Stadtflucht

Giro del Zentralfriedhof mit dem E-Bike

Bis zur Luegerkirche im Hintergrund geht es gemütlich zu Fuß, für die weniger frequentierten Bereiche dahinter kann ein E-Bike hilfreich sein.
Bis zur Luegerkirche im Hintergrund geht es gemütlich zu Fuß, für die weniger frequentierten Bereiche dahinter kann ein E-Bike hilfreich sein. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Friedhof ist keine Sportstätte, auf der es um Höchstleistungen geht. Aber eine Runde mit dem Rad hat seinen Reiz – vor allem jetzt, wo man dafür sogar am Eingang E-Bikes ausleihen kann.

„Aso, die Radln.“ Der Portier am Zweiten Tor kann zunächst mit dem Begriff E-Bikes nichts anfangen, aber es ist auch noch recht früh am Wiener Zentralfriedhof. Nur ist das halt die Zeit, in der es auf Europas zweitgrößtem Friedhof am schönsten ist. Gegen acht Uhr morgens, wenn die Touristenbusse noch nicht am Parkplatz stehen, nur vereinzelt Besucher mit Gießkanne zu einem Grab marschieren – kurz, der Friedhof gerade erst zum Leben erwacht, was erstens sprachlich ein bisschen paradox klingt und zweitens so auch in einem Reiseführer stehen könnte. Aber zurück zu den Radln.

Die stehen nämlich seit einigen Tagen beim Haupteingang in einer Station verankert. Sechs E-Bikes, die man ausleihen und mit denen man den Friedhof erkunden kann. „Smarter Together“ nennt sich die Initiative, in deren Rahmen das Projekt gestartet wurde – die Stadterneuerungsinitiative will das System mit den Leihrädern sukzessive ausweiten. Zunächst geht es aber darum, den Friedhof als Lebensraum zu gewinnen. Das hat ja zuletzt schon begonnen, als mit der Kurkonditorei Oberlaa ein Kaffeehaus am Zentralfriedhof eröffnet wurde. Konsequenterweise steht der Radständer direkt neben der Besucherterrasse des Cafés.


App mit Schönheitsfehlern. Angepriesen wurde das Projekt ja damit, dass es wie bei anderen Leihradanbietern auch per App bedient werden kann. Dass die App zum Zeitpunkt der Präsentation noch nicht verfügbar war, war ein kleiner Schönheitsfehler. Der große beginnt dann nach dem Herunterladen aus dem App-Store – denn der Registrierungsprozess erklärt sich nicht ganz schlüssig. Klar, Name, Adresse und Kontaktdaten sind schon sinnvoll. Nur, dass am Ende keine Bestätigung per E-Mail ankommt und nicht klar ist, ob es nun funktioniert hat oder nicht. Und spätestens, wenn dann beim Einloggen in der App „Zu den eingegebenen Daten konnte kein Benutzer ermittelt werden“ auftaucht, weiß man, dass man entweder sehr untalentiert im Umgang mit mobilen Apps ist oder das Produkt vielleicht noch nicht ganz zu Ende gedacht wurde. In diesem Moment überlegt man auch, ob es so gut war, bei der Registrierung die Kreditkartennummer angegeben zu haben. Aber vertrauen wir einfach darauf, dass der elektronische Kooperationspartner, der immerhin mit den städtischen Friedhöfen zusammenarbeitet, keine Dummheiten damit macht – abgesehen davon, dass 10 Euro Registrierungsgebühr eingezogen werden, von denen dann das Nutzungsentgelt abgezogen werden kann. Die ersten zwei Stunden sind kostenlos, ab dann kostet das Service zwei Euro pro Stunde und maximal 20 am Tag. So lange wird man das Rad wohl nicht brauchen, solange man den Friedhof nicht verlässt und damit gen Sonnenuntergang radelt.

