Anrainerparken: Eine Ausnahme, die bald für alle gelten soll

Parken in Wien
Parken in Wien(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Nachdem Wirtschaftstreibenden das Parken auf Anrainerparkplätzen gewährt werden soll, drängen nun auch andere Gruppen darauf, unter die Ausnahme zu fallen: Ärzte auf Hausbesuch, Landwirte auf Liefertour und Anwälte.

Wien. Es begann harmlos. Erst vereinbarten Vertreter der Wirtschaftskammer und Wiens Grüne Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, dass für Anrainer vorgesehene Parkplätze tagsüber geöffnet werden sollen. Nach Protesten einiger Bezirke kam dann die Einschränkung, die Parkplätze sollten doch nur für Unternehmer und Sozialdienste geöffnet werden. Noch ist nicht einmal das fixiert, da fordern auch schon weitere Gruppen, dass sie unter die Ausnahme fallen – auch Wiens Landwirte, Ärzte und Anwälte (bzw. ihre Kammer-Vertreter) wollen tagsüber auf Anrainerparkplätzen stehen dürfen – Parken dürfe kein Privileg der wenigen sein. Wer will was, und wie geht es weiter?

1. Anrainer, Wirtschaftstreibende, bald jeder? Wer kann Anrainerparkplätze nutzen?

Über Parkplätze und ihre Nutzung wird in Wien so leidenschaftlich diskutiert, dass man leicht den Überblick verliert. Der Status quo: In den Bezirken 1 bis 9 und 12 stehen spezielle Parkplätze ausschließlich Anrainern mit Parkpickerl zur Verfügung. Weil die tagsüber teils ungenutzt bleiben (ein Argument, das man in der Innenstadt zurückweist), haben Verkehrsstadträtin Vassilakou und Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck im Frühjahr 2017 vereinbart, dass Anrainerparkplätze zwischen acht und 16 Uhr auch anderen Fahrzeugen zur Verfügung stehen sollen. Nach heftigen Protesten vor allem der Bezirksvertretung der Innenstadt (und auch der Bezirke acht und neun) hatte Vassilakou zuletzt als Kompromiss angeboten, die betreffenden Plätze lediglich für Unternehmer und Sozialdienste zu öffnen.

2. Ärzte, Landwirte, Anwälte – wie sehen die Forderungen der Kammervertreter im Detail aus?

„Die Reservierung nur für privilegierte Nutznießer ist nicht gerecht“, fordert Ruck erneut eine Öffnung und verweist auf Handwerker oder Lieferanten, die Parkplätze brauchen. Die Kammer hat dazu Unternehmer mit Betrieb in der Innenstadt befragen lassen, demnach befürworten zwei Drittel eine Öffnung. Unterstützt wird Ruck nun von Ärztekammerchef Thomas Szekeres und Landwirtschaftskammerpräsident Franz Windisch. Szekeres fordert eine Öffnung für Mediziner, die im Bezirk ihrer Ordination – wenn sie nicht dort wohnen – nicht auf Anrainerparkplätzen stehen dürfen. Denn sie würden das Auto brauchen, um dann auf Hausbesuche fahren zu können. Windisch wiederum bezog sich auf die Landwirte, die nicht nur Marktstände, sondern auch Feinkostläden und Privathaushalte belieferten: „Wir können die Ware ja nicht mit der Scheibtruhe hinbringen.“ Und auch die Vertreter von Anwälten und Apothekerkammer reihen sich in diese Kammer-Phalanx ein.

3. Wie geht es weiter? Könnte die selektive Öffnung ein Kompromiss sein?

Bezirkschef Figl zeigt sich von diesen Argumenten wenig beeindruckt, er beharrt auf seinem Nein zur Öffnung. Dass Ärzte oder Landwirte eine Parkkarte für die Bezirke wollen, in denen sie arbeiten, sei verständlich. Aber dafür brauche es keine Öffnung der Bewohnerparkplätze. Den Rücken stärken werden Figl vermutlich die Bewohner der Innenstadt: Noch bis Montag läuft eine Bürgerbefragung, bei der rund 15.000 Teilnahmeberechtigte mit Hauptwohnsitz im Ersten beantworten können, ob die reservierten Parkplätze tagsüber für Wirtschaftstreibende geöffnet oder die jetzige Regelung beibehalten werden soll. Das Ergebnis soll Ende Jänner vorliegen. Obwohl die Parteifreunde Figl und Ruck für die Position des jeweils anderen Verständnis zeigen, ist ein Einlenken auch von Wirtschaftsseite nicht zu erwarten: Für Ruck sind die Vorschläge zur selektiven Öffnung „nur ein erster Schritt“. Er pocht auf die gänzliche Öffnung und appelliert an die Pakttreue: „Pacta sunt servanda“. Auch Vassilakou dürfte das Votum der Anrainer als nicht bindend sehen: Sie hat zuletzt die Bewohner der Innenstadt via Infoblatt über die „bevorstehende Änderung“ informiert. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbild: Maria Vassilakou
Wien

Anrainerparken: Vassilakou kündigt "Änderung" während Bürgerbefragung an

Verkehrsstadträtin Vassilakou schreibt an die Bewohner der Wiener Innenstadt über eine "bevorstehende Änderung". Der Bezirk befragt allerdings gerade seine Bürger zu dem Thema.
Anrainerparken, Parkplatz, Arainerzone, Anrainerparkplatz, Neubau
Wien

Anrainerparkplätze ab Dezember für Betriebe und soziale Dienste geöffnet

Parkplätze für Bezirksbewohner werden in Wien tagsüber geöffnet. Die Bezirke Innere Stadt und Josefstadt hatten sich vehement dagegen gewehrt.
Wien

Anrainerparken laut Bezirkschefs rechtswidrig

Die Bezirksvorsteher des ersten und achten Bezirks wollen die neuen Hinweisschilder, die Anrainerparkplätze auch für Wirtschaftstreibende öffnen, nicht aufstellen. Laut einem Rechtsgutachten soll die neue Verordnung rechtswidrig sein.
Wien

Das Anrainerparken wird aufgeweicht

Das System der Anrainerparkplätze wird geändert. Von 8 bis 16 Uhr dürfen künftig alle auf ihnen stehen – vor allem, weil die Wirtschaft das forderte.
Wien

Anrainerparken: ÖVP-interne Kritik an Bezirkschefs

Der Wiener Wirtschaftskammer-Präsident rügt den ersten und achten Bezirk.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.