US-Sanktionen treffen ins Schwarze

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epaselect RUSSIA CRIMEA PUTIN(c) APA/EPA/SERGEI CHIRIKOV / POOL
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Kreml-Chef Putin quittiert die neuen Sanktionen des Westens mit einem Scherz. Beamte wollen westliche Kreditkartenfirmen aus dem Land werfen. Doch in Wahrheit nimmt die Nervosität zu. Und die Tycoons sind verstimmt.

Wien. So schwer sich der Westen – besonders die EU – mit der Entscheidung über angemessene Sanktionen gegen Russland tut, so schwer tut sich offensichtlich auch Russland selbst mit einer Reaktion. Zuwarten, meinte Kreml-Chef Wladimir Putin, während sein Sprecher und das Außenministerium eine symmetrische Antwort versicherten, weil andernfalls der „Appetit“ nur größer zu werden drohe. Die Verlegenheit sollte dann offenbar ein Scherz übertünchen, den Putin höchstselbst beisteuerte. Er habe bisher kein Konto auf der Bank Rossija gehabt, sagte er, werde aber nächste Woche dort eines eröffnen. Es ist die Bank, die von den USA am Vortag mit Sanktionen belegt wurde, weil sie jenen langjährigen Freunden Putins aus Petersburg gehört, die „dostup k telu“ haben, wie man in Russland sagt, also unmittelbaren „Zugang zum Körper“ des Landeschefs. Vier solche langjährigen Freunde – darunter der Ölhändler Gennadi Timtschenko – wurden ebenso auf die Sanktionsliste gesetzt wie ein gutes Dutzend hochrangiger Beamter.

Liste zielt ins Schwarze

Am Freitagmorgen sperrten die US-Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard alle Zahlungstransaktionen für Kunden der Rossija. Putin wies daraufhin die russische Zentralbank an, der Bank und ihren Kunden beizustehen. Beamte und Abgeordnete begannen laut über ein Verbot der beiden Kreditkartenfirmen in Russland nachzudenken und brachten die frühere Idee wieder auf, ein eigenes Zahlungssystem – vielleicht gemeinsam mit China – zu etablieren.

Die US-Liste traf symbolisch ins Schwarze. Über seinen engsten Vertrautenkreis will man indirekt Putin treffen. Klar ist, dass die nun sanktionierten Personen – neben Timtschenko sind das die Brüder Rotenberg, Putins Judo-Sparringpartner, sowie seine Petersburger Datschennachbarn – allesamt ihren wirtschaftlichen Erfolg nicht zuletzt der administrativen Ressource im Kreml verdanken. Allesamt sind sie Milliardäre, Timtschenko mit 15,3 Mrd. Dollar laut „Forbes“ weltweit Nr. 61 der Reichsten. Er und vor allem die Rotenbergs gelten auch als Könige der Staatsaufträge im Bausektor. Dass Putin selbst Mitbegünstigter ihrer Firmen ist, ist nicht bewiesen. Schon 2007 hatte der russische Politologe Stanislav Belkowski behauptet, dass Putin 75 Prozent an Timtschenkos Öltrader Gunvor kontrolliert. Gunvor hat das immer dementiert.

Nervosität flammt wieder auf

Die neuen Sanktionen treffen freilich nicht nur symbolisch, weshalb die russische Börse, die sich von ihrem Schock aus der ersten Märzhälfte eben erst zu erholen begann, gestern mit drei Prozent minus in den Handel ging. Sie sind „auch wirtschaftlich ein empfindlicher Schlag“, sagt Vjatscheslav Smoljaninov, Chefanalyst der Investmentbank Uralsib, auf Anfrage. „Vor allem für Gunvor.“ Nicht zufällig hat Timtschenko seine Anteile am weltweit viertgrößten Öltrader einen Tag vor dem Sanktionsbeschluss an seinen schwedischen Partner Torbjörn Törnqvist verkauft. Gunvor nämlich hat Vermögenswerte in den USA und war damit gefährdet. Die Aktie von Novatek, Russlands zweitgrößtem Gaskonzern, an dem Timtschenko ein Viertel hält, fiel indes um zehn Prozent.

Anleger fürchten, dass sich Sanktionen beizeiten auch gegen den russischen Energiesektor richten könnten. Der Preis für Öl der Nordseesorte Brent hat sich gestern um 0,5 Prozent verteuert.

Auch die Bank Rossija, die nur im Inland tätig ist, hat durch die Sanktionen einen schweren Imageschaden erlitten: Rossija rangiert unter den etwa 900 russischen Geldinstituten auf Platz 15.

Die US-Sanktionen werden nun begleitet von der Herabstufung Russlands durch die Ratingagenturen Standard &Poor's und Fitch.

Trotz aller Scherze Putins: Russland rüstet sich. Am Donnerstag haben Finanz- und Wirtschaftsminister Großfirmen ihre Unterstützung zugesagt, sollte sich die Lage verschärfen. Vor allem die systemrelevanten Unternehmern könnten darauf zählen, wiewohl weniger Geld zur Verfügung stehe als zu Beginn der Finanzkrise 2008/2009.

Die Unternehmer wurden auf einem Treffen mit Putin gebeten, die Krim wirtschaftlich am Leben zu halten. Befürchtet wird, dass der Touristenstrom versiegt. Die Unternehmer ihrerseits haben Sorge um ihre Investitionen in der Ukraine. Bedrückt kamen sie aus dem Treffen, berichten russische Medien. „Die Krim ist kein Anlass für Optimismus“, sagte einer der Tycoons.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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