Der (Neu)Auftritt der Wiener Sängerknaben

NeuAuftritt Wiener Saengerknaben
NeuAuftritt Wiener Saengerknaben(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Rohbau der umstrittenen Sängerknaben-Konzerthalle steht bereits, im Gegensatz zu anderen Wiener Bauprojekten, die Bürgerinitiativen zu verhindern suchen. Sie selbst werden hier nicht sonderlich oft auftreten.

Wien. Was Michael Lawugger „Haupteingang“ nennt, hat diese Bezeichnung gar nicht verdient. Sagen wir: noch nicht. Es ist eine aus Holzbalken gezimmerte, unspektakuläre Tür, bedeckt mit einer milchigen Plastikplane. Erst im Herbst wird aus dem Provisorium ein gebührender Haupteingang – dann nämlich, wenn die neue Konzerthalle der Wiener Sängerknaben am Augartenspitz in Wien Leopoldstadt fertiggestellt ist.

Der Rohbau steht bereits, im Gegensatz zu anderen Wiener Bauprojekten, die Bürgerinitiativen zu verhindern suchen. Lawugger, der Architekt des Gebäudes, öffnet vorsichtig die Plastiktür und bittet herein. Die künftigen Gäste werden einen verwinkelten Hauptgang vorfinden, der sie direkt in den Konzertsaal führen wird (oder zur Garderobe einen Halbstock unter dem Saal). Noch dominiert hier kalter Beton – und noch mehr Plastikplanen, die derzeit die großen Fensterscheiben ersetzen. Als „hell und offen“ beschreibt Lawugger das Konzept der neuen, länglichen Konzerthalle, die sich an der Augartenmauer entlangstreckt. Er habe einen „geschlossenen Baukörper“ entworfen, damit kein Lärm von außen nach innen dringt. Und umgekehrt.

Der Hauptsaal selbst ist noch mit Gerüsten vollgestellt und erscheint erstaunlich klein. Tatsächlich haben hier nach Fertigstellung 300 Besucher Platz, weitere 80 in der Galerie. Eine im Vergleich überschaubare Konzerthalle also.

„Martialische Fremdmasse“

Lawugger führt aus dem Hauptsaal zu der Stiege in Richtung Galerie und den oberen Räumen. Der Gang ist sehr hell, aber auch eng. Baulich sei es aufgrund der Flächenwidmung nicht anders gegangen, sagt der Architekt. Die Galerie ist noch mit Holzplatten bedeckt, da die Arbeiten an der Decke noch nicht abgeschlossen sind.

Zurück beim „Haupteingang“ zeigt Lawugger in das künftige Café und die Kassa: Sie befinden sich im barocken Pförtnerhaus, das denkmalgeschützt ist und nicht abgerissen werden kann. Fenster mit Rundbögen, Wände aus Ziegelsteinen – ein krasser Gegensatz zum restlichen Neubau. Insgesamt 2800 Quadratmeter Nutzfläche auf vier Ebenen umfasst die neue Halle. Knapp zwei Jahre lang hat Lawugger, dessen Büro Archipel Architektur auch das Hermann-Nitsch-Museum in Mistelbach entworfen hat, an dem Gebäude gearbeitet. Mit Unterbrechungen, denn die Proteste gegen den Neubau hätten die Arbeiten verzögert, sagt er. Und genau diese Proteste sind nicht verstummt. „Unsere Haltung hat sich nicht geändert“, sagt die Aktivistin Raja Schwahn-Reichmann.

Das Gebäude umschreibt sie mit wenig schmeichelhaften Attributen: „martialisch“, „hinkt der Ästhetik nach“, „eine Fremdmasse, die nicht in das Gefüge des Augartens passt“. Die Bebauung der Grünfläche war und ist den Anrainern nicht zuletzt wegen der Rodung mehrerer Bäume ein Dorn im Auge. Immerhin haben die Proteste – 15.000 Unterschriften wurden gesammelt – dazu geführt, dass das Pförtnerhaus und Teile der Augartenmauer denkmalgeschützt wurden.

Kooperation mit Festivals

Und noch ein Detail erregt die Gemüter: „Das Gebäude wird ein Objekt zur Mieteinnahme“, sagt Schwahn-Reichmann. Die Sängerknaben selbst würden hier nicht oft auftreten, stattdessen werde das Gebäude zu einer Einnahmequelle zweckentfremdet. Dabei bestätigt Elke Hesse, die Geschäftsführerin des Konzertsaals, dieses Vorhaben – bei ihr klingt das aber freilich anders: die Halle diene der Nachwuchsförderung und müsse selbstverständlich auch wirtschaftlich betrieben werden. Konkret soll das über Kooperationen mit Festivals und anderen Kultureinrichtungen über die Bühne gehen. Die Sängerknaben selbst sollen an 50 bis 60 Tagen im Jahr hier auftreten – und hier freilich auch proben.

In der künftigen Probehalle im ersten Stock steht indessen Lawugger und zeigt nach unten: Die Bühne ist zwölf Meter breit und – der höchste Punkt des Gebäudes – sechs Meter hoch. Durch die Glasfassaden ist auch ein Blick nach draußen möglich. Dort ist alles noch typisch Baustelle: Auf dem matschigen Boden stehen mit Baumaterial gefüllte Container. Wer nun wissen möchte, wie der Augartenspitz nach Fertigstellung aussehen wird, kann bis 24.Februar im Rahmen einer Ausstellung in der Österreichischen Postsparkasse die Entwürfe des Architekten näher betrachten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2012)

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