Sergej Klujew: "Entschuldigung, aber ich bin kein Oligarch"

Der ukrainische Geschäftsmann und Politiker Sergej Klujew
Der ukrainische Geschäftsmann und Politiker Sergej KlujewAPA
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Sergej Klujew will seiner Partei der Regionen ein neues Gesicht verpassen. Janukowitsch ist für ihn Geschichte. Seinen Bruder, zuletzt mächtigen Kanzleichef des Ex-Präsidenten, nimmt der Geschäftsmann in Schutz.

Die Presse: Sie und Ihr Bruder standen dem entmachteten Präsidenten Janukowitsch sehr nahe. Fürchten Sie nun um Ihr Vermögen und Ihre Sicherheit in der Ukraine?

Sergej Klujew: Ich habe Janukowitsch vergangenes Jahr nur ein Mal getroffen. Mein Bruder hat für ihn gearbeitet.

Er war Chef der Präsidentschaftskanzlei.

Aber nicht einmal einen Monat lang.

Wissen Sie, wo Ihr Bruder jetzt ist?

In der Nähe von Kiew. Wo Janukowitsch ist, weiß ich nicht.

Wie geht es Ihrem Bruder? Es heißt, er sei bei der Flucht angeschossen worden.

Es geht ihm besser. Es gibt so viele Banditen im Moment. In den vergangenen vier Tagen ist mein Haus fünfmal angegriffen worden. Am ersten Tag sind 30 Bewaffnete auf mein Grundstück vorgedrungen und haben einen meiner Sicherheitsleute angeschossen.

Machen Sie sich auch Sorgen um Ihr Vermögen in der Ukraine?

Wenn sich die Ukraine wieder stabilisiert hat, werden auch die Anlagen sicher sein. Ich bin ja nur ein Anteilseigner. Mein Bruder und ich haben nichts Illegales getan. Er hat sich für eine friedliche Lösung eingesetzt. Und er hat es beinahe geschafft.

Es heißt, Ihr Bruder habe zu den Hardlinern in Janukowitschs Umfeld gehört.

Das ist falsch.

Er soll Janukowitsch empfohlen haben, die Proteste gewaltsam aufzulösen.

Ganz sicher nicht. Das ist schmutzige Propaganda, das weise ich zu 100 Prozent zurück. Nein, nein, nein (schlägt auf den Tisch). Er hat dem Präsidenten empfohlen, eine friedliche Lösung zu finden.

Der Name Ihres Bruders steht auf dem Entwurf für die Sanktionenliste der EU.

Leider durchlebt die Ukraine derzeit eine Phase der Revolutionseuphorie. Man versucht jetzt, Schwierigkeiten zu kreieren für die frühere Regierung.

Was genau passierte vergangenen Freitag und Samstag? Warum sind Janukowitsch plötzlich die Machthebel entglitten?

Schwer zu sagen. Am 17. Februar war ja schon eine friedliche Lösung gefunden, aber am nächsten Tag in der Früh haben Provokateure das Parlament blockiert und damit angefangen, Autos und das Büro der Partei der Regionen anzuzünden. Dann ist die Situation außer Kontrolle geraten. Ich bin sehr traurig, dass es so gekommen ist.

Wer hat den Scharfschützen den Schießbefehl gegeben?

Ich habe nicht die geringste Ahnung. Mein Bruder jedenfalls ganz sicher nicht, weil er nicht die Polizei befehligt hat.

War es Janukowitsch selbst?

Ich weiß es einfach nicht.

Warum haben die Oligarchen Achmetow und Firtasch die Seiten gewechselt?

Ich würde nicht sagen, dass sie die Seiten gewechselt haben. Die Partei der Regionen ist zwar jetzt in Opposition, aber wir sind in dieser Situation bereit, die neue Regierung zu unterstützen, um die Reformen ins Werk zu setzen, die das Land stabilisieren können, und um die Probleme auf den Straßen in den Griff zu bekommen.

Man hat den Eindruck, dass Leute wie Achmetow und Firtasch Präsident Janukowitsch einfach nicht mehr unterstützen wollten und ihn fallen ließen.

Da dürften Sie recht haben, so sieht es aus.

Wie beurteilen Sie Janukowitsch heute?

Ich denke, wir sollten mit der Partei der Regionen einen Neustart machen, ihr ein neues Gesicht verpassen. Immerhin ist es eine Partei mit einer Million Mitgliedern.

Ist Janukowitsch Geschichte?

Das könnte schon sein.

Was war sein größter Fehler?

Das alles wäre nicht passiert, wenn er selbst schneller für Wandel gesorgt hätte. Hätte er Anfang Dezember reagiert, wäre uns viel erspart geblieben. Aber das hat er nicht, und dann ist das schneeballartig weitergegangen.

Wissen Sie, warum er letztlich gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU war?

Alle waren bereit, es zu unterzeichnen. Speziell mein Bruder, der ja dafür verantwortlich war, hat sich sehr dafür eingesetzt.

