Der Anwalt des ägyptischen Ex-Staatschefs erwartet Mubaraks Freilassung bis Mittwoch. Nach einem Anschlag auf eine Polizeistation wächst die Angst vor einer Ausweitung des Terrors.
Kairo/M.g./Red. Viel war zuletzt von einer Rückkehr Ägyptens zur Mubarak-Ära die Rede. Nun könnte sich das auch bald im Wortsinne erfüllen: Ein Anwalt des im Februar 2011 gestürzten Diktators sagte am Montag, dieser könnte binnen 48 Stunden frei sein. Zuvor hat ein Gericht ein Korruptionsverfahren eingestellt, im Zuge dessen Mubarak in U-Haft sitzt. Es gibt jedoch ein zweites Verfahren, in dem die Entscheidung noch aussteht. Der Anwalt rechnet damit, dass das bereits diese Woche geschieht. Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Justizkreisen erfuhr, könnte sich eine Entscheidung allerdings noch zwei Wochen hinziehen.
Mubarak ist vergangenes Jahr wegen des Todes von Demonstranten während der Revolution zu lebenslanger Haft verurteilt worden, diese Strafe ist aber noch nicht rechtskräftig. Sollte Mubarak freikommen, würde das in dem extrem polarisierten Land für zusätzlichen Zündstoff sorgen.
Derweil droht der Machtkampf zwischen Extremisten und Sicherheitskräften zu eskalieren: „Gotteskrieger“ im Nordsinai nahmen am Montag nahe der Grenze zum Gazastreifen zwei Kleinbusse mit Polizisten unter Feuer und töteten 25 Beamte. Laut Innenministerium wurden die Kleinbusse auf dem Weg zum Grenzübergang Rafah aus dem Hinterhalt heraus mit Panzerfäusten angegriffen.
36 Häftlinge kamen ums Leben
Das Massaker ist die schwerste Bluttat seit Jahren auf der Halbinsel, deren nördlicher Teil mehr und mehr in Anarchie versinkt. Vor einem Jahr erschossen Jihadisten in der gleichen Region 16 ägyptische Grenzsoldaten. Damals nutzte der frisch gewählte Präsident Mohammed Mursi das Blutbad, um den Obersten Militärrat zu entmachten und General Abd el-Fattah al-Sisi zum neuen Armeechef zu befördern. Die neuerliche Terrortat schürt Befürchtungen in Ägypten, dass solche Massenmorde demnächst auch im Kernland der Nilregion verübt werden könnten. Letzte Woche überfielen Bewaffnete bereits eine kleine Polizeistation nahe Kairo und richteten elf Polizisten hin. Der Grenzübergang Rafah wurde am Montag bis auf Weiteres geschlossen.
Am Vorabend erstickten nach Angaben der Behörden mindestens 36Untersuchungshäftlinge aus den Reihen der Muslimbrüder an Tränengas, als während eines Gefangenentransports von Kairo zu einem Gefängnis im Nildelta eine Meuterei ausbrach. Wie es zu dem Tod der Häftlinge kam, die offenbar alle in einem fensterlosen Transporter starben, dazu gab es unterschiedliche Darstellungen.
Christen unterstützen Armee
Das inzwischen vierte Massaker an Anhängern der Muslimbruderschaft, diesmal in Polizeigewahrsam, sorgte auch unter Unterstützern des Militärputsches für Entsetzen. Ex-Präsidentschaftskandidat Hamdeen Sabahi forderte eine unabhängige Untersuchungskommission. Sein Mitstreiter Mohammed ElBaradei hatte vergangene Woche aus Protest gegen die exzessive Gewalt der Sicherheitskräfte bei der Räumung der Muslimbrüder-Lager in Nasr City und Giza, bei der mehr als 600 Menschen getötet wurden, sein Amt als Vizepräsident der Interimsführung niedergelegt. Er flog am Sonntag nach Wien, weil er offenbar um sein Leben fürchtet.
Bedrängt sind auch die Angehörigen christlicher Konfessionen in Ägypten, vor allem der (orientalisch-orthodoxen) koptischen Kirche, aber auch der kleineren koptisch-katholischen Kirche. Sie stellte sich am Montag mit deutlichen Worten an die Seite von Militär und Übergangsregierung: „Wir unterstützen bewusst und freiwillig alle staatlichen Institutionen im Lande. Besonders genannt seien die ägyptische Polizei und Armee, die in großer Gefahr und Anstrengung unsere Heimat verteidigen.“
Mit solchen Erklärungen bringen sich die Kopten freilich wiederum in Gefahr: Seit vergangenem Mittwoch wurden mehr als 60 Kirchen angezündet. Fünf katholische Schulen in Oberägypten, die auch Muslime besuchten, wurden geplündert und teilweise verwüstet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2013)