Ex-Grünen-Mandatarin Maurer: „Nein, ich bereue nicht!“

Sigrid Maurer kam als Beschuldigte.
Sigrid Maurer kam als Beschuldigte.APA/HANS PUNZ
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Sigrid Maurer wirft einem Lokalbetreiber das Versenden sexistischer Nachrichten vor. Und setzt sich via Twitter zur Wehr. Der Mann klagt daraufhin die Ex-Abgeordnete. Beim Prozess gerät er aber ins Trudeln.

Wien. Wie kann sich eine Frau wehren, wenn ihr in sozialen Netzwerken sexistische und/oder derb-obszöne Nachrichten geschickt werden? So lange es sich um keine öffentliche Herabwürdigung oder Bloßstellung handelt, sind die rechtlichen Möglichkeiten beschränkt. Insofern hat sich die Ex-Nationalratsabgeordnete der Grünen, Sigrid Maurer, vorigen April auf eigene Art zur Wehr gesetzt.

Sie machte ebensolche an sie gerichtete Botschaften kurzerhand öffentlich. Der angeprangerte mutmaßliche Verfasser, L. (40), Inhaber eines Biergeschäfts in Wien-Josefstadt, deckte Maurer mit einer Privatanklage ein. Wegen übler Nachrede. Und Kreditschädigung.

„War es Selbstjustiz?“

„Was sagen Sie zu dem Vorwurf der Selbstjustiz?“, fragt Richter Stefan Apostol am Dienstag beim Prozess gegen Maurer. Antwort: „Die Nachrichten, die ich bekam, sind nicht strafbar. Also sah ich keine andere Möglichkeit mich zu wehren. Es kann ja nicht sein, dass ich mir so etwas gefallen lassen – und auch noch Stillschweigen bewahren muss.“ Weiter: „Er sollte sehen, dass er so etwas nicht schreiben kann, ohne dass die Öffentlichkeit bescheid weiß.“

Weil Maurer nach Erhalt der obszönen Nachrichten (das war am 29. Mai dieses Jahres, von Oral- und Analverkehr war die Rede) auch die Adresse des Bier-Shops samt Öffnungszeiten twitterte und L. zudem mit einem oft verwendeten Schimpfwort bedacht hat, fragt nun der Richter: „Wollten Sie auch, dass er Geschäftseinbußen hat?“ Maurer: „Das Geschäft ist mir vollkommen Blunzen. Ich habe nicht zum Boykott aufgerufen. Ich habe nur über die Umgangsformen informiert.“

Dann erklärt die Ex-Abgeordnete: „Vergewaltigungsdrohungen sind für Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, an der Tagesordnung.“ Ihre Anwältin Maria Windhager spricht von klassischer Täter-Opfer-Umkehr. Maurer sei eine „sehr engagierte Feministin“ und gehe davon aus, „dass der Wahrheitsbeweis gelingen wird“. In diesem Fall würde eine Privatanklage wegen übler Nachrede ins Leere gehen.

Tatsächlich sind die obszönen Textzeilen von einem im Bier-Shop stehenden Computer abgesandt worden, konkret vom Facebook-Account des Shops. Eingeleitet wurden die per Messenger-Dienst versendeten Botschaften mit „Hallo, du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen . . .“

Maurer bestätigt, dass genau das der Fall gewesen sei. Sie gehe dort häufig vorbei, weil sie in der Nähe wohne und werde dabei oft von Männern angepöbelt. Außerdem fällt auch dem Richter auf, dass die nun gegenständlichen Nachrichten dieselben auffälligen Interpunktionsfehler wie andere, dem Privatankläger L. zuzuordnende Texte aufweisen. L. selbst gibt an, ein anderer, bisher Unbekannter müsse seinen PC in dem Biergeschäft, in dem man auch Biere verkosten kann, benutzt haben. Gäste hätten ihm von einem „älteren Herrn mit schütterem Haar“ berichtet. Näheres könne er aber nicht sagen. Jedenfalls sei er nicht der Verfasser der Nachrichten. Außerdem habe er Sigrid Maurer damals gar nicht gekannt.

Am 9. Oktober geht es weiter

Richter Apostol scheinen die Angaben des unter Wahrheitspflicht stehenden Mannes nicht restlos zu überzeugen. Dies darf aus folgender Belehrung an die Adresse des Privatanklägers geschlossen werden: „Ich kann Sie auch gleich im Gerichtssaal verhaften lassen, wenn Sie nicht die Wahrheit sagen. Auf falsche Beweisaussage stehen bis zu drei Jahre Haft.“

Ob Sigrid Maurer ihr Tun bereue, will der Herr Rat noch wissen. „Nein, ich bereue es im Grundsatz nicht – nein“, sagt diese nachdenklich. Dann wird der Prozess auf 9. Oktober vertagt.

Indessen hat ÖVP-Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß versprochen, den Fall auch der Kommission vorzulegen, die derzeit eine Verschärfung der Strafen für Gewalt- und Sexualdelikte ausarbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2018)

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