Wiens rot-grüne Welt ist gerettet

Klar gewählt und umgehend angelobt: Michael Ludwig als neuer Bürgermeister.
Klar gewählt und umgehend angelobt: Michael Ludwig als neuer Bürgermeister.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Michael Häupl gab sich zum Abschied nachdenklich – und wurde hochgelobt. Michael Ludwig und seine Stadträte wurden fast deutlicher als erwartet gewählt.

Wien. Es war ein langer Tag für Michael Ludwig. Bis 15.49 Uhr musste er warten, bis feststand: Michael Ludwig ist Wiens neuer Bürgermeister. Mit 56 von 99 gültigen Stimmen wurde er deutlicher als erwartet gewählt. Minutenlanger Applaus, „ich nehme die Wahl an“, Gelöbnis, und binnen weniger Minuten war Ludwig im Amt.

Ebenfalls gewählt wurden Ludwigs vier neue Stadträte: Veronica Kaup-Hasler (Kultur) erzielte mit 63 Stimmen das höchste Ergebnis, Peter Hanke (Finanzen) wurde mit 59 Stimmen gewählt und Kathrin Gaal (Wohnbau) erreichte 56 Stimmen. Peter Hacker (Gesundheit und Soziales) bekam lediglich 54 Stimmen, was genau dem rot-grünen Anteil entspricht.

Bekenntnis zum politischen Partner: Ludwig und die grüne Maria Vassilakou.
Bekenntnis zum politischen Partner: Ludwig und die grüne Maria Vassilakou. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Ludwigs Angelobung war das Ende eines langes Weges zum Stadtchef, vom SPÖ-Flügelkampf bis zur Überzeugungsarbeit im Gemeinderat (offenbar gelungen, zumindest zwei Stimmen kamen aus der Opposition). Und es war (für Ludwig) Höhepunkt eines Tages, der früh begonnen hatte. Am Morgen, als er allein eine Runde drehte: fröhlichen Gesichts durch den Saal, als dieser noch fast leer war. Posen – erhobener Daumen inklusive, so kennt man ihn.

Dann musste Ludwig die Bühne noch einmal dem anderen Michael überlassen. Als sich der Sitzungssaal mit festlichen gekleideten Stadtpolitikern füllte. Häupl stand im Mittelpunkt. Langer Applaus begleitete schon seinen Gang zum Rednerpult. Die Abschiedsrede fiel fast nachdenklich aus. Mit einer zufriedenen Bilanz (was in seiner Zeit aus Wien wurde, sehe er, wenn er „erhobenen Hauptes“ durch die Stadt gehe). Neben einer Bilanz in Detailfragen der Stadtentwicklung war es eine persönlich gehaltene Rede.

Abschied mit Gebet

Häupl entschuldigte sich, falls er jemanden beleidigt haben sollte. Er bedanke sich „reinen Herzens“ bei allen Begleitern. „Sie sind großartig, wenn sie wollen“, zollte Häupl den Mitarbeitern der Stadt Tribut und sorgte für Gelächter. Parteifreunden und den Grünen dankte er: „Nicht jeder Tag war super. Aber es war über weiteste Strecken eine tolle Zeit.“ An die Opposition: „Mehr Gemeinsamkeit würde der Stadt guttun.“

Und er beendete seine Amtszeit mit einem Gebet, das ihm Leopold Gratz zum Amtsantritt mit auf den Weg gegeben hatte: „Herr, erhalte mich liebenswert“, öffnete Häupl seine Kurzversion des „Gebet des älter werdenden Menschen“ (Teresa von Avila). Und schloss mit: „Denn ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.“ „Auf Wiedersehen“, mit diesen Worten verabschiedete er sich.

Danach, wie erwartet, tosender Applaus. Diesmal ließen sich sogar ÖVP- und FPÖ-Mandatare kurz zum Klatschen hinreißen, sitzend. Der Rest stand minutenlang, üppige Sträuße (in Rot, was sonst) für Häupl, Selfies, Küsse, Umarmungen. Erst als der scheidende Bürgermeister zum Aufhören gestikulierte, wurde es ruhig.

Michael Ludwigs einstündige Antrittsrede, die er auf eigenes Ersuchen (er hatte ja noch Mandatare zu überzeugen) vor der Wahl halten durfte, ging mit Ehrerbietung weiter: Häupl habe große Vorgaben gemacht, er werde sich bemühen, mit seinen Schuhen weiterzugehen. Basis sei jedenfalls das Koalitionsprogramm, das werde er „auf Punkt und Beistrich“ einhalten. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein treuer Mensch bin: im Privaten wie politisch“, bekannte sich Ludwig klar zu Rot-Grün. Neuwahlen sind damit auf absehbare Zeit vom Tisch.

Und am Ende eine Umarmung: Michael Ludwig (r.) verabschiedet Michael Häupl.
Und am Ende eine Umarmung: Michael Ludwig (r.) verabschiedet Michael Häupl. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Ein Hochzeitsversprechen

Als Schwerpunkte sprach Ludwig Wohnbau, Sicherheit, Lebensqualität und Digitalisierung an. Grundtenor: Es solle keine Spaltung geben, kein Wien der zwei Geschwindigkeiten. Neben eher Erwartbarem blieb Platz für Privates: Seiner Verlobten, Irmtraud Rossgatterer, nebst vielen Ehrengästen auf der Galerie, kündigt Ludwig an, er habe künftig sicher wieder mehr Zeit. Da werde sich endlich ein Hochzeitstermin finden. Lachen im Saal. Es wurde ja schon der erste Tag im Amt ein langer, der mit der Angelobung nicht zu Ende war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Meinung

Wiener Wende: Die Stunde des Pragmatikers Michael Ludwig

Michael Ludwig ist endlich am Ziel, im Sessel des Bürgermeisters. Große Visionen fehlen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.