Michael Ludwig: „Ohne Leistung kein Aufstieg“

Daheim in Floridsdorf, aber sonst viel unterwegs: Michael Ludwig ist kommende Woche mit Michael Häupl beim Life Ball. Und beim Ramadan-Fastenbrechen.
Daheim in Floridsdorf, aber sonst viel unterwegs: Michael Ludwig ist kommende Woche mit Michael Häupl beim Life Ball. Und beim Ramadan-Fastenbrechen.(c) Daniel Novotny
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Bürgermeister Michael Ludwig kann sich ein Ende des neuen Gemeindebaus vorstellen und bastelt an einem „Wien-Bonus“ für den Arbeitsmarkt der ganzen Ostregion.

Wir sind hier im Gasthaus Birner in „Ihrem“ Floridsdorf. Ist das schon ein Signal?

Michael Ludwig: Es ist ein Signal, dass ich mich weiter um den Bezirk kümmern werde. Aber es ist auch ein schönes Zeichen, dass in Wien Arbeiten, Wohnen und Freizeit beieinander liegen.


Der vorigen Stadtregierung ist dieser ständige Jubel auf den Kopf gefallen: Wien wird in Umfragen regelmäßig zur lebenswertesten Stadt gekürt, aber viele, die hier leben, empfinden zu Recht eine andere Realität.

Daher muss man noch mehr den Fokus auf die Bezirke mit starkem Bevölkerungswachstum legen, damit die soziale Durchmischung gewährleistet ist.

Das bringt uns zum Gemeindebau: Sie haben als Wohnbaustadtrat angekündigt, die Rückkehr des Gemeindebaus zu evaluieren. Könnten Sie sie als Bürgermeister stoppen?

Wenn die aktuellen Projekte abgeschlossen sind, sehen wir, in welcher Kostenstruktur sie sich bewegen.

Das heißt, ein Stopp ist denkbar?

Wenn es besser für die Menschen und günstiger für die Stadt ist, gemeinsam mit den gemeinnützigen Bauträgern Wohnbau zu errichten, wird es eine Veränderung geben. Also ja.

Bleiben wir noch in Floridsdorf: Der Bezirksvorsteher wünscht sich für den Franz-Jonas-Platz ein Alkoholverbot. Hat er Chancen?

Wir werden nach einem halben Jahr evaluieren, wie wirksam das Verbot samt Begleitmaßnahmen am Praterstern ist. Am Franz-Jonas-Platz gibt es ein Problem mit Alkoholismus, insofern hat er meine Unterstützung.

Das Alkoholverbot gehört zum Thema Sicherheit, das Sie zur Chefsache erklärt haben. Was halten Sie von einer berittenen Polizei, die sich der Innenminister wünscht?

Ich war immer dafür, dass man, bevor man Pferdeställe errichtet, die Unterbringung der Polizei verbessert, was ich als Wohnbaustadtrat auch getan habe.

Der neue Sozialstadtrat, Peter Hacker, hat einmal gewarnt, dass Einschnitte bei der Mindestsicherung zu einem Anstieg der Kriminalität führen. Sehen Sie das auch so?

Ich war immer für eine bundeseinheitliche Regelung der Mindestsicherung und warte auf einen verfassungskonformen Vorschlag der Bundesregierung.

Der unter den Leistungen Wiens liegen wird. Ist so etwas für die Wiener SPÖ denkbar?

Ich kann mir vorstellen, dass die Mindestsicherung dann durch andere Maßnahmen ergänzt wird.

Welche?

Stadtrat Hacker und ich haben da konkrete Vorstellungen, aber wir wollen dem Bund nicht vorgreifen.

Sie wollen die Idee des Wien-Bonus, also die Bevorzugung langjähriger Wiener bei der Vergabe im sozialen Wohnbau, ausweiten. Etwa auf die Mindestsicherung. Kommen jetzt auch andere Anwendungsbereiche?

Ich habe alle Ressorts aufgefordert, Vorschläge zu machen. Ich kann mir den Bereich Arbeitsmarkt oder Wirtschaft gut vorstellen. Ich schließe aber alles aus, wo direkt Kinder betroffen sind oder es um die Gesundheit geht.

Was könnte das beim Arbeitsmarkt sein?

