerto zur Afterhour. (mpm)

AUF EINEN BLICK

Der 20. Gürtel Nightwalk findet am Samstag, 26. August, in und vor den Gürtel-Lokalen zwischen Lerchenfelder und Alser Straße statt. 17 Lokale von Chelsea über rhiz bis zum Cafe Concerto nehmen wie jedes Jahr teil. Der Eintritt ist frei, das Programm beginnt ab 19 Uhr. www.guertelnightwalk.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2017)

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