Kriegsspiele in Wiener Moschee:„Keine Uniformen für Kinder“

Auch das Jugendamt hat inzwischen seine Erhebungen wegen einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls eingeleitet.
Auch das Jugendamt hat inzwischen seine Erhebungen wegen einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls eingeleitet.(c) Screenshot Facebook / Falter
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Das Jugendamt prüft auf Gefährdung, der Jugendanwalt sieht den Verfassungsschutz gefordert. Minister Blümel stellt ein Ultimatum.

Wien. Nachdem Fotos aufgetaucht sind, auf denen Kinder in Tarnanzügen in der Moschee in Wien Brigittenau offenbar eine Schlacht nachstellen, wird nicht nur der türkische Moscheeverein Atib geprüft. Auch das Jugendamt hat inzwischen seine Erhebungen wegen einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls eingeleitet, heißt es aus dem Büro von SPÖ-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky.

Die MA 11 werde dafür sowohl die Moscheeverantwortlichen als auch die Atib-Führung zum Gespräch laden. Zudem soll versucht werden, die Kinder auf den vom „Falter“ veröffentlichten Fotos zu identifizieren, um mit den Eltern in Kontakt zu kommen. Wenn Kinder für Kriegspropaganda instrumentalisiert würden, sei das jedenfalls eine Art von Gewalt, heißt es vom Jugendamt.

Um herauszufinden, um welche Kinder es sich auf den Fotos handelt, dürfte die MA 11 aber auf die Kooperation der Moschee in der Dammstraße angewiesen sein, in der die Kriegsspiele stattgefunden haben. Es habe vom Jugendamt zwar ein Ansuchen gegeben, die Identität der abgebildeten Kinder festzustellen, heißt es von der Wiener Polizei. Dafür gebe es aber keine rechtliche Grundlage. „Militäruniformen und Kinder passen nicht zusammen“, sagt der Wiener Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs, der gemeinsam mit dem Leiter der MA 11 die Atib-Führung konfrontieren wird, zu den Vorfällen in der Moschee. Er argwöhnt, dass Kinder indoktriniert und für kriegerische Handlungen bereit gemacht werden. „Da werden Feindbilder produziert.“

Problematisch sei, dass derartige Kriegsspiele offenbar schon früher durchgeführt worden seien, wie weitere Fotos zeigten. „Das war keine einmalige Aktion.“ Seit Februar hätten laut Berichten auch in türkischen Moscheen Gebete für Märtyrer und für einen Sieg im syrischen Afrin stattgefunden. Darauf habe man auch das Kultusamt aufmerksam gemacht.

Beobachtung statt Facebook

Auf Dauer verhindern könne man derartige Umtriebe nur, wenn der Verfassungsschutz die entsprechenden Gruppen – von Atib bis zu den Grauen Wölfen – dauerhaft beobachte, sagt Nik Nafs, der auch das Wiener Netzwerk für Extremismusprävention leitet. „Wenn die Sicherheitsbehörden diesen Auftrag haben, ist man nicht darauf angewiesen, dass irgendwo ein Facebook-Posting auftaucht.“

Ein Wiener Kindergartenbetreiber wird nach den Vorfällen laut Czernohorszky auch vom Verfassungsschutz geprüft. Grund ist, dass der Verein Nokta, der den Kindergarten Marienkäfer in Favoriten betreibt, Atib zuzuordnen ist. Man gehe allerdings nicht davon aus, dass der Kindergarten etwas mit den Moschee-Spielen zu tun habe. Der Kindergarten werde laufend kontrolliert und sei bisher nicht auffällig geworden.

Förderung an Atib-Vereine

2017 hat Nokta, in dessen Vorstand Atib-Vertreter sitzen, für den Kindergarten laut Austria Presse Agentur 227.000 Euro an Förderung von der Stadt Wien bekommen. Förderungen sind demnach auch direkt an Atib gegangen. 2013 bis 2017 flossen rund 30.000 Euro an dezentraler Bezirksförderung an zwei Atib-Vereine in Wien. ÖVP und FPÖ üben heftige Kritik.

Wie viel Geld Atib und seine Vereine österreichweit bekommen haben, ist nicht klar, da Förderungen auf Landes- und Gemeindeebene mangels Transparenz nirgends vollständig aufscheinen. Auf Bundesebene ist, soweit bisher bekannt, kein Geld geflossen.

Kultusminister Gernot Blümel (ÖVP) hat der Islamischen Glaubensgemeinschaft inzwischen ein Ultimatum gestellt. Bis Freitag nächster Woche soll sie die Bundesregierung umfassend unterrichten, was in der Moschee in der Dammstraße vorgefallen ist. Wie der „Kurier“ berichtet, will der Minister zudem alle Atib-Moscheen in Österreich auf ähnliche Ereignisse überprüfen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2018)

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