"Billig-Leihräder in Wien": Invasionsstopp und Charmeoffensive

Hoher Verschleiß: 100 von 800 oBikes wurden bereits ersetzt. Sie wurden von Vandalen demoliert oder in Flüsse geworfen.
Hoher Verschleiß: 100 von 800 oBikes wurden bereits ersetzt. Sie wurden von Vandalen demoliert oder in Flüsse geworfen. (c) Stanislav Jenis
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Sie werden demoliert, landen im Donaukanal und lassen sich nur mühsam fahren: Das Modell Free-Flow-Räder funktioniert noch nicht. Nun steuern die Anbieter gegen.

Wien. Sie sind immer in der Nähe verfügbar, kosten ein paar Cent pro Minute, sind unkompliziert via Smartphone zu benutzen und sollen auch noch helfen, das Problem der verstopften Straßen, Parkplatznot und schlechten Luft in Städten zu entschärfen. Überzeugende Argumente, die kurzfristig für Begeisterung bei Investoren gesorgt haben. Zig Millionen Räder weltweit wurden rasch von Leihbike-Start-ups weltweit in Städten aufgestellt.

Bloß, das Modell der Leihräder funktioniert so nicht – zumindest in Wien noch nicht. Seit die ersten Billigräder vor wenigen Monaten aufgestellt wurden, wächst der Unmut über Wildparken, Vandalismus und eine schlechte Verteilung. Die gelben Räder hängen in Bäumen, landen in Flüssen, stehen ungenutzt zu Dutzenden herum. Meldet man via App, dass ein Rad defekt ist, werden diese wochenlang nicht abgeholt oder repariert, berichtet etwa Alec Hager von der Österreichischen Radlobby.

Dass es so nicht funktioniert, haben nun auch die Anbieter erkannt und gehen in die Offensive. Daniel Junge, Manager für Österreich und die Schweiz bei oBike, spricht von Anfangsproblemen: „Wir sind ein junges Unternehmen. Das ganze erste Jahr in Wien ist jetzt einmal eine Pilotphase.“

Hotline für Beschwerden

Ein Riesenproblem ist Vandalismus: oBike (das sind die gelb-grauen Räder) ist mit 800 Rädern in Wien neben Ofo der größte Anbieter. Von diesen 800Rädern mussten schon 100 ersetzt werden, sie gelten als defekt. „Die Räder wurden demoliert oder sind im Donaukanal gelandet“, so Junge.

Diese Räder würden aber nicht von Nutzern demoliert. „Vandalismus ist das Problem, nicht unsere Räder oder unsere Nutzer.“ Dieses Problem hat oBike, wie die Mitbewerber, in Wien wie in anderen Städten. Sobald das System besser funktioniert, die Räder also für weniger Ärger sorgen, würde das wohl besser werden. Das habe sich auch anderswo gezeigt, so Junge.

Was planen die Leihrad-Start-ups? Die Qualität der Räder soll steigen. Derzeit sei die zweite Generation oBikes „in the making“, wie Junge das ausdrückt, mit ihnen sollen dann sportlichere, leichter zu fahrende Räder mit Gangschaltung kommen. Die aktuell in Wien verwendeten eher behäbigen Räder sollen dann in Ländern „mit anderen Ansprüchen“ verwendet werden. Das Problem des Wildparkens und der vielen defekten Räder soll mehr Service in den Griff kriegen: Aktuell kümmern sich in Wien zwei Mitarbeiter um die Räder. Junge will da ausbauen – und überhaupt ein Wien-Büro mit vier bis fünf Mitarbeitern aufbauen.

Auch werden an den Rädern Pickerln mit Telefonnummer und Mailadresse angebracht, unter der sich Leute, die die oBikes nicht nutzen (und folglich keine App installiert haben), beschweren können. Junge will auch Nutzer erziehen: Videos auf Social-Media-Kanälen sollen den korrekten Umgang vermitteln. Nutzer, die ihr oBike richtig abstellen, werden mit Freiminuten belohnt, wer sich wiederholt nicht an Regeln hält, wird gesperrt.

Erziehung für Radfahrer

Konkurrent Ofo bringt nun Pickerln auf den Rädern an, die korrektes Parken erklären. Aktuell laufen auch Gespräche mit der Stadt, da geht es um Servicestandards, Höchstzahlen oder Parken. Man sei da offen und könne sich vorstellen, neue Abstellbügel für Räder mitzufinanzieren, sagt Junge.

Auch die Schwemme soll gebremst werden. Während schon von 5000 oBikes in Wien bis zum Frühling die Rede war, will es Junge nun vorerst bei 800 Rädern belassen. Auch Ofo will erst die Situation bewerten, bevor die derzeit 700 Räder eventuell mehr werden.

Offenbar ein Lerneffekt: In München wurde mit 7000 Rädern gestartet – nachdem das für einen regelrechten Aufstand gesorgt hat, wurde die Strategie geändert.

In Österreich ist die Expansion nun in andere Städte geplant: Junge will in Graz, Innsbruck und Linz im Frühjahr starten.

Offen ist die Frage, wann sich das System rentiert. Derzeit verdient oBike nichts, das sei so wie bei allen Start-ups, so Junge. Man hoffe auf Profitabilität in zwei bis drei Jahren. 30Minuten oBike-Nutzung kosten einen Euro. Ob sich das rechnen kann? Diese Frage sorgte schon für Spekulationen und Vorwürfe, und die Frage, ob hinter dem Modell Leihfahrrad ein System des Datensammelns und -handels stecke. Junge winkt ab. Man halte sich in Europa und Österreich an strenge Richtlinien, Datenhandel gebe es nicht. Was man sich vorstellen kann, ist, dass es früher oder später eine Finanzierung via Werbung in der App, etwa für Restaurants oder Geschäfte, die auf dem Weg liegen, geben kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2017)

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