Markus Reiter: „Nicht jeder muss ein Auto besitzen“

Am Donnerstag wird Markus Reiter als Nachfolger von Thomas Blimlinger zum Neubauer Bezirksvorsteher angelobt.
Am Donnerstag wird Markus Reiter als Nachfolger von Thomas Blimlinger zum Neubauer Bezirksvorsteher angelobt.(c) Clemens Fabry
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Markus Reiter, künftiger Bezirksvorsteher von Neubau, will die Mobilität im Bezirk verändern und mehr Grünraum schaffen. Den Grünen rät er zu mehr Einbindung der Bürger.

Die Presse: Die Grünen haben bei der Nationalratswahl auch in Neubau massiv verloren. Wer wird 2020 Bezirksvorsteher sein?

Markus Reiter: Ich gehe davon aus, dass ich das bin. Neubau ist und bleibt eine grüne Hochburg.

Die Verluste zuletzt deuten in eine andere Richtung.

Wir haben als Grüne viel verloren, haben auch eine Rechnung präsentiert bekommen. Aber die Leute unterscheiden zwischen den Ebenen, auf denen gewählt wird.

Aber es besteht die Gefahr, dass Grünwähler etwa zu den Neos abwandern. Wie wollen die Grünen das verhindern?

Im Bezirk gilt es, den erfolgreichen Weg von Thomas Blimlinger fortzusetzen, das ist eine Erfolgsstory. Neben der ökologischen Frage und der Mobilitätswende ist die Frage des Zusammenlebens und der Leistbarkeit ein großes Thema. Dafür werde ich mich einsetzen.

Nur was kann ein Bezirksvorsteher bei Wohnungspreisen überhaupt machen?

Natürlich sind die Kompetenzen des Bezirks beschränkt, da kann ich auch keine falschen Versprechungen machen. Es geht darum, mit der Bevölkerung an Problemlösungen zu arbeiten. Und ich habe auch ein großes Projekt vor, das größte Stadtentwicklungsprojekt innerhalb des Gürtels, das Sophienspital. Im Osten ist das Museumsquartier, nun schaffen wir ein Wohn-, Lebens-, und Bildungsquartier im Westen.

Wo werden Sie etwas anders machen als Thomas Blimlinger?

Das wird nicht einfach. Wo ich den Stempel aufdrücken kann, sehe ich zwei Zukunftsthemen. Das eine das Zusammenleben, das leistbare Wohnen. Das andere ist die Klimaerwärmung, die kann man in den Innenbezirken schon spüren, es wird heißer. Es wird nächstes Jahr einen Masterplan Begrünung für Neubau geben.

Allzu viel Platz ist dafür ja nicht. Da wird man wohl auch ein paar Parkplätze opfern müssen.

Wir reden von Fassadenbegrünung, von Flachdächern. Und wir reden auch vom Bäume pflanzen, so banal das klingt. Aber ich will nicht die Konfrontation zwischen Autofahrern und Radlern. Für mich geht es um intelligente Lösungen weg vom Besitzen und hin zur Verfügbarkeit. Ich habe selber vor zwei Jahren einen Familienkombi gegen drei Apps getauscht – zwei Carsharinganbieter und eine private Plattform, wo man sich Autos ausborgen kann. Wir fahren verstärkt mit dem Rad. Und natürlich geht es um zu Fuß gehen.

Also ja, auch weniger Parkplätze?

Das ist zu verkürzt. Das klingt, als ob man etwas wegnimmt, ich will etwas schaffen, den Zugang zur Mobilität. Man muss weg davon, dass jeder sein eigenes Auto besitzen muss. Da geht es mehr um eine Denkweise.

Mit dem Ausbau der U2 wird die Kirchengasse jahrelang eine Baustelle sein. Für die Geschäftsleute dort wird das schwierig.

Da kommt eine Riesenbelastung auf die Anrainer und Geschäftsleute zu. Wir können nur versuchen, mit den Wiener Linien und den Baufirmen bestmöglich alles zu tun, was die Zufahren und Abfolge des Bauens betrifft zu organisieren. Und gute Informationsarbeit zu leisten, damit werden wir im Frühjahr starten. Aber auch zeitnah an der Perspektive arbeiten, was nach der Fertigstellung passiert. Das ist auch auf der psychologischen Ebene wichtig – wenn ich schon etwas aushalten muss, ist es gut zu wissen, was kommt am Ende des Tunnels. In der Oberflächengestaltung, der Verkehrsgestaltung. . .

Das könnte etwa eine Ausweitung der Begegnungszone sein. . .

Das kann vielfältig sein, ich werde jetzt aber keine Ansage machen. Ich werde mit Betroffenen und Experten an der Problemlösung arbeiten und versuchen, gemeinsam einen Weg zu gehen. Aber Beteiligen heißt nicht Abstimmen ob Ja oder Nein, sondern Mitgestalten.

An der internen Mitgestaltung sind die Grünen – siehe Heumarkt – ja fast zerbrochen.

Fakt ist, dass es nicht gescheit war, eine parteiinterne Urabstimmung zu machen. Wichtig wäre gewesen, vorher zu kommunizieren, was die grüne Position ist und dann zu diskutieren. Und man muss vorher klären, nach welchen Kriterien entschieden wird.

Wird Maria Vassilakou die Grünen in die nächste Gemeinderatswahl führen?

Ich halte es mit Maria Vassilakou, nach diesem Wahlergebnis ist nichts mehr sakrosankt. Wenn die Frage nach dem Spitzenkandidat das einzige Problem wäre, hätten wir schnell eine Lösung. Der Wurm liegt ganz woanders. Es braucht viel mehr Möglichkeiten, sich temporär zu beteiligen. Da dürfen wir ruhig kreativer sein. Und das wichtigste sind die programmatischen Zukunftsfragen. Ich sehe die grünen Fragen in der Überschrift als die richtigen, aber die Wähler haben schon gemerkt, da stecken zu wenige Problemlösungen drin.

Sie werden am Donnerstag als Neubauer Bezirksvorsteher angelobt, wohnen aber nicht im Bezirk. Ist das ein Widerspruch?

Als klar wurde, dass ich diesen Job mache, habe ich mit meiner Familie geklärt, dass wir wieder in den siebten Bezirk ziehen.

ZUR PERSON

Markus Reiter (geb. 1971 in Gmunden) wird am Donnerstag Bezirksvorsteher von Neubau. 1998 gehörte er zu den Gründern der Obdachlosenhilfe Neunerhaus, 2000 wurde er Obmann, 2004 übernahm er die Geschäftsführung. Am Donnerstag, 30. November, wird er als Nachfolger von Thomas Blimlinger als Bezirksvorsteher von Neubau angelobt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2017)

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