Wahldebakel: FDP stürzt in eine Existenzkrise

FDP-Bundesparteitag
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Die Liberalen fielen nach ersten Prognosen auf 4,7 Prozent und damit aus dem Bundestag. Seit 2009 ist viel schief gelaufen. Eine Analyse.

Zur Wahlparty hatte die FDP ins Berliner Congress Center geladen, doch zu feiern gab es hier nichts. Betretene Gesichter, als um 18 Uhr die erste Prognosen über die Großleinwand liefen. 4,5 bis 4,7 Prozent. Die Totenstille wird nur von einem hinter vorgehaltener Hand ausgestoßenen "Oh Shit" durchbrochen. Freilich, "die Hoffnung stirbt zuletzt", wie es ein junges Parteimitglied ausdrückte, und so richtete man sich hier auf einen langen Wahlabend ein, in der verzweifelten Hoffnung, dass sich der Trend noch umkehren würde und die FDP doch noch den Einzug in den Bundestag schaffen. Nach der ersten Hochrechnung hatte sie gerade einmal rund ein Drittel ihres Traumwertes von 14,6 bei der Wahl 2009 erreicht. Verstetigt sich der Trend allerdings, dann steht nicht nur Spitzenkandidat und Franktionschef Rainer Brüderle zur Disposition sondern auch der erst 2011 ins Amt gehievte Parteichef Philipp Rösler. Früher als geplant könnte dann der einstige Generalsekretär Christian Lindner eine führende Rolle spielen

Monatelang war die Partei zwar konstant bei fünf, sechs Prozent in stabiler Seitenlage gewesen, aber dann hat das 3,3-Prozent-Debakel in Bayern die Partei in blanke Panik versetzt. Eigenes Profil? Programmatische Ansagen? Das war vom Tisch, Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Philipp Rösler, der unter ihm den Parteichef geben darf, degradierten die FDP zur reinen Funktionspartei, kulminierend in dem Satz: „Wer Merkel will, muss FDP wählen."

Die Union war darauf nicht eingegangen, zumindest nicht so, wie es sich die FDP gewünscht hätte. „Ich würde die schwarz-gelbe Koalition gerne fortsetzen", das war schon das Maximum, was Angela Merkel zu sagen bereit war. Man beachte den Konjunktiv. Ansonsten ließ die CDU das verzweifelte Betteln wie an einer Teflonoberfläche an sich abgleiten, rückstandsfrei.

Der Niedergang der Liberalen

Doch was hat die Liberalen eigentlich von ihrem Erfolg 2009 so sehr in die Tiefe gezogen? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst war die politische Konstellation damals eine ganz andere, nach vier Jahren Großer Koalition verspürten viele Wähler das dezente Bedürfnis, eine Proteststimme abzugeben, und die AfD als Protestpartei klassischen Zuschnitts gab es noch nicht. Dann war da das große Versprechen der FDP, massive Steuersenkungen ins Werk zu setzen. Dies sollte in den Koalitionsverhandlungen mit einer geschwächten CDU doch möglich sein. Dachte man. War es aber nicht, und an Finanzminister Wolfgang Schäuble bissen sich die Liberalen ein ums andere Mal die Zähne aus. Ein junges Parteimitglied führte diesen Umstand am Sonntagaben im Gespräch mit der "Presse" auch als Hauptgrund für den dramatischen Absturz an: "Das haben uns die Wähler einfach nicht verziehen."

Ab 2011 hatte es eine Reihe von Schlappen bei Landtagswahlen gesetzt. In Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz (alle 2011), im Saarland (2012) und in Bayern (September 2013) flog sie zum Teil hochkant aus den Landtagen. 2011 zog die Partei die Notbremse und schickte den Mann in die Wüste, den sie zwei Jahre vorher als Heilsbringer gefeiert hatte: Guido Westerwelle, der sich, nicht zu seinem Schaden, fortan ganz aufs Amt des Außenministers konzentrieren musste/konnte/durfte.
Die Probleme waren damit freilich nicht beseitigt, und dem neuen Parteichef Rösler wurde bald Führungsschwäche attestiert, als Wirtschaftsminister (ab 2011) ist er kaum wahrnehmbar, mehr Akzente setzte er zuvor im Gesundheitsressort. Sein Versuch, in der Griechenland-Krise sein Profil zu schärfen, indem er einen Euro-Austritt Athens in den Raum stellte, missglückte, bald wurde auch an seinem Ast gesägt.

Herr Brüderle und der Herrenwitz

Besonders unschön von Fraktionschef Brüderle, der den in Vietnam geborenen Rösler mit einem biegsamen Bambus verglich, während er, Brüderle, die deutsche Eiche sei. Das überraschend gute Ergebnis bei der Niedersachsen-Wahl im Jänner 2013 rettete vorerst Röslers Kopf, in einem Akt der Vorwärtsverteidigung bot er Brüderle Parteivorsitz und Spitzenkandidatur an, der Pfälzer griff nur beim Zweiten zu. Und so sollte es der wein- und leutselige Brüderle richten, der schon 2009 nicht gerade als Zukunftshoffnung gegolten hatte, aber als Wirtschaftsminister nicht die schlechteste Figur machte. Er stolperte aber gleich zweifach. Zweitens im Wortsinne, mehrere Knochenbrüche setzten ihn im Wahlkampf zeitweise außer Gefecht, und erstens mit seinem Hang zu anzüglichen Bemerkungen (Stichwort Herrenwitz).
Seinem Stil blieb Brüderle im Wahlkampf treu,er wetterte gegen die „Grünen Gouvernanten", die ihm vorschrieben, wann er sein Kotelett zu essen habe, schürte die Angst vor einer nie zur Debatte gestandenen rot-rot-grünen Koalition. Doch Wunder konnte auch Brüderle nicht bewirken

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