Die Sehnsucht nach dem Meer

Die Teilnehmer aus Wien auf dem Weg zum Segeltrip nach Kroatien. Insgesamt sind mehr als 1000 Jugendliche aus der ganzen Welt mit dabei.
Die Teilnehmer aus Wien auf dem Weg zum Segeltrip nach Kroatien. Insgesamt sind mehr als 1000 Jugendliche aus der ganzen Welt mit dabei.(c) Katharina F.-Roßboth
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Am Samstag startet zum 25. Mal das größte soziale Segelprojekt der Welt. Mit dabei sind zahlreiche Jugendliche aus Wien.

Mitte September, wenn an den adriatischen Stränden eigentlich Ruhe einkehrt, herrscht rund um die Marina Kaštela zwischen Zadar und Split noch einmal Hochbetrieb. Ab heute treffen einander weit mehr als 1000 Teilnehmer der Mirno More Friedensflotte. Ein Event, das in seiner 25-jährigen Geschichte weit über Dalmatien hinaus Wellen geschlagen hat.

Die internationalen Juniorsegler kommen aus Kinderheimen, Sozialwohngemeinschaften, Therapieeinrichtungen und diversen Schulen. Auch Lydia (16), Tobi (15) und Chucky (14)*, die in Wien in einer betreuten Wohngemeinschaft leben, sind neben mehr als 150 Wiener Jungseglern an die Küste gereist. Auf dem Programm steht eine Woche Seefahreralltag. Workshops, Spiele, Ausflüge und ein riesiges Friedensfest bilden das Rahmenprogramm.

Freiheit ohne Telefon? Lydia und Tobi waren schon mit in Kroatien, die Vorfreude steht ihnen kurz vor der Abfahrt ins Gesicht geschrieben. Anders bei Chucky, sie ist zum ersten Mal dabei: „Wenn ich an ein Segelboot denke, erinnere ich mich nur, dass mir einmal schlecht wurde.“ Schön wäre für sie, aufs Meer zu schauen, am liebsten allein mit Musik aus dem Smartphone. „Sind Kopfhörer erlaubt?“, will sie von Betreuerin Sarah Aliyan wissen.

Verboten sind sie nicht, aber ein bewusster Umgang mit Smartphones wäre wünschenswert. „Wer sein Telefon zu Hause lässt oder nur eine Stunde am Tag verwendet, bekommt bei der Rückkehr eine Belohnung“, so Sarah Aliyan.
Auf jedem der über 100 Boote befinden sich sechs bis acht Jugendliche und drei bis vier segelerfahrene Betreuer, sie arbeiten als Crew zusammen. Das kann auch herausfordern, denn in schwierigen Situationen zeigt sich der große Unterschied zum normalen Leben. „Auf dem Meer gibt es keinen Notausgang, kein Davonlaufen und kein Tür-Zumachen“, spricht Sozialpädagogin Aliyan aus Erfahrung. Davon kann auch Tobi ein Lied singen.

Im Vorjahr wollte er vor Wut einmal „nur noch raus“. Da das Segelboot in einer Bucht stand, schien eine Flucht zum Greifen nahe. Mit dem Paddleboard setzte er sich in Richtung Ufer ab und konnte ein paar Minuten in „Freiheit“ durchatmen. Doch auf einer einsamen Insel zu stranden war auch keine Lösung. So blieb am Ende nur ein Weg – zurück. Unglücklicherweise fiel Tobi dabei ins Wasser, mit ihm auch alle Wertgegenstände. „Heute würde ich das anders lösen“, schmunzelt er.
Der Umgang mit Emotionen steht nicht nur auf dem Segelschiff, sondern auch im Alltag der jungen Menschen ganz oben. Gerade während so herausfordernder Lebensphasen wie der Pubertät ist aufmerksame Navigation durch die Wogen der Gefühle gefragt. Erst recht, wenn es sich wie auf einem Boot im Sturm anfühlt.

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