Geliebt und gehasst: Der Abschied der Maria Vassilakou

Maria Vassilakou bei ihrer "persönlichen Erklärung" vor Journalisten am Sonntag
Maria Vassilakou bei ihrer "persönlichen Erklärung" vor Journalisten am SonntagAPA/HERBERT P. OCZERET
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Porträt. Moderne Politikerin oder bloße Autogegnerin? Kaum jemand polarisierte so wie die grüne Vizestadtchefin.

Wien. „Sind jetzt alle zufrieden?“, fragt Maria Vassilakou in den Raum. Diesen hat sie soeben umringt von Kameraleuten betreten, die den Auftritt bestmöglich in Szene setzen wollen. „Dann lege ich los“, sagt die Wiener Vizebürgermeisterin. Sie lächelt, wirkt aber doch angespannt. Die Grün-Politikerin hat an diesem Sonntag im Wiener Presseclub Concordia etwas mitzuteilen: Sie werde nicht mehr als Spitzenkandidatin der Wiener Grünen kandidieren, betont Vassilakou. Als Vizebürgermeisterin und Stadträtin werde sie längstens bis zum nächsten Rechnungsabschluss (Juni 2019) im Amt bleiben.

Immer wieder nimmt Vassilakou in ihrer Erklärung Bezug auf ihre Lebensgeschichte. Sie erzählt, wie sie als Kind am Athener Stadtrand aufgewachsen ist und unbeschwert in Olivenhainen spielen konnte. Dann sei dort planlos gebaut worden, alles „wurde verschluckt von einer Wüste aus Beton und Asphalt“, berichtet Vassilakou. „Auch das machte aus mir eine Planungsstadträtin“, meint die Politikerin. Und sie erzählte, wie sie fast auf den Tag genau vor 22 Jahren am Wiener Südbahnhof mit einem Koffer ankam. „Ich fand hier eine Familie, die Grünen“, erzählt Vassilakou. Und so wurde aus der jungen Griechin, die zum Studieren als angehende Dolmetscherin nach Österreich gekommen war, eine Wiener Vizebürgermeisterin.

Freilich eine, die stets stark polarisierte. Ihre Projekte wie die Schaffung der Begegnungszone in der Mariahilfer Straße wurde von den einen als Aufwertung der Lebensqualität bejubelt. Wirtschaftstreibende hingegen machten aus Angst um ihr Geschäft gegen die Verbannung der Autofahrer mobil. Als Feindbild für Autofahrer diente Vassilakou im politischen Diskurs auch sonst. Sie würde „einer griechischen Rachegöttin gleich“ gegen die Autofahrer kämpfen und Steuergeld im Hades verbrennen, erklärte die FPÖ. Das BZÖ wollte Vassilakou sogar einmal weiße Rosen nach Athen schicken, in der Hoffnung, sie gehe endlich wieder zurück.

Aber auch innerparteilich war Vassilakou öfter umstritten. Gegner des Heumarkt-Projekts machten gegen die Parteichefin mobil und wollten sie abwählen lassen. Und dass Vassilakou vor der Wiener Landtagswahl 2015 vollmundig erklärte, bei Verlusten zurückzutreten, um es dann doch nicht zu tun, sorgte für manches Kopfschütteln.

Andererseits gilt „Mary“, wie sie von ihren Fans genant wird, als Inbegriff einer grünen Erfolgsgeschichte. Über die Studentenvertretung fand sie in die Politik, 1996 zog Vassilakou (inzwischen griechisch-österreichische Doppelstaatsbürgerin) für die Grünen in den Wiener Gemeinderat ein, 2005 war sie erstmals Spitzenkandidatin. Sie galt zu dieser Zeit als der Inbegriff der modernen Grünen, stets gut gekleidet und manchmal sogar mit dem Motorrad unterwegs. Der Stil der aus gutbürgerlichem Haus kommenden Austrogriechin gefiel jedoch nicht allen in der basisdemokratischen Partei. „Soll ich mit Wollmützen oder ungekämmten Haaren in der Stadt herumlaufen?“, entgegnete Vassilakou damals der Kritik. Nachsatz: „Die Grünen haben sich geändert.“

Die Antithese zu Heinz-Christian Strache

2010 schien die Macht in Griffweite: „Was kann Strache Grauslicheres passieren als eine Migrantin als Vizebürgermeisterin?“, meinte Vassilakou im Wahlkampf. Tatsächlich musste die SPÖ nach dem Verlust der Absoluten koalieren und bildete eine Koalition mit den Grünen, Vassilakou wurde Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin. Radwege wurden ausgebaut, ein 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Verkehr kam. Ein Erfolg, den Vassilakou auch in ihrer Erklärung am Sonntag als solchen benennt.

Ursprünglich hatte die Politikerin sogar ein 100-Euro-Jahresticket gefordert. Aber der Spagat zwischen Wunsch und Realität ist bei den Grünen auch unter Vassilakou ein Dauerthema geblieben.
Im Vorjahr habe sie bei der Landesversammlung angekündigt, dass sie die Erneuerung der Partei anstrebe, resümiert Vassilakou nun in ihrer Rede am Sonntag. „Das löse ich nun ein. Und ich beginne bei mir selbst.“ Es sei Zeit für eine neue Generation, neue Visionen. Zudem sei die Spitzenpolitik etwas sehr Intensives. Sie werde in sechs Monaten 50 Jahre alt, sagt Vassilakou. Da beginne man, sich zu fragen, was man im Leben noch erreichen wolle.

Die Frage, inwiefern der Rücktritt auch auf parteiinternen Druck hin erfolge, will Vassilakou nicht beantworten. Journalistenfragen sind nicht erlaubt. Sie lächelt und geht. Bis zum Ende ihrer politischen Karriere wolle sie aber ihre Projekte noch vorantreiben, verspricht sie noch zuvor: „Der Vorschlag einer Citymaut war mein Ernst.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2018)

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