Grünen-Chefin will „nachschärfen“

Birgit Hebein wird Maria Vassilakou 2019 als Stadträtin und Vizebürgermeisterin ablösen.
Birgit Hebein wird Maria Vassilakou 2019 als Stadträtin und Vizebürgermeisterin ablösen.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Rot und Grün statt Rot-Grün? Die Grünen werden künftig ihre Positionen besser von jenen der SPÖ abgrenzen, sagt die neue Nummer eins der Wiener Grünen.

Die Presse: Sie haben sich von Anfang an als linke Politikerin definiert. Sind Sie die Sahra Wagenknecht von Wien?

Birgit Hebein: Ich habe öfter gesagt: Ich mache linke Politik. Ich stehe für Menschenrechte, sorgsamen Umgang mit der Umwelt ...

... haben linke Politiker einen Exklusivanspruch auf menschliche, nachhaltige Politik?

Nein! Ich wurde auch von vielen Bürgerlichen unterstützt.

Noch einmal zu Wagenknecht. Ist sie für Sie ein Vorbild?

Nein.

Warum nicht?

Meine Vorbilder sind Menschen, bei denen das Reden mit dem Handeln im Alltag übereinstimmt. Ich denke da konkret an Renate, eine ältere Gewerkschafterin, die im NGO-Bereich arbeitet, Ältere unterstützt, Kinder großzieht.

Warum gelten Sie als linker als Ihre Gegenkandidaten?

Auch Peter Kraus und David Ellensohn teilen meine Positionen. Aber ich bin eben Sozialsprecherin und ausgebildete Sozialarbeiterin. Ich habe mit Obdachlosen gearbeitet, und ich schäme mich nicht dafür. Die schwarz-blaue Regierung allerdings kennt keine Scham. Der Sozialabbau richtet sich gegen die Ärmsten der Armen, vor allem gegen Kinder. Das ist schäbig. Für mich ist es das Normalste der Welt, jemandem aufzuhelfen, wenn er hinfällt. In Zeiten wie diesen ist das offenbar schon links. Aber ich bin sicher nicht links außen. Ich habe in der Wiener Regierung pragmatische Politik zu machen.

Sie werden aber als Kampfansage an die SPÖ gesehen, gerade weil Sie als wenig pragmatisch gelten. Stimmt das?

Nein.

Sie haben öffentlich das Alkoholverbot am Praterstern kritisiert.

Vom Alkoholverbot haben wir damals erst aus den Medien erfahren.

Wird das Verbot auf den Bahnhof Floridsdorf ausgeweitet?

Wir haben mit der SPÖ vereinbart, dass es an öffentlichen Orten, wo das gebraucht wird, sozialmedizinische Einrichtungen geben wird.

Sie würden also unter Bedingungen der Ausweitung zustimmen?

Es ist nicht meine Art, den eigenen Leuten oder dem Koalitionspartner etwas auszurichten.

Bei der Mindestsicherung kann sich Michael Ludwig Wartefristen für Nichtwiener vorstellen. Ist das für Sie eine rote Linie?

Ich versuche es freundlich zu formulieren: Warum sollte ich mich mit Ihnen über etwas unterhalten, was jetzt gar nicht Thema ist. Es gibt eine rot-grüne Einigung zur Mindestsicherung in Wien. Mein Eindruck ist, hinter Ihrer Frage steckt: Was werde ich tun, wenn Grüne und SPÖ verschiedene Positionen haben.

Das würde mich interessieren.

Ich werde es so machen wie immer. Man setzt sich an einen Tisch, diskutiert und kommt zu einem Ergebnis. Was ich aber tatsächlich verstärkt tun will, ist zu kommunizieren: Das ist grüne Position, das ist die der SPÖ, und darauf haben wir uns geeinigt. Dieser Unterschied war in der Vergangenheit nicht immer ganz klar.

Sie wollen das grüne Profil schärfen?

Ja, ein Stück nachschärfen.

Schwebt Ihnen ein konkretes Projekt zum Nachschärfen vor? Etwa die teure Mehrzweckhalle?

Ich äußere mich noch nicht über konkrete Projekte. Wir müssen erst intern darüber reden. Jetzt beschäftigt uns der grüne Aufschwung: Dass 2000 Menschen (Anm. Nichtmitglieder, die mitgewählt haben) ein Interesse an der grünen Politik haben.

2000 Menschen in einer Zwei-Millionen-Stadt – das sehen Sie als Aufschwung?

Welcher andere Parteichef wurde von mehr Leuten gewählt? Das ist demokratiepolitisch etwas Neues.

Habe Sie so etwas wie eine große Idee für Wien?

Wichtig ist mir die Vorbereitung auf den nächsten Sommer. Die Hitze spüren vor allem Alte, Kranke, Kinder. Da braucht es mehr Begrünung, mehr Schatten. Generell haben wir ja bereits mehrere Koalitionsprojekte. Ich werde jetzt also nicht verkünden: „Alles neu!“

Ist „mehr Schatten“ eine Erfolgsidee für den breiten Wählermarkt?

Wissen Sie, wie vielen Leuten das wichtig ist? Das ist lebensnah. Meine Stärke ist der direkte Kontakt. Ich will Betroffene direkt einbeziehen, und ich halte viel davon – wie in Barcelona – Bürgern Räume und Infrastruktur zur Selbstorganisation zur Verfügung zu stellen.


Reden wir bitte doch noch über ein konkretes Projekt: den Lobau-Tunnel. Gibt es einen Plan B?

Unsere Position ist bekannt. Es ist ein Milliardengrab. Aber Wien hat nicht viel mitzureden. Das hängt von den Finanzen der Asfinag ab.

Haben die Grünen da einen Teil ihrer Seele verkauft?

Das ist ein hartes Bild. Und: Nein.

Sie haben betont, dass Sie mit einem Team antreten. Können Sie die Namen derer nennen, die Sie künftig unterstützen werden?

Ich möchte den Leuten, die mitgestalten wollen, konkrete Angebote machen. Es ist mir wichtig, junge und neue Leute aufzubauen.

Also mehr Quereinsteiger auf der Liste?

Ja, warum nicht? Wesentlich ist aber, den Schwung mitzunehmen.

Wäre dieser Schwung – und immerhin gibt mehrere neue Parteichefs – nicht auch ein Grund, neu zu wählen?

Die Leute haben ein Anrecht darauf, dass wir weiterarbeiten.

Falls Sie weiter verlieren, wollen Sie dann in Opposition?

Im Angesicht von Schwarz-Blau finde ich Rot-Grün wichtig.

Was ist mit Ellensohn und Kraus? Binden Sie die weiter ein?

Ich will auf ihre Expertise sicher nicht verzichten. Über die Form werden wir noch reden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Birgit Hebein ist die grüne Nummer eins.
Wien

Wiener Grüne: Die Zukunft der Unterlegenen


Birgit Hebein ist die grüne Nummer eins, ihr Kontrahent Kraus könnte bald aufsteigen, Ellensohn bleiben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.