Die Politik hat tief in den Bau des Milliardenprojektes hineinregiert, Ex-KAV-Chef Janßen gerät durch ein Protokoll unter Druck. Nun heißt es: Jeder gegen jeden.
Wien. Mit Spannung wurde am Dienstag die Einvernahme des früheren KAV-Generaldirektors Udo Janßen bei jener U-Kommission erwartet, die das Fiasko beim Bau des Milliardenprojektes aufklären soll. Dabei teilte Janßen, der 2013 als Vize-Generaldirektor in den KAV kam und später zum Generaldirektor aufstieg, nach allen Seiten hin aus: Die Politik etwa habe durch ihre Einflussnahme das Management beeinträchtigt. Die Statikpläne seien falsch gewesen – deren Kontrolle sei aber nicht ihm oblegen. Die Pläne des Spitalsplaners Albert Wimmer seien mangelhaft gewesen – dieser habe seine Hausaufgaben nicht gemacht. Außerdem sei sowieso sein Stellvertreter Thomas Balazs im KAV für den Bau des Krankenhauses Nord zuständig gewesen. Bei sich selbst sah der gefeuerte Spitalsmanager dagegen keinerlei Schuld für das Entgleisen des Projektes – wobei der deutsche Spitalsmanager im Zuge der Sitzung selbst schwer unter Druck geriet. Die Details:
Janßen hatte zu Beginn der Sitzung erklärt: Als er 2014 das Amt von seinem Vorgänger, Wilhelm Marhold, übernommen habe, sei er plötzlich mit „eklatanten Defiziten“ beim Spital Nord konfrontiert gewesen. In der begleitenden Kontrolle war laut Janßen die Rede von einer Kostenexplosion von bis zu einer Milliarde Euro und von einer Bauverzögerung von neun Monaten. Hier seien die Verzögerungen durch den Konkurs der Fassadenfirma nicht einmal inkludiert gewesen, erklärte Janßen.
Janßen in der Defensive
Allerdings geriet der Ex-KAV-Chef mit genau dieser Aussage schwer in die Defensive. Denn Kommissionsmitglied Günter Koderhold (FPÖ) legte postwendend ein internes Protokoll des Aufsichtsgremiums auf den Tisch, das zu den Beweisstücken der Kommission gehört. Laut diesem Sitzungsprotokoll hat Janßen die Verantwortung nicht erst im Frühjahr 2014 übernommen, wie er erklärte, sondern bereits am 10. Dezember 2013. „Ab diesem Zeitpunkt haben Sie als Generaldirektor auch die Kontrolle des operativen Managements übernommen“, hielt Koderhold fest. Und noch brisanter: In diesem Protokoll wird vom Aufsichtsgremium offiziell bestätigt, dass der Bau des Spitals Nord im Zeit- und Kostenrahmen lag, als Janßen es von Wilhelm Marhold übernahm, der sich krankheitsbedingt zurückgezogen hatte. „Bis zu Ihrer Übernahme war das Projekt halbwegs im Laufen“, schoss sich auch Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr auf Janßen ein.
Dieser erklärte, dass das Protokoll nicht die aktuellsten damaligen Entwicklungen widerspiegle. Später korrigierte aber Janßens damaliger Stellvertreter, Thomas Balazs, seinen Exchef: Das Projekt sei per 31. Dezember 2013 im Zeit- und Kostenrahmen gewesen. Daraufhin hielt Korosec trocken fest: „Wie nicht anders zu erwarten, hat der ehemalige KAV-Direktor Udo Janßen die Verantwortlichkeit für das KH-Nord-Desaster auf seinen Vorgänger abgeschoben.“
Daneben griff Janßen den Planer des Spitals, den Architekten Albert Wimmer, an. Es hätte Probleme mit den Plänen gegeben. Und immer wieder betonte Janßen, dass sein Stellvertreter, Thomas Balazs, für den Bau des KH Nord abgestellt gewesen war.
Politische Einflussnahme
Wimmer als Architekt des Spitals hatte in der Kommission bei seiner Befragung ausgesagt, dass es unter Janßen nur mangelnde Baufortschritte gegeben habe. Und dass es oft keine Entscheidungen gegeben habe bzw. überlange Entscheidungsfindungen, zitierte VP-Sitzungsmitglied Ingrid Korosec. Den Vorwurf, die KAV-Spitze unter Janßen sei verantwortlich für Verzögerungen bei dem Projekt, konterte dieser so: Der Architekt habe seine Hausaufgaben „sicherlich nicht“ gemacht gehabt: „Herr Wimmer ist nicht an der Stelle eines Opfers.“ Vielmehr sei der Architekt einer der „Mitgestalter“ der Situation.
Brisant wurde es, als Janßen auch der Politik Einflussnahme auf das Management des Krankenanstaltenverbunds (KAV) vorwarf. Er sei zwar nicht der Ansicht, dass es eine „vorsätzliche Schädigung“ durch die frühere Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely gegeben habe. Aber: „Ich glaube, dass die Einflussnahme der Politik ein vernünftiges Management beeinträchtigt hat“, sagte er.
Wehsely habe in ihrer Rolle als politisch Verantwortliche gestalten wollen und versucht, Einfluss zu nehmen. Brisant ist in dem Kontext: Eine Ex-VSStÖ-Funktionärin (SPÖ-nahe) wurde Janßen zur Seite gestellt, damit sich dieser im Wiener Biotop besser zurechtfinde, wie es formuliert wurde. Die Kommissionsmitglieder der Opposition sahen darin eine politische Aufpasserin und den Beweis, dass sich die Politik, also Wehsely, tief in den operativen Bereich beim Spitalsbau eingemischt hatte. Nebenbei: Balazs, der nach seinem Exchef Janßen aussagte und dessen Vertrag im Oktober 2017 nicht verlängert wurde, schob die Schuld für die Probleme auf Projektsteuerung und Planungen von Wimmer.
Mehr Antworten erwartet die Kommission dann von Ex-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die im November aussagen soll.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2018)