Wien will Nulldefizit ohne Sparen

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Wien will im kommenden Jahr seine Ausgaben nicht reduzieren und strebt dennoch für 2020 ein Nulldefizit an. Möglich machen soll das unter anderem die gute Konjunktur.

Wien. Es hatte den Hauch einer Marketingveranstaltung. Im Sky Café über den Dächern der Stadt präsentierte Peter Hanke Montagabend sein erstes Budget als Finanzstadtrat. Und wie es sich für eine gute Präsentation gehört, gab es zuerst einmal einen Imagefilm, in dem die Stadt Wien ihre Planung bejubelte. „Durch gesundes Sparen und smartere Formen“ werde Wien effizienter und besser gestaltet, hießt es darin. Das Video wird auf Instagram zu finden sein.

Die Kernbotschaft ist heuer immerhin erfreulich: Wien will 2019 weniger Schulden als in den Jahren davor machen. Für 2020 strebt Hanke (wie seine Vorgängerin Renate Brauner) ein Nulldefizit an. Ob das funktionieren kann? Eine Analyse in fünf Punkten:

1. Wie hoch wird die Neuverschuldung Wiens 2019 sein?

188 Millionen Euro. So viele Schulden will Wien 2019 neu machen. In Summe erhöhen diese sich damit Ende 2019 auf rund sieben Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr sieht Hanke trotzdem eine Verbesserung – immerhin plant Wien, um 50 Prozent weniger Schulden zu machen als 2018 (376 Millionen Euro). Ist das Nulldefizit 2020 erreicht, will er ab 2021 Schulden zurückbezahlen. Auf einen Betrag wollte er sich nicht festlegen.

2. In welchen Bereichen will Wien 2019 also sparen?

In gar keinen. Die Ausgaben der Stadt, in Summe 15,7 Milliarden, erhöhen sich: So will sie 1,75 Mrd. Euro mehr in Bildung investieren. Das sind um 8,25 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Geld wird etwa in 100 neue Schulklassen investiert, die die stark wachsende Stadt finanzieren will. Auch in die Wiener Kindergärten wird mit 865,44 Mio. Euro um 2,21 Prozent mehr investiert. Ein großer Brocken sind die Investitionen in Firmen, die mit 2,6 Mrd. Euro (plus 7,7 Prozent) zu Buche schlagen. 800 Millionen investieren etwa die Wiener Stadtwerke in den U-Bahn-Ausbau. Besonders hoch sind 2019 die Gesundheitsausgaben, die sich von 2,2 auf 4,3 Mrd. Euro verdoppeln. Grund ist die Umwandlung des Krankenanstaltenverbunds in eine Anstalt öffentlichen Rechts. Dadurch wird das KAV-Budget nicht mehr extra ausgewiesen, ohne KAV-Umstellung liegen die Ausgaben bei 2,08 Mrd. Euro und einem Plus von 3,29 Prozent. Das Krankenhaus Nord wird übrigens mit rund 120 Mio. Euro an Investitionskostenzuschuss zu Buche schlagen. Die Sozialausgaben erhöhen sich auf 2,1 Mrd. Euro (plus 8,91 Prozent). Die Mindestsicherung bleibt mit rund 670 Mio. Euro gleich. Dafür bekommt der Fonds Soziales Wien 200 Mio. Euro mehr, die laut Stadt für die Pflege benötigt werden. 2019 verliert Wien übrigens seinen vierten Platz beim Pro-Kopf-Schulden-Rankings im Bundesländervergleich und fällt auf Platz fünf.

3. Wie kann die Stadt dann trotzdem weniger Schulden neu aufnehmen?

Es sind zwei Faktoren, die Hanke zugute kommen. Einerseits: die brummende Wirtschaft. Die Stadt hat für 2018 ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent und einen Tiefstand bei der Arbeitslosigkeit (113.418 Arbeitslose). Andererseits: die Strukturreform in der Verwaltung mit 250 Maßnahmen. So sei die Stadt seit 2004 zwar um die Größe von Graz gewachsen, die Zahl der Magistratsmitarbeiter sei aber gleich geblieben. 500 Millionen Euro soll die Strukturreform bis 2020 bringen. Auch gut: Die gewachsene Stadt bekommt mehr Geld vom Bund.

4. Warum macht Wien nicht heuer schon ein Nulldefizit?

Hanke will auch in Zukunft nicht bei den Ausgaben sparen, sondern investieren. „Ich glaube nicht, dass das Sparthema das Dringlichste ist, wenn wir wissen, dass die Stadt um 15.000 Menschen pro Jahr wächst“, argumentiert er. Theoretisch wäre ein Nulldefizit heuer möglich gewesen. Wenn die Ausgaben gleich wie im Vorjahr geblieben wären.

5. Warum das Nulldefizit nicht in Stein gemeißelt ist.

Damit sich das Nulldefizit 2020 ausgeht, braucht Wien weiterhin ein Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent. „Im Moment sind wir optimistisch, weil die Wirtschaftsforscher sagen, dass wir die Zahlen erreichen“, sagt Hanke. Doch Wiens Budget ist auch vom Bund abhängig. Wenn dieser weniger Steuern einhebt oder die Länder mehr belastet, sind die Wiener Pläne 2020 obsolet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2018)

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