Chinas Dilemma mit der Krim-Krise

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Nach außen hin unterstreicht die Führung ihre guten Beziehungen zu Moskau. Doch mit Kiew will sie es sich nicht verscherzen.

Peking. Mit der Krim-Krise hat auch China ein Problem. Offiziell will sich die KP-Führung zwar nicht dazu äußern, ob Russlands Einverleibung der Krim rechtmäßig sei. Auf einer Pressekonferenz wich Vizeaußenminister Li Baodong mehrfach der Frage aus, ob China das Referendum der russischen Bevölkerung auf der ukrainischen Halbinsel anerkenne. „Wir hoffen, dass alle Seiten einen kühlen Kopf bewahren und eine politische Lösung suchen“, sagte er. Als ein Journalist nachhakte, was das konkret heiße, blieb er eine klare Antwort schuldig. Li schwadronierte nur davon, dass „eine weitere Eskalation vermieden werden“ müsse „und Dialog der einzige Ausweg“ sei. Am vergangenen Samstag hatte China sich bei einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat gegen das russische Vorgehen der Stimme enthalten. In Wirklichkeit ist aber auch Peking alles andere als glücklich über Putins Vorgehen. Zwar beschwört die Führung nach außen hin die sino-russische Beziehung. „Sie sind noch nie so gut gewesen“, beteuerte erst vergangene Woche Außenminister Wang Yi. Doch der Eindruck täuscht.

Waffen aus der Ukraine

Seit Jahren bemüht sich China um Russlands Waffentechnologie. Besonders an Flugzeugtechnik sind die Chinesen interessiert, etwa an Antriebssystemen für Kampfjets. Moskau verkauft Peking zwar Waffen, doch diese spezielle Technik enthält sie ihnen vor. So wie sich Ostasien und die gesamte westliche Welt über den Aufstieg der Volksrepublik zur militärischen Großmacht sorgen, beäugt auch Russland misstrauisch Chinas Aufrüstung. Russen und Chinesen teilen sich eine 4300 Kilometer lange Grenze. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Grenzstreitigkeiten.

In den vergangenen Jahren hat sich China daher zunehmend an die Ukraine gewandt. Technisch verfügen die Ukrainer über ein ähnliches Wissen wie die Russen. Die Ukrainer haben wiederum wenig von den Chinesen zu befürchten und verkaufen daher bereitwillig ihre Technologie. 2012 stieg die Ukraine zum weltweit neuntgrößten Waffenexporteur auf. Ein Großteil davon ging in die Volksrepublik. So ist unter anderem der bisher einzige Flugzeugträger der Volksrepublik aus ukrainischem Bestand. Aber auch wirtschaftlich sind sich beide Staaten nähergekommen. Acht Milliarden US-Dollar wollten die Chinesen zuletzt zusätzlich in der Ukraine investieren. Schlägt sich Peking zu sehr auf die Seite Putins, könnte die derzeitige ukrainische Führung diesen Schritt China verübeln.

Doch auch mit Russland verbindet China mehr als nur eine strategische Partnerschaft. Das Riesenreich bezieht einen Großteil seines Erdgases aus Russland. Nachdem Moskau und Peking fast ein Jahrzehnt lang um den Bau einer Pipeline von den Gasfeldern Sibiriens nach China gerungen haben, stehen die Verhandlungen kurz vor ihrem Durchbruch. Peking will es sich daher auch nicht mit Moskau verscherzen.

Dass die Führung sich so zweideutig verhält, hängt daher keineswegs mit ihrer selbst auferlegten „Doktrin der Nichteinmischung“ in Angelegenheiten anderer Länder zusammen, auf die sie sich sonst so gern beruft: Sie kann sich derzeit einfach nicht entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2014)

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