Edward Snowdens Taxifahrt ins russische Asyl

NSA whistleblower Edward Snowden, an analyst with a U.S. defence contractor, is interviewed by The Guardian in his hotel room in Hong Kong
NSA whistleblower Edward Snowden, an analyst with a U.S. defence contractor, is interviewed by The Guardian in his hotel room in Hong KongREUTERS
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Der Ex-NSA-Mitarbeiter hat Einreisedokumente der russischen Behörden erhalten. Ihm wurde für ein Jahr temporäres Asyl in Russland gewährt. Sein Anwalt sagte, man habe Snowden an einen "sicheren Ort" gebracht.

Der geflohene Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden hat nach mehr als einem Monat den Moskauer Flughafen Scheremetjewo verlassen und temporäres Asyl in Russland erhalten. Dies meldeten am  Donnerstagnachmittag mehrere Agenturen und der britische Sender "BBC" unter Berufung auf Snowdens russischen Anwalt Anatoli Kutscherena.

Der Sender "Russia Today" zitierte Flughafenmitarbeiter, wonach Snowden um 15.30 Uhr Moskauer Zeit (13.30 Uhr mitteleuropäische Zeit) den Flughafen verlassen habe. Laut Kutscherena habe Snowden ein gewöhnliches Taxi genommen und sei ohne Begleitung gewesen. Die Enthüllungsplattform WikiLeaks schrieb hingegen via Twitter, Snowden sei in Begleitung von WikiLeaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison gewesen.

Snowden: "Am Ende siegt das Gesetz"

In einem von WikiLeaks verbreiteten Statement dankte Snowden Russland für die Gewährung des Asyls: "Die vergangenen acht Wochen haben wir gesehen, dass die Regierung Obama keinerlei Respekt für internationales oder heimisches Recht zeigt. Aber am Ende siegt das Gesetz.

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Snowden habe ein Dokument der russischen Migrationsbehörde erhalten, das ihm die Einreise erlaubte, sagte sein Anwalt und präsentierte den am Moskauer Flughafen wartenden Journalisten eine Kopie des Bescheids. Das temporäre Asyl wurde zunächst für ein Jahr erteilt, kann auf Antrag aber verlängert werden. Inbegriffen ist offenbar auch eine Arbeitserlaubnis.

Alle Optionen von Hotelzimmer bis Laubhütte

Der Anwalt sagte, man habe Snowden an einen "sicheren Ort" gebracht: "Er ist die meistgesuchte Person auf dieser Welt, seine Sicherheit hat absolute Priorität." Sein Mandant könne in Russland leben, wo immer er wolle: "Es ist seine freie Entscheidung." Er könne ein Hotelzimmer nehmen, eine Wohnung oder ein Haus mieten oder in einer Laubhütte hausen, zitiert die Agentur Ria Novosti den Juristen, der allerdings einschränkte, sein Mandant habe "nicht allzu viel Geld".

Jedenfalls werde Edward Snowden nicht in einer Botschaft Unterschlupf suchen, obwohl das von drei lateinamerikanischen Ländern angeboten worden sei. Es dürfte sich bei den vom Anwalt nicht im Detail genannten Ländern um Venezuela, Bolivien und Nicaragua handeln, die Snowden auch Asyl angeboten haben.

"Snowden braucht jetzt Ruhe"

Snowden werde sich möglicherweise der Presse stellen, nun brauche er aber erst einmal zumindest einen Tag Ruhe, sagte Kutscherena. Der Anwalt hofft, dass Snowden bald Familienbesuch aus den USA bekommen kann, man arbeite bereits an den nötigen Formalitäten.

Ein Jobangebot in Russland ließ im übrigen nicht lange auf sich warten: Pavel Durov, Chef des sozialen Netzwerks VKontakte - eine Art russisches Facebook - bot Snowden die Mitarbeit an, wie die Agentur Itar-Tass berichtete.

Auf jeden Fall ist Snowden fürs Erste dem Zugriff der US-Behörden entzogen. Eine Auslieferung, wie sie seit Wochen von Washington vehement gefordert wird, ist mit dem temporären Asyl-Status nicht möglich. Der Kreml drückte die Hoffnung aus, dass dies die Beziehungen zu den USA nicht belasten werde: Es handle sich um eine "ziemlich unbedeutende Angelegenheit", sagte Juri Uschakow, außenpolitischer Berater von Präsident Putin.

In Washington sah man das naturgemäß etwas anders: Das Weiße Haus zeigte sich "äußerst enttäuscht" über Russlands Entscheidung sagte Sprecher Jay Carney. US-Präsident Barack Obama prüfe die "Nützlichkeit" eines Treffens mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Obama plante, m September vor einem G20-Gipfel in Moskau bilaterale Gespräche mit Putin zu führen.

Wikileaks: "Wir haben die Schlacht gewonnen"

"Wir möchten dem Russischen Volk und allen anderen danken, die geholfen haben, Herrn Snowden zu beschützen", hieß es seitens der Enthüllungs-Plattform WikiLeaks, deren Mitarbeiter sich seit Wochen für Snowden eingesetzt hatten: "Wir haben die Schlacht gewonnen - nun den Krieg".

Der US-Amerikaner war ohne gültige Papiere am 23. Juni aus China kommend in Scheremetjewo gelandet und hat in Russland um temporäres Asyl angesucht. Seit Anfang Juni hat Snowden internationale Zeitungen mit Enthüllungen zu geheimen Abhörprogrammen des US-Geheimdienstes NSA versorgt.

Präsident Putin knüpfte Asyl an Bedingungen

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zunächst die Bedingung gestellt, Snowden müsse aufhören, den Interessen der USA zu schaden, also seine Enthüllungen einstellen. Erst dann könne er Asyl in Russland erhalten. Diese Bedingung habe sein Mandant akzeptiert, sagte Anwalt Kutscherena.

Von einem Stillhalten des Ex-NSA-Mannes war zuletzt allerdings nichts zu bemerken: Erst am Mittwoch hatte der britische "Guardian" neue Details zu den Überwachungsprogrammen der NSA publiziert: Demnach hätte der Geheimdienst nahe zu unbegrenzten Zugriff auf den weltweiten Internet-Verkehr, und dies sogar ohne richterliche Genehmigung im Einzelfall.

(APA/Reuters/Ria Novosti/Red.)

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