Leitl zerpflückt Russland-Sanktionen

INTERVIEW: WIRTSCHAFTSKAMMER-PRAeSIDENT CHRISTOPH LEITL
INTERVIEW: WIRTSCHAFTSKAMMER-PRAeSIDENT CHRISTOPH LEITLAPA/HERBERT PFARRHOFER
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"Wer miteinander Handel treibt, schlägt sich nicht den Schädel ein", sagt der Wirtschaftskammer-Chef und träumt von einer Freihandelszone mit Russland.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hält Sanktionen gegen Russland für schädlich, weil sie auch den treffen, der sie verhängt. Die Wirtschaft solle nicht zur Fortsetzung des Konflikts missbraucht werden, sondern vielmehr als Bindeglied fungieren, denn "wer miteinander Handel treibt, schlägt sich nicht den Schädel ein", sagte Leit der Austria Presse Agentur.

Wo immer man Sanktionen einsetze, werfe man sich als Land auch selbst aus dem Markt heraus, warnt Leitl: "Wenn Europa die Tür zumacht, macht China auf - wollen wir das?" Mit Sanktionen bekomme man auch die Folgen solcher Maßnahmen zurück und schädige sich selbst. Eine derartige Vorgangsweise wäre daher "nicht klug", obwohl er die Emotionen wegen der Krim-Vorkommnisse verstehe.

"Eine große Freihandelszone"

"Wir sollten nicht im Gegeneinander denken", warnt der WKÖ-Präsident, denn "das war die Dimension des Kalten Krieges. Niemand kann sich wünschen, dass das wiederkommt." Er sehe vielmehr als Zukunftsvision "eine große Freihandelszone zwischen EU, Russland und der Ukraine".

Wenn man sich dazu durchringen könne, "brauchen wir in der globalen Entwicklung China oder andere nicht mehr zu fürchten, weil wir damit das große Know-how Europas mit dem großen Ressourcenreichtum Russlands und vielleicht auch Afrikas zusammenbringen könnten". Dass eine Partnerschaft Europas mit dem vor der Haustür liegenden Afrika nicht einmal diskutiert werde, bedauert Leitl - wie auch die Infragestellung der atlantischen Partnerschaft durch die Europäer.

Die Sanktionen gegen Moskau

Die Amerikaner würden hier viel klüger agieren, nämlich "globale Partnerschaften in alle Himmelsrichtungen" knüpfen. Die USA wollten nicht nur die transatlantische Partnerschaft, sondern arbeiteten gleichzeitig auch an der transpazifischen Partnerschaft und einer speziellen Kooperation mit Lateinamerika - abgesehen vom Freihandelsabkommen NAFTA, das bereits zwischen USA, Kanada und Mexiko besteht. Russland in der Krim-Krise in die Schranken zu weisen, haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel am 6. März einen dreistufigen Sanktionsplan beschlossen. Stufe eins und zwei sind bereits in Kraft, gegen Stufe drei - Wirtschaftssanktionen - gibt es viele Vorbehalte. Ein Überblick:

Gespräche über Visa-Erleichterungen und ein Wirtschaftsabkommen mit Russland werden am 6. März auf Eis gelegt.

Zweite Stufe

Die zweite Sanktionsrunde betrifft Einreiseverbote für russische und ukrainische Verantwortliche in EU-Staaten sowie das Einfrieren ihrer Auslandskonten in der EU. Die EU-Außenminister beschließen dies am 17. März, nachdem das umstrittene Referendum über eine Abspaltung der Krim trotz der Proteste des Westens abgehalten wurde.

Betroffen sind 21 Russen und Ukrainer, die für das Referendum verantwortlich gemacht werden, unter ihnen der Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow und der Befehlshaber der russischen Schwarzmeerflotte, Alexander Witko, sowie Viktor Janukowitsch, der nach Russland geflüchtete ukrainische Ex-Präsident.

Die Sanktionen sind zunächst auf sechs Monate beschränkt, können aber verlängert werden. Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel geht es nach Angaben von Diplomaten um eine Ausweitung der Stufe zwei, also eine Ausdehnung der Sanktionsliste auf weitere Verantwortliche.

Dritte Stufe

Die dritte Stufe beschreibt Folgen "in einer Reihe von Wirtschaftsbereichen", also Wirtschaftssanktionen. Diese sollen verhängt werden, sollte Russland weitere Schritte "zur Destabilisierung der Lage in der Ukraine" unternehmen, also etwa über die Krim hinaus im Osten des Landes militärisch eingreifen.

Angesichts der damit verbundenen weitreichenden Auswirkungen auf die Wirtschaft in der EU könnte der Gipfel die EU-Kommission beauftragen, diese zu analysieren und abzuwägen.

(APA)

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