Überfall auf Kirche: Suche nach Motiv

WIEN: ÜBERFALL IN KIRCHE IN FLORIDSDORF - MEHRERE VERLETZTE
WIEN: ÜBERFALL IN KIRCHE IN FLORIDSDORF - MEHRERE VERLETZTEAPA/HANS PUNZ
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Die erste Befragung der Ordensbrüder deutet auf nur einen Täter hin, der weiterhin auf der Flucht ist. Unklar ist das Motiv des Mannes, Raub sei ebenso möglich wie ein „persönliches Motiv“.

Wien. Am Freitagnachmittag erinnerte nicht mehr viel an den brutalen Überfall auf die Strebersdorfer Klosterkirche Maria Immaculata in Floridsdorf am Tag zuvor. Sämtliche Straßensperren waren aufgehoben, nur ein Polizeiauto stand vor dem Eingang der angrenzenden Ordensleitung. Zur Sicherung von DNA-Spuren und Fingerabdrücken war das Gotteshaus vorerst geschlossen. Der tatverdächtige Mann war immer noch auf der Flucht. Ursprünglich war die Polizei von zwei Tätern ausgegangen, revidierte aber nach ersten Befragungen der Opfer ihre Angaben.

Der Mann hatte fünf Ordensbrüder gefesselt und geschlagen, einer wurde schwer, vier leicht verletzt. Wie erst am späten Donnerstagabend bekannt wurde, fand die Polizei in einem der Büroräume einen weiteren gefesselten Ordensbruder, der aber unverletzt blieb. Aber warum überfällt jemand eine Kirche? Was wurde geraubt? Und wie geht es den Ordensbrüdern?

1. Welche Motive kommen für den Überfall auf die Kirche infrage?

Die Polizei hält ein „Vermögensdelikt“, also einen Raub, für das wahrscheinlichste Motiv. Was genau an Wertgegenständen geraubt wurde, war am Freitagnachmittag aber noch unklar. Im Pfarrhaus wurde ein offener Safe entdeckt, in dem eine Pistole vom Kaliber 9 mm fehlte. Ob und was aus dem Safe noch gestohlen wurde, konnte die Polizei nicht sagen. Es sei nicht einmal gesichert, dass die Pistole von dem Angreifer entwendet wurde. Auch die Frage, warum sich in diesem Safe eine Faustfeuerwaffe befand, konnte die Polizei nicht beantworten.

Ein mögliches Indiz könnte der Umstand sein, dass die Klosterkirche bis Mai 2018 auch die Zentrale (Provinzialat) für alle Ordensschulen in Österreich, Deutschland, die Slowakei, Tschechien, Ungarn und Rumänien war. Der Einbrecher könnte also davon ausgegangen sein, in diesem Orden viel Geld vorzufinden. Seit Kurzem befindet sich die Zentrale in Pildeşti in Rumänien.

Denkbar wären auch, wie ein Polizeisprecher sagt, „persönliche Motive“ wie etwa ein Racheakt oder ein Einschüchterungsversuch in Zusammenhang mit Konflikten rund um die wirtschaftliche Verwaltung der vielen Ordensschulen in den genannten Ländern. Die Polizei hält jedenfalls beide Varianten für möglich und ermittelt „in alle Richtungen“. Nur ein terroristischer Hintergrund wird ausgeschlossen.

2. Was für eine Kirche ist die Maria Immaculata in Floridsdorf?

Die Klosterkirche Maria Immaculata – die als Teil der Pfarre Strebersdorf von Franz Schuster, dem langjährigen Generalvikar der Erzdiözese Wien, geleitet wird – ist nicht nur eine Kirche, sondern auch ein renommiertes Schulzentrum (De-La-Salle-Schulen nach Ordensgründer Johannes de La Salle) mit Kindergarten, Volksschule, NMS und AHS, inklusive Internat, das von mehr als 100 Schülern aus ganz Wien und auch Niederösterreich besucht wird. Seit Kurzem ist dort auch eine Ausbildung zum Kindergartenpädagogen (Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik) möglich. Bei dem Überfall waren wegen der Ferien keine Schüler in den Schulen bzw. im Internat.

3. Was genau hat sich am Donnerstagnachmittag in der Klosterkirche abgespielt?

Gegen 13.30 Uhr kam ein etwa 1,80 Meter großer Mann, der laut Zeugenaussagen Deutsch mit Akzent sprach, in die Kirche der Schulbrüder (Laien, keine Priester) in der Anton-Böck-Gasse. Dort soll er einen 68-jährigen Ordensbruder mit einer Pistole gezwungen haben, sich auf den Boden zu legen – dabei könnte es sich um die Waffe aus dem Safe handeln. Der Ordensbruder wurde in weiterer Folge auch geschlagen und erlitt schwere Kopfverletzungen, Rissquetschwunden und vermutlich einen Armbruch. Laut Polizei hatte der Täter „diverse Werkzeuge“ bei sich, darunter eine Eisenstange.

Auch ein zweiter Angehöriger der Ordensgemeinschaft, der in die Kirche kam, wurde geschlagen und gezwungen, sich hinzulegen. Die weiteren Ordensbrüder wurden im angrenzenden Pfarrhaus gefunden. Alle Männer (im Alter von 56 bis zu 66 Jahren) waren mit Kabelbindern gefesselt, geknebelt und leicht verletzt, erlitten etwa Prellungen. Befreit wurden sie gegen 16.15 Uhr, nachdem sich einer der Männer hatte befreien können und die Polizei gerufen hatte. Sie wurden in Krankenhäuser gebracht, drei von ihnen wurden noch in der Nacht auf Freitag entlassen. Rund ein Dutzend weitere Geistliche hielten sich in anderen Räumen des Pfarrhauses auf. Ob sie von dem Überfall etwas mitbekommen haben, ist noch unklar.

Das Areal wurde großräumig abgesperrt. Die Kirche, das Pfarrhaus und das Gelände wurden von Beamten der Sondereinheit Wega durchsucht. Zeitgleich wurde eine Großfahndung ausgelöst, an der auch ein Hubschrauber beteiligt war. 120 Beamte waren im Einsatz. Von dem Täter fehlte aber jede Spur. Er war das letzte Mal gegen 15.30 Uhr gesehen worden. Die Straßensperren wurden um 19.15 Uhr wieder aufgehoben.

Noch am Donnerstagabend meldete sich in der „Kathpress“ Kardinal Christoph Schönborn zu Wort und zeigte sich „tief betroffen“. Kirchen seien „Orte des Friedens und der Zuwendung – das macht uns die Weihnachtszeit in besonderer Weise bewusst“. Umso trauriger sei die Nachricht von dem brutalen Ereignis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2018)

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