Wie Berlusconi die Regierung steuert

Wie Berlusconi die Regierung steuert
Wie Berlusconi die Regierung steuert(c) REUTERS (MAX ROSSI)
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Obwohl ohne Amt übt der Ex-Premier weiterhin große Macht: Er erpresst die Koalitionspartner und schafft es immer wieder, sich in Szene zu setzen.

Rom/Pk. Die schwerste Niederlage bei der Parlamentswahl im Februar hat Silvio Berlusconi eingefahren (minus 16 Prozentpunkte gegenüber 2008). Doch trotzdem gilt er weiterhin als stärkster Mann in Italiens Großer Koalition.

Formell bekleidet Berlusconi kein Amt in dieser für das Land so neuartigen Regierung, aber er gibt tagtäglich zu verstehen, dass ohne ihn als „Garanten“ das Experiment keine Zukunft hat. Anders herum: Wenn es Berlusconi gefällt, den Stecker zu ziehen, dann erlischt die Regierung im Nu. Berlusconis Launen, durchsetzt mit den taktischen Schlüssen aus unablässigen „geheimen“ Meinungsumfragen, deren Ergebnis nur er persönlich kennt, sind unberechenbar.

Dass Gerichtsentscheidungen, die zur Gänze den Privatmann und Unternehmer Silvio Berlusconi treffen, Auswirkungen auf das politische Schicksal einer ganzen Nation haben müssen, mag im Ausland für Befremden sorgen; in Italien wundert sich darüber keiner. Sollte Berlusconi wegen angeblicher Steuerdelikte zum Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern verurteilt werden, sagt etwa Daniela Santanché, seine militanteste Amazone, dann sollten alle Italiener „aus Protest in einen Steuerstreik treten“. Oder Maurizio Gasparri, einer führender Abgeordneten von Berlusconis Partei: „Wenn unser Presidente verurteilt wird, treten wir alle zurück.“

Drohung mit Koalitionsbruch

Ob Berlusconi, wie er es im November mit der Regierung Mario Montis getan hat, auch die heutige von Enrico Letta stürzen will, falls ihn die Mailänder Richter verurteilen? Noch schließt er es aus; noch sagt Letta selbst, es bestehe „keine Gefahr“. Viele Kommentatoren gehen davon aus, dass Berlusconi erst einmal seine geschwundene Wählerbasis zurückgewinnen will, bevor er sich auf das Abenteuer einer vorgezogenen Wahl einlässt.

Berlusconi drängt die Regierung pausenlos dazu, seine eigenen, populistischen Programmpunkte umzusetzen – die Abschaffung der Haus- und Grundsteuer vor allem, den Verzicht auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Gestern drohte Berlusconis Partei deshalb gar mit dem Austritt aus der Koalition. Findet die Regierung in diesen lausigen Zeiten Geld dafür, wird Berlusconi triumphierend melden: „Versprechen erfüllt!“ Kommt die Regierung zum Ergebnis, sie brauche die Steuermehreinnahmen, dann sind die Sozialdemokraten schuld.

Dazu kommt Berlusconis Bemühen, immer und überall im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Als Regierungschef Letta jüngst beim G8-Gipfel unter den Mächtigen der Welt gute Figur machte, lenkte Berlusconi die Scheinwerfer auf sich um: Er verlangte, damit Italien endlich wieder wachse, die Maastricht-Grenzen des Haushaltsdefizits zu durchbrechen. Und sofort diskutierte das ganze Land über Berlusconi und seinen Vorschlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)

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