Die Tsarnaev-Brüder begeisterten sich für Hasspredigten des al-Qaida-Terroristen Anwar al-Awlaki und erwogen Anschläge am Unabhängigkeitstag.
Washington/Go. Das FBI gewinnt bei seinen Einvernahmen des überlebenden Bostoner Bombenlegers Dzohar Tsarnaev täglich neue Einsichten in die Beweggründe für den Anschlag sowie seine Planung und Durchführung.
Am Freitag berichteten die „New York Times“, der „Boston Globe“ und NBC News übereinstimmend, dass Tsarnaev (19) und sein bei einem Feuergefecht mit der Polizei getöteter Bruder Tamerlan (26) am 4. Juli zuschlagen wollten. Laut NBC News erwogen die Brüder Selbstmordanschläge an diesem Feiertag, der der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von der britischen Krone im Jahr 1776 gewidmet ist. Laut dem „Boston Globe“ wollten die Brüder auf der Promenade entlang des Charles River zuschlagen, auf dem sich jährlich am 4. Juli die Massen drängen.
Weil ihre Experimente mit dem Basteln von Bomben in Druckkochtöpfen schneller als erwartet voranschritten, beschlossen die Tsarnaevs, bereits am 15. April zur Tat zu schreiten, dem Tag des Bostoner Marathonrennens. „Sie haben die Bomben so schnell gebaut, dass sie sich dafür entschieden, den ganzen Plan zu beschleunigen“, zitierte die Bostoner Zeitung einen Ermittler. Die Brüder hatten auch erwogen, Polizeistationen anzugreifen.
Dzohar Tsarnaev, der sich am 19. April schwer verletzt gestellt hatte, kann wieder sprechen und kooperiert mit den FBI-Verhörern. Er gab auch zu Protokoll, dass er mit seinem Bruder im Internet die antiwestlichen Hasspredigten von Anwar al-Awlaki verfolgte, eines gebürtigen amerikanischen al-Qaida-Terroristen. Al-Awlaki wurde im September 2011 im Jemen von einer US-Drohne getötet.
Die Ermittler haben auch jene Fingerabdrücke und DNS-Spuren untersucht, die sich auf den Bruchteilen der beiden Bomben finden. Offizielle Ergebnisse gibt es noch nicht, doch die „New York Times“ zitiert einen FBI-Beamten, demzufolge man keine Spuren von Tamerlan Tsarnaevs Witwe Katherine Russell gefunden habe. Das würde den Verdacht ihrer Mittäterschaft entkräften.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)