Die Opposition wirft Ihnen vor, in Wien Geld zu waschen...

Das weise ich zurück. Das ist schmutzige Propaganda. Die Opposition hat das immer behauptet, seit mein Bruder als Premier-Kandidat gehandelt wurde. Aber dieses Papier hier (Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 8. 8. 2013, Anm.) zeigt, dass der Fall in Wien geschlossen wurde. Ich weiß genau, wer hinter den Vorwürfen steckt.

Und wer?

Das werde ich Ihnen nicht sagen.

Hatten Sie abgesehen von diesem Fall noch mit den Behörden in Wien zu tun?

Es gibt keine weiteren Ermittlungen, von denen ich wüsste. Aber ich habe nichts zu verbergen. Wenn die Behörden etwas überprüfen wollen, bitte, gern. Ich habe jetzt 20 Jahre in Österreich Geschäfte gemacht. Das reicht, um die Regeln kennenzulernen und zu wissen, wie man sich daran hält. Und ich hatte niemals Probleme mit der Polizei.

Warum sind Sie – wie so viele ukrainische und russische Geschäftsleute – nach Wien gegangen? Gab es spezielle Vorteile, die man woanders schwer findet?

Wien liegt im Zentrum Europas, man kann hier viele Leute treffen, man kann sehr leicht überall hinreisen.

Gibt es andere Vorteile? Die Unternehmenssteuern? Das Bankgeheimnis?

Das Bankgeheimnis interessiert mich nicht, ich habe alles komplett offengelegt.

Ist ein politisches System, in dem Menschen wie Sie im Parlament sitzen, gut? Ich kenne kein anderes Land, wo so viele reiche Leute im Parlament mitentscheiden.

Ich bin nur mehr ein einfacher Anteilseigner. Und ich benutze mein Mandat nicht für irgendwelche geschäftlichen Zwecke.

Warum sind Sie jetzt nicht im Parlament?

Weil ich krank bin. Ich hatte gestern 39,5 Grad Fieber. Ich habe meine Familie aus Kiew nach Wien gebracht, wegen der Angriffe auf mein Haus.

Haben Sie vor, die Ukraine auf Dauer zu verlassen?

Sicher nicht. Warum sollte ich?

Weil es danach aussieht, als wäre Ihre Familie in der vergangenen Woche auf der Verliererseite gelandet. Anders als Achmetow und Firtasch verpassten Sie den Zug.

Entschuldigung, aber ich bin kein Oligarch.

Was dachten Sie, als Sie die Bilder von Julia Timoschenko sahen, wie sie vom Gefängnis direkt auf den Maidan kam?

Sie ist eine sehr talentierte Politikerin.

Sie soll auch sehr talentiert gewesen sein, Zugang zu Ressourcen zu bekommen.

(Klujew schweigt.)

Würden Sie zustimmen, dass Timoschenko in einem Polit-Prozess verurteilt wurde?

Nun, ich bin kein Anwalt, also kann ich das schwer beurteilen. Wäre ich Jurist, könnte ich mir eine eigene Meinung darüber bilden.

Wenn Sie aus der Partei der Regionen mit der anderen Seite etwas regeln wollen – wer ist die maßgebliche Figur?

Die gibt es nicht. Es gibt jetzt mehrere Machtzentren, die man einbeziehen muss.

Haben Sie einen österreichischen Pass?

Natürlich nicht, auch das ist Teil der Propaganda. Schauen Sie, das hier ist mein ukrainischer, und es ist per Gesetz verboten, einen zweiten zu haben.

Was ist das größte Problem der Ukraine?

Es ist alles so polarisiert, wir kämpfen zu hart gegeneinander. Es sollte mehr Konsens, Dialog und Flexibilität geben. Und wir müssen etwas gegen Korruption unternehmen.

Wann waren Sie in Berührung damit?

Wie meinen Sie das? Ich war nie in Berührung mit Korruption. Ich meine nur, dass es ein großes Problem für die Ukraine ist.

Werden Sie versuchen, Ihren Bruder aus der Ukraine herauszubringen? Können Sie ihm helfen?

Natürlich werde ich ihm helfen, er ist ja schließlich mein Bruder. Und die Familie ist das, was einem letztlich bleibt. Wir sind nicht nur Brüder, sondern auch Freunde.

Wäre es für ihn nicht besser, aus der Ukraine herauszukommen?

Warum? Er hat nichts Falsches getan, da bin ich mir sicher.

ZUR PERSON

Sergej Klujew, geb. 1969 in Donezk, ist Abgeordneter der Partei der Regionen. Gemeinsam mit seinem Bruder Andrej gründete er 1994 die Slav AG in Wien, mit der er Stahlgeschäfte in seiner ukrainischen Heimat finanzierte. Klujew hat ein Haus in Tulbingerkogel. Sein Bruder Andrej war bis zuletzt Chef der Präsidentschaftskanzlei von Viktor Janukowitsch. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2014)

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