Das prüfen wir gerade und zwar in Abstimmung mit Johanna Mikl-Leitner und Hans Niessl. Es geht sozusagen um einen Wien-Bonus, der auch für Niederösterreich und das Burgenland gilt.

Apropos größere Perspektive: Wie sehen Sie das neue Programm der Bundes-SPÖ?

Viele Anregungen sind ja aus Wien gekommen wie „Integration vor Zuwanderung“. Oder die Betonung von Leistung. Das Programm ist auch eine Möglichkeit, dass Christian Kern in der Bundespolitik sein Profil schärft.

Das heißt, es ist noch nicht scharf genug?

Es ist für die gesamte Bundes-SPÖ eine Herausforderung, wenn man nach vielen Jahren in die Opposition wechselt.

Laut Programm sollen die Mitglieder über Koalitionen abstimmen. Ist das auch für Wien denkbar?

Ich bin dafür, dass man Mitglieder mehr einbindet. Ob das zwingend bei den Koalitionen sein muss, das sehe ich nicht so. Aber für den Bund war es ein Wunsch von Christian Kern.

Michael Häupl hat sich durch den Gegensatz zu Schwarz-Blau im Bund definiert, sogar als Schwarz-Blau nicht existent war. Wird das auch Ihr bundespolitisches Narrativ?

Ich lehne Vorschläge nicht ab, nur weil sie aus anderen Fraktionen kommen. Das gilt auch für das Verhältnis zur Bundesregierung.

Sie werden öfter mit Sebastian Kurz verglichen, was Strategie und Themen betrifft. Verstehen Sie das?

Ich denke, wir sind in sehr verschiedenen Bereichen tätig.

Sie schließen Rot-Blau aus, aber was, wenn sich eine Situation wie im Burgenland ergibt, also: Rot-Blau oder aber die FPÖ koaliert mit einer dank Kurz erstarkten ÖVP?

Wenn sich ÖVP-FPÖ ausgeht, machen die das, ohne uns zu fragen.

Können Sie das Neuwahl-Gerücht, das im Raum steht, ausschließen?

Ja, denn ich sehe im Moment gar keinen Grund, darüber zu diskutieren.

Was glauben Sie, wie rückblickend die Ludwig-Jahre bezeichnet werden?

So etwas hängt stark von den Herausforderungen ab. Eine der größten ist die Digitalisierung. Die Antworten findet man nur gemeinsam mit der Sozialpartnerschaft, mit der Ostregion und mit Europa. Wenn wir uns nicht besser aufstellen, werden wir im Wettbewerb eine eingeschränkte Rolle spielen.

Es gibt derzeit zwei Denkschulen in der EU: Die einen pochen auf das Sozialsystem, die anderen sagen, die Wirtschaft muss wettbewerbsfähiger werden. Wo stehen Sie da?

Ich sehe keinen Widerspruch. Ich bin bei Kreisky und seinem Motto „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“. Ohne Leistung gibt es keinen sozialen Aufstieg.

Die SPÖ wird als soziale Partei gesehen, nicht als Partei der Leistungsträger.

Das halte ich für einen Nachteil. Wir sollten uns nicht definieren lassen als Partei, die sich mit der sozialen Hängematte beschäftigt, sondern die durch Leistung einen individuellen und kollektiven Aufstieg ermöglicht.

Aber es kommt doch nicht von ungefähr, dass man so wahrgenommen wird.

Es wird daher auch an uns liegen, an diesem Image zu arbeiten.

Steckbrief

1961
wurde Michael Ludwig in Wien geboren und wuchs in einem Gemeindebau in Floridsdorf auf. Nach der Matura absolvierte er das Studium der Politikwissenschaft und Geschichte.

1994
begann er seine politische Karriere als Bezirksrat in Floridsdorf. 1999 wechselte er als Abgeordneter in den Landtag.

2007
wurde er zum Wohnbaustadtrat ernannt. Er folgte Werner Faymann nach. Am Landesparteitag der SPÖ am 27. Jänner 2018 wurde Ludwig bei einer Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder mit 57 Prozent der Stimmen zum Nachfolger Michael Häupls als Vorsitzender der SPÖ Wien gewählt. Am Donnerstag übernahm er das Amt des Wiener Bürgermeisters und Landeshauptmannes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2018)

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