UNO-Tribunal: Sechs bosnische Kroaten verurteilt

UNOTribunal Sechs bosnische Kroaten
UNOTribunal Sechs bosnische Kroaten(c) EPA (Juan Vrijdag)
  • Drucken

Die Männer wurden zu insgesamt 111 Jahren Haft verurteilt, wobei 25 davon auf Ex-Regierungschef Jadranko Prlic entfallen.

Das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) hat am Mittwoch sechs bosnische Kroaten zu insgesamt 111 Jahren Haft verurteilt. Das Tribunal befand die Angeklagten für schuldig, während des Bosnien-Krieges (1992-1995) schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

Der frühere Regierungschef der selbst proklamierten Kroatischen Republik, Jadranko Prlic, erhielt 25, der einstige Innenminister Bruno Stojic 20 Jahre Haft. Der Befehlshaber des Kroatischen Verteidigungsrates (HVO) in Herceg Bosna, Slobodan Praljak, kam mit 20 Jahren Haft davon. Der Chef eines Zentrums der kroatischen Streitkräfte in Bosnien-Herzegowina, Milivoj Petkovic, erhielt ebenfalls eine 20-jährige Haftstrafe. Der Kommandant der HVO-Militärpolizei, Valentin Coric, wurde zu 16 und der Chef der HVO-Kanzlei für Gefangenenaustausch, Berislav Pusic, zu 10 Jahren Haft verurteilt.

Vertreibung von Bosniaken und Serben

Das Tribunal stellte fest, dass sich die Angeklagten während des Bosnien-Krieges der Teilnahme an einem gemeinsamen verbrecherischen Vorhaben schuldig gemacht hatten, das darauf abzielte, zwischen Jänner 1993 bis etwa April 1994 vom Gebiet Bosniens, das sie an "Groß-Kroatien" anschließen wollten, Bosniaken (Moslems) und Serben zu vertreiben. An der Spitze des Vorhabens stand laut der Anklage der damalige kroatische Präsident Franjo Tudjman. Der Tribunalssenat stellte mit der Stimmenmehrheit zudem fest, dass die Kämpfe zwischen der HVO und der damaligen muslimischen Armee BiH daher einen internationalen Charakter hatten.

Den Angeklagten waren in den 26 Punkten der Anklage Vertreibungen auf ethnischer, religiöser und politischer Grundlage, Zwangsumsiedlungen, Raub, Zerstörung von Eigentum, unmenschliche Behandlung von Kriegsgefangenen, Vergewaltigungen und Folter angelastet worden. Unter anderem ging es im Prozess um die brutale Ermordung von 127 bosniakischen Einwohnern des Dorfes Ahmici (Zentralbosnien) im April 1993. Auch die Beschießung von östlichen, muslimischen Stadtvierteln Mostars, durch die mehrere hundert Personen ums Leben gekommen waren, und die Zerstörung der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Neretva-Brücke war ein Thema.

Die Anklage bezog sich neben Verbrechen in Mostar auch auf die in den Ortschaften Prozor, Gornji Vakuf, Jablanica, Ljubuski, Stolac, Öapljina und Vares angerichteten Kriegsverbrechen.

Aufteilung Bosnien-Herzegowinas

Tudjman und sein serbischer Amtskollege Slobodan Milosevic, der sich später selbst vor dem Haager Gericht zu verteidigen hatte, sollen bei einem Geheimtreffen in Karadjordjevo westlich von Belgrad bereits im Jahr 1991 die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas zwischen Serbien und Kroatien besprochen haben. Der 1999 verstorbene Tudjman wurde vom UNO-Gericht nie angeklagt, wenngleich es Ermittlungen gegen ihn gegeben haben soll. Sein Land ist durch das heutige Urteil gut einen Monat vor dem EU-Beitritt nun erneut in ein schiefes Licht geraten.

Die Anklage hatte in dem Anfang 2011 vorgetragenen Schlussplädoyer wesentlich höhere Haftstrafe gefordert, nämlich 40 Jahre Haft für Prlic, Praljak, Petkovic und Stojic. Für Coric waren 35 und für den Chef der HVO-Kanzlei für Gefangenenaustausch, Pusic 25, Jahre Haft gefordert worden. Die Verteidigung hatte dagegen auf Freispruch plädiert.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Trauerfeier bosnischer Kroaten in Mostar für General Praljak, der sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal vergiftet hatte.
Außenpolitik

Kriegsverbrecher wird zum Märtyrer

Die niederländische Justiz ermittelt fieberhaft, wie der bosnisch-kroatische General Praljak an das Gift gelangen konnte, das er vor dem UN-Tribunal trank. Kroatien feiert ihn als Helden.
Slobodan Praljak vor dem UN-Tribunal
Außenpolitik

UNO-Tribunal: Ermittler finden nach Suizid Spuren von Gift

Die Ermittlungen konzentrieren sich nun auf mögliche Helfer. Slobodan Praljak hatte vor dem UN-Tribunal Suizid begangen.
Slobodan Praljak nahm während der Urteilsverkündung im Gerichtssaal Gift.
Außenpolitik

General schluckt Gift vor UN-Gericht

Der einstige bosnisch-kroatische Kommandant Slobodan Praljak beging während der Urteilsverkündung in Den Haag Suizid. Zagreb zeigt sich schockiert.
"Ich bin kein Krimineller", soll Praljak gesagt haben, bevor er aus einem kleinen Fläschen trank.
Außenpolitik

UNO-Tribunal: Verurteilter Kriegsverbrecher stirbt nach Gift-Einnahme

Nach der Urteilsverkündung schluckt Ex-Militärchef Praljak eine Flüssigkeit und stirbt, berichten Medien. Das Berufungsverfahren bestätigte die Strafen gegen sechs bosnische Kroaten in Den Haag.
Archivbild von Valentin Inzko, dem Bosnien Beauftragten der UNO.
Außenpolitik

Inzko: UNO-Urteil darf nicht politisiert werden

Der hohe Bosnien-Beauftragter sieht einen möglichen Wendepunkt für Bosnien-Herzegowina. Eine Beurteiltung der Taten dürfe nicht nach Nationalität erfolgen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.