Carsharing: Dein, mein, unser Auto

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Trotz horrender Spritpreise und Ökogedanken ist das Auto aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Aber die Autofahrer entdecken die neue Lust am Teilen. Es sind tendenziell junge User.

Wien. Man entkommt den Smarts nicht. Spaziert man eine halbe Stunde durch Wien, begegnet man dieser Tage zumindest vier, fünf der blauen-weißen Miniautos mit dem Aufdruck „Car2go“. In knapp einem halben Jahr hat sich in Wien eine neue Form der Mobilität etabliert. Carsharing an sich ist nicht neu, in dieser simplen Form aber doch: Kein langwieriges Reservieren und Abholen, eine App für das Smartphone zeigt an, wo der nächste freie Wagen steht, die Mitgliedskarte dient als Schlüssel, schon kann man losfahren und das Auto am Ziel, sofern das in einer gewissen Zone liegt, stehen lassen. Car2go, ein Unternehmen des Daimler-Konzerns, hat in den vergangenen Monaten sukzessive 500 Smarts über Wien verteilt.

Bis zur ersten Zwischenbilanz, nach 100 Tagen, haben sich bei Car2go mehr als 7000 Wiener angemeldet. Wien sei damit eine jener Städte, in denen das Konzept am schnellsten angenommen wurde, sagt Juliane Mühling von Car2go. Der Andrang ist nach wie vor ungebrochen, zu manchen Zeiten steht man in dem Shop in der Hinteren Zollamtsstraße Schlange, damit man um 9,90 Euro an eine der Berechtigungskarten kommt, mit der man um 29 Cent pro Minute Smart fahren kann. Für volle Tanks sorgen Mitarbeiter von Car2go oder Kunden selbst, die dafür Freiminuten bekommen.

Das Smartphone weist den Weg

Es sind tendenziell junge User, die die neue Lust am Teilen der Autos entdeckt haben, sie schauen online, per App fürs Smartphone, nach, wo der nächste verfügbare Smart steht, reservieren ihn für kurze Fahrten in der Stadt. Längere Ausflüge aufs Land, dafür bleiben die klassischen Carsharing-Anbieter. Auch diese – wie Denzel – berichten trotz der neuen Konkurrenz von guten Zuwächsen.

Nicht nur die Smarts teilen sich die Wiener neuerdings, auch das eigene Auto. „Unser Angebot an Fahrten in Österreich hat sich 2011 verdreifacht“, sagt Simon Baumann, Sprecher der Plattform mitfahrgelegenheit.at, einem Ableger der Seite carpooling.com. 10.000 Fahrten werden derzeit auf der österreichischen Plattform angeboten, mehr als 40 Prozent davon sind Fahrten von Pendlern, die täglich ihre Kilometer zurücklegen müssen. „Viele können so einen Teil der Benzinkosten finanzieren“, erklärt Baumann den aktuell großen Zulauf.

Auch das Umweltbewusstsein bewege die Österreicher, ihr Auto mit Fremden zu teilen: „Viele können nicht auf ihr Auto verzichten, denken sich aber: Wenn sie schon fahren müssen, dann wollen sie auch das Auto besser ausgenützt wissen.“ Eine eigene Handy-App sowie ein Bewertungssystem hätten ihr Übriges dazu beigetragen: „Ich weiß jetzt einfach besser, in welches Auto ich einsteige.“

Die These, dass es ganz ohne Auto auch künftig nicht geht, teilt man beim Verkehrsverbund Ost-Region. Vor zwei Jahren hat der Verkehrsverbund die Mitfahrbörse Compano gegründet. „Es klingt vielleicht komisch, dass wir eine Mitfahrbörse betreiben, aber wir wollen damit auch eine Lücke schließen, weil die Öffentlichen nicht alles abdecken“, sagt VOR-Sprecher Werner Molik. Mit der Mitfahrbörse will der Verkehrsverbund auch Großfirmen ansprechen. „Gerade Schichtarbeiter können oft nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Diese können sich aber so vielleicht besser mit ihren Kollegen zusammentun“, sagt Malik. Und: „Sollte es keine Fahrtangebote geben, zeigt die App auch öffentliche Verkehrsmittel (falls vorhanden, Anm.) an.“

Als Konkurrenz sieht er die Mitfahrbörse daher nicht, im Gegenteil: Im Endeffekt führen Mitfahrbörse und öffentliche Verkehrsmittel die Österreicher weg vom Individualverkehr. Das belegen auch die Zahlen: Der Verkehrsverbund ist in den vergangenen Jahren gewachsen, seit Jahresbeginn ist das Aufkommen noch einmal um vier Prozent gestiegen.

Ähnliches wissen die ÖBB zu berichten. „Österreichweit haben wir von Jänner bis Februar in diesem Jahr um fünf Prozent mehr Karten verkauft“, sagt ÖBB-Sprecherin Sarah Nettel. Was noch nicht viel heißen mag, da sich die ÖBB seit Jahresbeginn eine Preisschlacht mit dem Konkurrenten Westbahn liefern. Auch Strecken wie die Ostbahn hätten um zehn bzw. wie die Südbahn um sechs Prozent mehr Fahrgäste verzeichnet, sagt Nettel.

Doch nicht nur der öffentliche Verkehr, sondern auch gemeinschaftlich genutzte Fahrräder sind gefragt. „Das Angebot ist größer, aber es gibt auch mehr Wiener, die radeln wollen“, sagt Hans-Erich Dechant, der Citybike-Verantwortliche beim Betreiberunternehmen Gewista. Er nennt die Citybikes die „Einstiegsdroge“ für jene, die nicht regelmäßig durch die Stadt radeln. Obwohl das immer mehr Wiener mit dem Rad tun; die gemeinsam genutzten Räder werden mehr.

Auch das Fahrrad wird geteilt

Derzeit umfasst das Wiener Bike-Netz knapp 100Stationen. Der Plan sieht vor, dass das Netz bis 2015, vielleicht aber auch schon bis 2013, auf 120 Stationen und 1800 Räder (derzeit sind es 1200) wächst. In der Radsaison steigt in Wien bis zu viertausend Mal am Tag irgendwo in Wien jemand auf ein Citybike.

„Wir hoffen, dass wir diese Marke heuer überschreiten“, sagt Dechant. Ende 2011 waren in Wien 325.252 Citybike-Nutzer registriert, ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor. „Und heuer haben wir sicher wieder ein Wachstum“, sagt Dechant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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