Bibliothek im Gebäude der Gesellschaft der Ärzte.

Open House Wien: Wiens geheime Architektur

Ein alter Tresorraum, eine unbekannte Kapelle – oder eine kleine Bierbrauerei: Am Wochenende lassen 69 sonst nicht zugängliche Gebäude neugierige Blicke zu.

Wien. Es fühlt sich ein bisschen an, als wäre man Tourist in der eigenen Stadt. Nur dass man einen großen Bogen um die Besuchermagnete macht und dafür Gebäude, Wohnungen oder Produktionsstätten besucht, die sonst für Besucher nicht zugänglich sind. Oder anders gesagt: Es ist wieder „Open House Wien“-Zeit. Am kommenden Wochenende sind 69 Gebäude kostenlos für all jene zugänglich, die unbekanntere Seiten der Stadt kennenlernen wollen.

Unbekannte Häuser

Von außen ist es ein Altbau, nicht weiter auffällig: Die eher unscheinbare Fassade war durchaus gewollt, als die „Gesellschaft der Ärzte“ im Jahr 1890 ihr Vereinsgebäude errichten ließ. Heute ist das Billrothhaus (Frankg. 8) ein denkmalgeschütztes Baujuwel, dessen prachtvolle Innenräume – von der Bibliothek bis zum Festsaal – sonst nur Mediziner kennen, die hier eine der Fortbildungen der Gesellschaft besuchen.

Im Rahmen von Open House Wien bietet die Gesellschaft am Wochenende Kurzführungen an, inklusive Anekdoten: Im Festsaal – der mit vielen Türen ausgestattet wurde, damit Ärzte schnell zu Notfällen eilen konnten – durften früher nur Ärzte in den Sitzreihen Platz nehmen, andere Gäste wurden auf die Galerie verwiesen. Zur Eröffnung lud der damalige Präsident der Gesellschaft, Theodor Billroth, seinen Freund Johannes Brahms ein – und vermerkte gleich in der Einladung an den Komponisten, dass auch Brahms als Nicht-Mediziner selbstverständlich nur in der Galerie sitzen dürfe.

Aber auch sonst kaum zugängliche Gebäude wie das Palais Esterházy (1., Wallnerstr.4) gewähren Einblick in die Prunkräume. Wenig bekannt ist auch, dass sich in der Rossauer Kaserne (9., Schlickplatz 6) eine Kapelle befindet. Die in Vergessenheit geratene Kapelle wurde nach der Renovierung im Vorjahr an die Landespolizeidirektion zur Nutzung übergeben, am Samstag (10 bis 17 Uhr) ist sie geöffnet.

Organisiert wird Open House von den Architektinnen Ulla Unzeitig (li.) und Iris Kaltenegger.
Organisiert wird Open House von den Architektinnen Ulla Unzeitig (li.) und Iris Kaltenegger.(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Wiener Produzenten

Ein Schwerpunkt der heurigen Auflage von „Open House“ sind Produzenten, die bewusst in Wien produzieren. Beispiele dieses „Urban Manufacturing“ sind neben großen Playern wie der Ottakringer Brauerei (Sa und So, 10 bis 17 Uhr) auch kleinere lokale Produzenten wie die junge Brauerei „100-Blumen-Bier“, die in der – sowieso sehenswerten – Alten Klavierfabrik Atzgersdorf (23., Endresstr. 18) beheimatet ist. Aber auch die Wiener Essigbrauerei (10., Waldg. 3) kann kostenlos besucht werden.

Wohnen damals und heute

Wie die Stadt früher Wohnraum geplant hat (genau, die Gemeindebauten) und wie es heute Wiener – etwa in Wohnbaugruppen – selbst tun, lässt sich an zahlreichen Beispielen erfahren. Bei Open House Wien machen mehrere Wiener Gemeindebauten – darunter die Wohnsiedlung Schmelz (15., Mareschplatz 1) oder der riesige Reumannhof am Margaretengürtel – mit. Wer sich moderne Formen des Zusammenlebens ansehen möchte, ist etwa beim gemeinschaftlich gestalteten Wohnprojekt Gleis 21 (10., Bloch-Bauer-Promenade 22) im recht jungen Stadtteil Sonnwendviertel richtig. Hier sind – wie auch bei den anderen Open House-Stationen – Nutzer und Planer vor Ort, die Besuchern Fragen beantworten und auch Führungen anbieten. Ein kleineres Beispiel für gemeinschaftliches Wohnen ist das Wohnchamäleon am Dach (5., Pilgramgasse 8), hier können mehrere Privatwohnungen in Anwesenheit der Architekten besucht werden können.

Begrünte Stadt

Leben in der Stadt in Zeiten des Klimawandels – auch diesem Thema widmet Open House heuer einen kleinen Schwerpunkt. Neben Beispielen von begrünten Fassaden lassen sich auch begrünte Höfe und Dächer entdecken– etwa jene der Initiative grünstattgrau (4., Favoritenstr. 50, nur Samstag, 10 bis 17 Uhr).

Kloster und Tresore

Auch einige kirchliche Einrichtungen laden zum Open House: So ist etwa das Dominikanerkloster (1., Postgasse 4) am Samstag für Besucher geöffnet oder das neu eröffnete, naturnahe Pflegewohnhaus Heim der Franziskanerinnen (13., Stock im Weg 1).

Und wer immer schon einmal einen Tresorraum erkunden wollte, hat dazu zwei Gelegenheiten: Sowohl der Tresor der alten, von Otto Wagner geplanten Länderbank (1., Hohenstaufeng. 3) als auch jener in einer einstigen Hypo-Filiale (1., Wipplingerstr. 21) sind am Wochenende zugänglich.

Auf einen Blick

„Open House Wien“ findet am kommenden Wochenende (14. und 15. September) in Wien und Niederösterreich statt. Insgesamt stehen an diesen Tagen 69 Gebäude, die sonst öffentlich nicht zugänglich sind, für Interessierte kostenlos offen.

An vielen Orten gibt es Führungen – einige Gebäude sind nur an einem der beiden Tage geöffnet. Das detaillierte Programm findet sich unter www.openhouse-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2019)

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