Wien: Die 10 Gebote gegen ein Baufiasko

Der Skylink auf dem Wiener Flughafen gilt österreichweit als Symbol für ein Millionendesaster, das vermeidbar gewesen wäre.
Der Skylink auf dem Wiener Flughafen gilt österreichweit als Symbol für ein Millionendesaster, das vermeidbar gewesen wäre.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Prestigeprojekte der öffentlichen Hand laufen oft aus dem Ruder. Wiener Experten haben die Ursachen analysiert und entwickelten „10 Gebote“ für künftige Großprojekte.

Wien. Skylink, Wiener Stadthallenbad, Krankenhaus Nord: Es sind nur drei Symbole für Millionenprojekte der öffentlichen Hand, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Aber warum enden Großprojekte der öffentlichen Hand laufend in einem Desaster? Eine hochrangige Expertengruppe hat gescheiterte Projekte analysiert und zehn Gebote entwickelt, um ein Entgleisen von Großprojekten künftig zu verhindern.

„Wenn ein Bauherr nur zwei dieser zehn Thesen mit ,Jein‘ oder ,Nein‘ beantwortet, soll er nicht zu bauen beginnen. Sonst erlebt er solche Dinge, die wir immer wieder in der Zeitung lesen“, erklärt Matthias Rant, Präsident des Hauptverbandes der gerichtlich beeideten Sachverständigen, der „Presse“. Gerade der Verstoß gegen diese „Zehn Gebote“, die Rant heute, Donnerstag, mit Gerald Goger (Professor der TU Wien) und Wilhelm Reismann (Honorarprofessor der TU Wien) ab 9 Uhr im Kuppelsaal der TU Wien präsentiert, hätte Kostenexplosionen bei Großprojekten ausgelöst, so der Experte:

1. Kompetentes Personal. Hat der Auftraggeber kompetentes Personal eingesetzt? Verfügt die Leitung über „die unbedingt erforderlichen menschlichen Führungsqualitäten“? Das klingt selbstverständlich. Beim Spital Nord hatte der Rechnungshof aber eine völlige Überforderung des Managements diagnostiziert. Wobei Rant zum Spital Nord jede Aussage verweigert, nachdem er dort als Sachverständiger hinzugezogen wurde, um das Desaster aufzuarbeiten.

2. Klare Entscheidungen. Wer das Projekt leitet, muss notwendige Entscheidungen sofort treffen können. Bei einem Gremium gebe es dagegen Verzögerungen, so Rant. Dort kämpfe niemand aktiv für eine Entscheidung, „weil am Ende niemand persönlich schuld sein will, falls es die falsche war“. Nachsatz: „Wenn ein Gremium entscheidet, ist dort niemand schuld, weil niemand klar verantwortlich ist.“ Das sei aber die häufigste Form bei der öffentlichen Hand.

3. Schnelle Entscheidungen. Entscheidungen müssen schnell getroffen werden. Dazu braucht es eine verantwortliche Person. Bei Großprojekten der öffentlichen Hand steht oft eine dringende Entscheidung an, die Gremien tagen aber erst Wochen nach der Deadline – derweil steht das Projekt; oder läuft aus dem Ruder.

4. Realistische Grundlagen. Sind Grundlagen wie Ziele, Termine etc. klar definiert? Wird auf einer realistischen Grundlage kalkuliert? Hintergrund: Oft werden Projektkosten von der Politik billiger angegeben, um sich keiner Kritik bzw. Diskussion über die Kosten auszusetzen – was den Projektstart verzögern würde. Und wenn die Kosten Jahre später explodieren, ist der zuständige Politiker meist nicht mehr im Amt.

5. Organisation. Gerade komplexe Aufgaben brauchen eine einfache, durchschaubare Organisation.

6. Abläufe. Laufen alle (Arbeits-)Prozesse logisch und effizient ab?

7. Keine Umplanungen. Werden die Anforderungen für Nutzung und Betrieb eines z. B. Flughafens rechtzeitig in Planung und Entwicklung einbezogen? Werden nachträgliche Änderungen tunlichst vermieden? Denn große Umplanungen während des Baus seien der Tod eines Projektes, so Rant. Dann würden die Kosten davonrennen.

8. Transparenz. Gibt es eine umfassende, objektive Dokumentation – damit alle Baufirmen damit arbeiten können?

9. Verträge. Sind die Verträge so formuliert, dass Missverständnisse und Streitfälle beim Zusammenspiel der unzähligen Firmen auf der Baustelle von Großprojekten nicht auftreten können?

10. Wissen weitergeben. Werden die Erfahrungen einer Projektphase an die nächste weitergegeben? Oder muss diese mit Bruchstücken auskommen?

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Draußen in Floridsdorf, im KH Nord: Stadtrat Peter Hacker am Donnerstag, wie alle mit den vorgeschriebenen Schuhüberziehern.
Wien

KH Nord: Peter Hacker, Stadtrat ohne Gnade

Der Neue garantiert einen Vollbetrieb des skandalgebeutelten Spitals im September 2019. Als Kostenlimit definiert er 1,3 Milliarden Euro – und droht den KAV-Chefs mit Abberufung.
Wien

Wiener KH Nord: Zukünftig Erklärung für "jeden Cent" über geplantem Kostenrahmen

Wiens Gesundheitsstadtrat nennt einen Termin für die Eröffnung des in der Kritik stehenden Spitalsprojekts. Er nennt auch einen Kostenrahmen, bei weiteren Überschreitungen drohen personelle Konsequenzen.
Symbolbild.
Wien

Spital Nord: Aufarbeitung des Fiaskos hat begonnen

Jene Kommission, die die Ursachen des Fiaskos beim Spital Nord aufspüren und die politische Verantwortung klären soll, hat sich konstituiert. Als erster Zeuge wird KAV-Chef Herwig Wetzlinger aussagen müssen.
KH-Nord: Gremiumsvorsitzende Elisabeth Rech
Wien

Untersuchungskommission zu Wiener KH-Nord: "Wir sind kein Tribunal"

Die Rechtsanwältin und Gremiumsvorsitzende Elisabeth Rech eröffnete am Mittwoch die Untersuchungskommission, die eine mögliche politische Verantwortung im Fall des Krankenhausbaus klären solle. Die erste Zeugenladung wurde fixiert.
Betten, Zimmer, Gänge, Gebäude – alles leer.
Wien

KH Nord: Firmen drohen mit Stopp

Baufirmen klagen über unbezahlte Rechnungen und drohen Arbeiten einzustellen. Gesundheitsstadtrat Hacker: Es werde nur bezahlt, was nachweislich geleistet wurde.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.