Wildbeobachtung vom Radsattel aus: Rehe am Friedhof.
Wildbeobachtung vom Radsattel aus: Rehe am Friedhof. (c) Kocina

Aber gut, benutzen kann man die Räder auch ohne App – einfach beim Portier nachfragen. Der hat in der Zwischenzeit aus einer Klarsichthülle einen A4-Zettel hervorgekramt, einen Nutzungsvertrag. Der wird unterschrieben, die Nummer des Rads notiert und dann endet der bürokratische Teil (nachdem man einen Ausweis als Pfand hinterlegt hat). Also kann man nun endlich losfahren.

Steinkreuze und Rehe. Der touristisch interessanteste Teil des Friedhofs ist ja ohnehin recht nahe beim Eingang – die Arkaden mit prächtigen Grüften, danach die Gruppe 32A mit den Ehrengräbern von unter anderem Beethoven, Schubert, Brahms und der Strauss-Dynastie, wo der Nekropolenausflug vieler Touristen auch schon wieder endet, die Gruft der Bundespräsidenten und schließlich die markante Lueger-Kirche (für Falco und Udo Jürgens müsste man noch ein paar hundert Meter nach links). Aber wenn man schon auf dem Rad sitzt, bietet sich das Erkunden der weiter hinten liegenden Abteilungen an. Etwa der Soldatenfriedhof am hinteren Ende, der mit seinen symmetrisch aufgestellten Steinkreuzen an die Ästhetik amerikanischer Heldenfriedhöfe erinnert.

Hier, im hinteren Bereich des Friedhofs, ist die Gefahr, in eine Gruppe japanischer Touristen zu geraten, denkbar gering. Hier liegt die Betonung des Wortes Friedhof tatsächlich auf der ersten Silbe. Nur vereinzelte Gäste fahren hier mit dem Auto ein Grab an, ab und zu fährt ein Traktor der Friedhofsgärtnerei um die Ecke – und irgendwann entpuppt sich die Bewegung im Augenwinkel als ein Reh, das gerade zwischen den Gräberreihen herumspringt. Und das mit großen Augen beobachtet, wer da gerade mit dem E-Bike vorbeifährt.

Auf den Hauptwegen ist das Vorankommen einfach, Vorsicht ist bei manchem kleineren Weg geboten, wo tiefer Schotter das Fahren sehr ungemütlich machen kann. Und abseits der Wege sollte man mit den Leihrädern wohl ohnehin nicht fahren, es sind schließlich keine Mountainbikes – das wäre auch ziemlich übertrieben, immerhin gibt es keine nennenswerten Steigungen auf dem Gelände. Es geht also auch ohne Verstärkung durch den Elektromotor recht gemütlich dahin. Aber natürlich, ein bisschen Schub lässt weniger schwitzen.

Zu Fuß gehen ist der übliche Weg, um einen Friedhof so wie einen Park zu nützen – nämlich zur Erholung. Und so wird es wohl auch für die Mehrzahl der Besucher bleiben. Und doch, das Erkunden mit dem Fahrrad hat seinen Reiz. Die eine oder andere Ecke, die beim Spazieren vielleicht ein wenig zu weit war, lässt sich auf dem Rad gut erkunden. Gemütlich, ohne Stress und weit weg davon, eine sportliche Herausforderung zu sein – denn ein Radrennen auf dem Friedhof wäre dann vielleicht doch ein wenig unpassend.

Leihrad

Entlehnung. Beim zweiten Tor des Zentralfriedhofs (Simmeringer Hauptstraße 234, 1110 Wien) können sechs E-Bikes beim Portier ausgeliehen werden. In der Testphase bis Ende 2018 sind die ersten zwei Stunden kostenlos, jede weitere kostet 2 Euro.

App. Für Android und iPhone gibt es die App „Simbike“, im Test klappte die Entlehnung aber nicht.

Zentralfriedhof. Mit fast 2,5 km2 ist er (nach Hamburg-Ohlsdorf) der flächenmäßig zweitgrößte Friedhof Europas. Bei Touristen ist er vor allem wegen der Gräber berühmter Persönlichkeiten beliebt.

Museum. Neben den Gräbern sehenswert ist auch das Bestattungsmuseum (www.bestattungsmuseum.at) beim zweiten Tor. (Mo–Fr 9–16.30 Uhr, Sa 10–17.30 Uhr)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2018)

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