Wieso Wien keine Leihräder mag

Bald Geschichte: Die Obike-Leihräder dürften bald aus dem Wiener Stadtbild verschwinden.
Bald Geschichte: Die Obike-Leihräder dürften bald aus dem Wiener Stadtbild verschwinden.(c) Stanislav Jenis
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Mit Obike und Ofo ziehen sich nach nur einem Jahr die beiden großen Anbieter stationsloser Leihräder aus Wien zurück – noch bevor die strengeren Regeln in Kraft treten.

Wien. Es ist fast ein bisschen paradox: Wenn am 1. August in Wien jene Verordnung in Kraft tritt, die Anbietern und Nutzern der sogenannten stationslosen Leihräder deutlich strengere Regeln auferlegt, werden ebendiese Leihräder fast zur Gänze aus dem Stadtbild verschwunden sein.

Noch im Vorjahr wurde heftig über die „Räderinvasion“ – Obike und Ofo hatten zusammen rund 1700 Räder nach Wien gebracht – debattiert, und viele Wiener stießen sich an den Leihrädern, die teilweise kreuz und quer auf Gehsteigen standen (oder lagen) und mitunter im Donaukanal oder auf U-Bahn-Gleisen landetet. Doch nun scheint das Projekt Geschichte zu sein. Oder wie es der Radverkehrsbeauftragte der Stadt, Martin Blum, formuliert: „Der erste Anlauf ist jetzt einmal gescheitert.“

Offenbar nicht nur in Wien: Obike, ein Start-up aus Singapur, hat seinen Leihradbetrieb in Asien vor wenigen Tagen überraschend eingestellt. Auch wenn Firmenchef Shi Yi im „Handelsblatt“ dementiert, dass die gelb-grauen Obikes auch aus europäischen Städten entfernt werden, scheint das Aus zumindest in Wien fix zu sein: Die Stadt wurde darüber informiert, dass die Obike-Flotte (derzeit noch etwa 800 Stück) demnächst abgeholt wird.

Wiener gehen lieber zu Fuß

Auch der zweite große Anbieter, Ofo, mit seinen knallgelben Rädern hat vor wenigen Tagen seinen Abzug aus Wien angekündigt. Damit gibt es nur noch ein (kleines) Leihradsystem in Wien: jenes des dänischen Start-ups Donkey Republic mit 150 Leihrädern, die man allerdings nicht wie die Obikes irgendwo stehen lassen kann, sondern zu einem öffentlichen Radabstellplatz bringen muss.

150 stationslose Leihräder in einer Millionenstadt? Hat Wien tatsächlich keinen (großen) Bedarf an jenen Rädern, die man via App orten, entsperren und bequem an jedem beliebigen Ort wieder abstellen kann? Es scheint fast so. Vielleicht, weil es mit den Citybikes schon ein länger etabliertes und gut ausgebautes Leihradsystem gibt. Der Nachteil – man muss die Räder an einer der Citybike-Stationen zurückgeben – kann den großen Vorteil offenbar nicht wettmachen: Die Nutzung ist in der ersten Stunde gratis, erst danach fällt pro Stunde ein Euro an. Ofo (80 Cent für 20 Minuten) und Obike (ein Euro je angefangener halber Stunde) sind damit deutlich teurer – zudem muss man bei Obike eine Kaution (79 Euro) hinterlegen (wie und ob diese Kaution den Nutzern nun retourniert wird, ist übrigens unklar.) Die orangefarbenen Donkey-Republic-Räder sind mit sieben Euro für zwei Stunden deutlich teurer (fährt man regelmäßig, reduziert sich der Tarif).

Ofo und Obike waren also wohl – nach anfänglichen Aktionspreisen – auch zu teuer, das Leihsystem funktionierte zudem technisch nicht immer einwandfrei. Und die Räder selbst waren qualitativ „nicht gut genug für den europäischen Markt“, wie Blum sagt. Auch die regelmäßige Wartung war – anders als bei den Citybikes – eher nicht gegeben.

Zudem fährt der Wiener zwar gern Rad (und hat daher mitunter auch ein eigenes), geht aber auch gern zu Fuß, und das immer öfter. Die Zahl der Wege, die zu Fuß zurückgelegt werden, steigt laut Mobilitätsagentur: 88 Prozent der Wiener geben laut aktuellem „Wien zu Fuß“-Report an, gern in der Stadt zu Fuß zu gehen, 2013 lag der Anteil erst bei 59 Prozent. Gerade kurze Strecken in der Stadt, für die die Leihräder ja gedacht sind, werden in Wien zu Fuß zurückgelegt, und hier besonders in den innerstädtischen Bezirken: also genau dort, wo der Großteil der Leihräder herumsteht. Für längere Strecken gibt es ein öffentliches Verkehrssystem, das – bei allen Beschwerden über Verspätungen oder Ausfälle – gut ausgebaut ist und verlässlich funktioniert.

Ist die neue, strenge Leihradverordnung ab 1. August also nun umsonst? Nein, findet der Radverkehrsbeauftragte Blum. Denn sollte Obike seine Flotte doch nicht wie angekündigt abziehen, kann die Stadt dank Verordnung diese nun entfernen lassen. Und wer weiß? Vielleicht wagt sich eines Tages ein weiterer Leihradanbieter in die Stadt der Fußgänger.

AUF EINEN BLICK

Mit Ofo und Obike starteten im Vorjahr zwei asiatische Anbieter stationsloser Leihräder in Wien. Anders als die Citybikes kann man die Ofo- und Obike-Räder irgendwo im Stadtgebiet abstellen – was schnell zu Problemen führte. Nach Kritik und mangels Nachfrage reduzierten beide Anbieter ihre Flotte nach wenigen Monaten deutlich. Nun kündigte Ofo an, sich ganz aus Wien zurückzuziehen. Obike ging in Asien pleite, mit dem Abzug der Räder aus Wien wird demnächst gerechnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2018)

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