Umgestaltung: Und jetzt der Michaelerplatz

Kein Platz zum Verweilen mitten in der Stadt: Der Michaelerplatz soll umgestaltet werden.
Kein Platz zum Verweilen mitten in der Stadt: Der Michaelerplatz soll umgestaltet werden. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach der Herrengasse wenden sich Anrainer dem nächsten Ort zu: dem Michaelerplatz. In der Stadt zeigt man sich offen – auch wenn das Projekt ganz am Anfang steht.

Wien. Das beliebteste Fotomotiv sind an diesen heißen Tagen die Fiakerpferde. In der Sonne, wenn sie von ihren Fahrern per Wasserschlauch und Kübel mit etwas Abkühlung versorgt werden. Und sonst? Im Schanigarten des Kaffeehauses, das einmal das Griensteidl und dann das Rien war, sitzen, seit es Klimt heißt, vor allem Touristen. Die stehen auch bei den Ausgrabungen in der Mitte des Platzes, lassen sich diese, die Hofburg, die Kirche St. Michael oder das Looshaus von Fremdenführern erklären. Und die Wiener? Die eilen über den Platz, holpern in Auto oder Taxi über das alte Pflaster, wenige lassen sich auf dem Rad durchschütteln. Aufenthaltsort ist der Michaelerplatz keiner.

Im Gegenteil. Wer ein Problem beim Gehen hat, der meidet ihn. Passieren im Rollstuhl oder mit Kinderwagen ist eher unzumutbar. Das soll sich ändern. Eine Gruppe geschäftlicher und privater Anrainer des Platzes hat sich zusammengetan, um eine Umgestaltung anzuregen. Es gehe um eine zeitgemäße Gestaltung, um eine höhere Verweilqualität für Bewohner und Touristen, um eine Beruhigung – kurz, um das Lebensgefühl in diesem Teil der Inneren Stadt.

„Derzeit endet die Begegnungszone Herrengasse am Michaelerplatz, aber die Plätze gehören eingebunden“, sagt Wolfgang Spitzy. Er hat als Sprecher der Initiative Hochhaus Herrengasse schon deren Umgestaltung initiiert und ist nun bei der Plattform Michaelerplatz plus dabei.

Wiener meiden den Platz

Diese Plattform hat sich am Dienstag zum ersten Mal präsentiert – und auch ein mögliches Projekt Michaelerplatz steht ganz am Anfang. Zunächst gehe es darum, die Diskussion zu eröffnen. „Derzeit fehlt ein Platzcharakter“, sagt Spitzy. Dazu gehörten eine Gestaltung auf einer Ebene, ein Bannen der Gefahren durch den alten Belag und Verkehrsberuhigung.

Burghauptmann Rainhard Sahl, in dessen Verantwortung auch die Hofburg liegt, spricht von der Betrachtung als gesamtes Areal. Studien hätten gezeigt, dass das Entree vom Michaelerplatz zur Hofburg sowohl für Touristen als auch für Bewohner der Stadt nicht sehr attraktiv sei.
Florian Jonak, Betreiber mehrerer Boutiquen am Kohlmarkt und Graben und Vorstand des Kohlmarkt-Komitees, spricht davon, dass man die Wiener wieder in die Innenstadt holen müsse. „Wir wissen: Die Wiener gehen immer weniger in die Stadt. Wir reden dann gern von den Demos, den Ringsperren, aber man muss sich auch die Frage stellen: Ist die Innenstadt noch attraktiv genug?“

Der Michaelerplatz sei für ihn derzeit eher Verkehrsknoten – wegen des Pflasters ist der Verkehr dort besonders laut, im Sommer rieche man die Hinterlassenschaften der Fiakerpferde. Wäre der Platz attraktiver zu queren, kämen mehr Menschen in die Innenstadt. Das belebe, so Jonak, auch die Nebengassen, in denen es Leerstände gibt – und in denen sich auch Wiener Betriebe noch Innenstadtmieten leisten könnten.

Eine Beruhigung wünscht sich auch Pater Erhard Rauch von der Pfarre St. Michael. Die Kirche ziehe zwar jeden Tag 800 bis 1000 Besucher an, aber ihre Attraktivität ende an der Kirchentüre. Davor sei es so laut, dass man diese stets geschlossen halten müsse, so Rauch. Und weil der Platz abschüssig sei, sammelten sich übel riechende Abwässer der Fiakerpferde vor der Kirche. Die Pfarre wünscht sich einen Kirchenvorplatz, beispielsweise für Hochzeiten, von denen es mangels Platzes dort derzeit wenige gibt. „Wir möchten den Platz weiten, beruhigen. Entschleunigung, das, was wir als Kirche hier anbieten können, hat einen großen Wert. Aber die Leute sollen nicht aus der Kirche sofort wieder mitten in den Verkehr fallen.“

Das Ideensammeln startet erst

Wie dieses Weiten und Beruhigen aussehen könnte, da gibt es noch keine konkreten Pläne. Bewusst nicht. „Für uns geht es zunächst um die Funktion des Platzes, darum, wie wir die erreichen“, sagt Burghauptmann Sahl. Grundsätzlich wolle man die Debatte nicht einschränken oder vorwegnehmen, indem Konkretes genannt wird. Nur sei klar, dass Barrierefreiheit ein wichtiger Punkt bei einer Umgestaltung sein sollte.

Nun können sich erst einmal Anrainer und Nutzer des Platzes Gedanken machen, Ideen und Interessen einbringen. Das soll vor allem über die Website (michaelerplatz.at) geschehen. Aber die Initiative will auch aktiv Kontakt zu Institutionen, der Mobilitätsagentur oder dem Wien-Museum, das für die Ausgrabungen zuständig ist, sowie Anrainern suchen.
In drei, vier Monaten, gegen Ende des Jahres, soll es konkreter werden. Dann sollen erste Ergebnisse vorliegen. Darüber hinaus könne man keinen Zeitplan benennen. Auch eine Finanzierung einer möglichen Umgestaltung ist völlig offen. Ob die Kosten da, wie in der anliegenden Herrengasse, vor allem von Privaten getragen werden, müsse man sich ansehen.

Im ersten Bezirk kennt man die Initiative. Allerdings müssten konkrete Pläne oder Ideen in die zuständigen Ausschüsse und Kommissionen eingebracht werden, dann könne man sich genau damit auseinandersetzen. Akut sehe man keinen dringenden Handlungsbedarf am Michaelerplatz, heißt es im Büro von Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP). Im Planungsressort von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) klingt die erste Reaktion auf die Initiative positiver: Es ist sehr begrüßenswert, dass sich Anrainer einsetzen. „Das Projekt ist ganz am Anfang, aber wenn etwas in Gang kommt, sind wir gern dabei“, heißt es aus Vassilakous Büro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2018)

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