Spionageaffäre: NSA-Netz mit Wien und Berlin

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NSANetz Wien Berlin(c) EPA (JUSTIN LANE)
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EU-Geheimdienste dürften in Aktivitäten der NSA involviert gewesen sein. Auf Twitter kamen neue Gerüchte in Umlauf, wonach sich Snowden vielleicht doch im Flugzeug von Evo Morales befunden haben könnte.

Berlin/Wien/Ag/Wb. Der US-Geheimdienst NSA dürfte mit Wissen der meisten EU-Staaten in Europa aktiv gewesen sein. Laut einem Bericht des „Spiegel“ war etwa die Zusammenarbeit mit dem deutschen Bundesnachrichtendienst BND deutlich enger als bisher öffentlich bekannt. Der ehemalige Leiter des österreichischen Bundesverfassungsschutzes, Gert René Polly, behauptete in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, dass auch er über Überwachungsaktivitäten in Österreich informiert gewesen sei. Ihm sei das von Edward Snowden aufgedeckte Programm Prism, mit dem E-Mails und Daten aus sozialen Netzwerken systematisch kontrolliert werden, unter anderem Namen bekannt gewesen. Allerdings geht Polly davon aus, dass die NSA-Aktivitäten in Österreich deutlich weniger intensiv waren als in Deutschland.

Der „Spiegel“ veröffentlichte am Wochenende auch ein Interview mit Edward Snowden, das angeblich über verschlüsselte E-Mails geführt wurde. Darin behauptet der von den USA gesuchte Computerspezialist, dass Deutschland mit der NSA „unter einer Decke“ stecke. Es wird vermutet, dass die NSA dem BND sogar Programme für den Lauschangriff auf ausländische Datenströme zur Verfügung gestellt habe.

Das für Spionageabwehr zuständige deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz untersucht derzeit, wo die NSA Zugriff auf den Internetverkehr in Deutschland nimmt. Eine erste Analyse ergab nach Angaben des Präsidenten Hans-Georg Maaßen keine Klarheit. „Wir haben bislang keine Erkenntnisse, dass Internetknotenpunkte in Deutschland durch die NSA ausspioniert wurden“, sagte Maaßen dem Magazin.

Gerüchte um Morales-Flugzeug

Indessen kamen auf Twitter neue Gerüchte in Umlauf, wonach sich Edward Snowden vielleicht doch im Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales befunden haben könnte. Die Gerüchte wurden durch ein Interview von Bundespräsident Heinz Fischer geschürt, der gegenüber dem „Kurier“ erklärt hatte, dass es auf dem Flughafen Schwechat bei der Maschine des bolivianischen Staatschefs „keine Durchsuchung im kriminaltechnischen Sinn“ gegeben habe. Dies sei nicht möglich gewesen, weil das Flugzeug eines Präsidenten zu dessen Hoheitsgebiet zähle.

Laut Innenministerium gab es aber in Abstimmung mit dem Piloten eine „freiwillige Nachschau“ eines Beamten. Dieser fand den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden jedoch nicht an Bord. Sonst wurden lediglich die Pässe der Passagiere kontrolliert. Auch das Außenministerium bestätigte auf Anfrage der „Presse“, dass es in dieser Weise vom Innenministerium informiert worden sei. Evo Morales hatte Snowden am Wochenende ebenso wie die Regierungen von Venezuela und Nicaragua Asyl angeboten.

Brasilien auch "Opfer" der NSA?

Die brasilianische Zeitung "O Globo" berichtete indes, dass die NSA auch brasilianische Bürger im großen Stile ausspioniert hätte. Die NSA habe sich "über Jahre und systematisch" Zugang zum brasilianischen Telekommunikationsnetz verschafft. Die brasilianische Regierung hat von den USA Aufklärung verlangt.

Merkel drängt zu Datenschutz

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will indessen die am Montag beginnenden Freihandelsverhandlungen zwischen den USA und der EU dazu nutzen, einen besseren Datenschutz zu gewährleisten. „Wir müssen dem Schutz der Bürger großen Raum einräumen“, sagte die Kanzlerin. Dies werde auch international zu diskutieren sein. „Abhören, das geht nicht unter Freunden. Der Kalte Krieg ist vorbei.“

Merkel wies allerdings auch darauf hin, dass zur Terrorabwehr eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste notwendig sei. Deutschland habe sehr viele Informationen erhalten, etwa über Aktivitäten der islamischen Sauerland-Gruppe, die Anschläge in Deutschland geplant hatte. In Anspielung auf die Aufdeckung von US-Geheimdienstaktivitäten bei EU-Institutionen und Ländervertretungen in Brüssel sagte die Kanzlerin: Es gehe nicht an, dass Botschaften verwanzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2013)

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