Türkische Armee fordert Irak-Einmarsch

Türkische Panzer bei einer Übung nahe der irakischen Grenze.
Türkische Panzer bei einer Übung nahe der irakischen Grenze.Reuters
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Die Bevölkerung befürwortet einen Einmarsch. Ministerpräsident Erdogan zögert, das Militär fordert "politische Direktiven."

Die türkische Armee macht Druck auf die Regierung: Fast täglich bekräftigen die Militärs inzwischen ihre Forderung nach einem Einmarsch in den Nordirak, um dort gegen die Stützpunkte der kurdischen PKK-Rebellen vorgehen zu können. In ihrem jüngsten Appell übten die Militärs zudem Kritik an der EU-Reformpolitik - der türkische Nationalstaat sei in Gefahr, hieß es. In einigen Teilen der türkischen Öffentlichkeit wächst allerdings der Widerstand gegen eine Militäraktion in Irak. Ein mächtiger Wirtschaftsverband warnte, eine Intervention könnte das Land in eine neue Krise stürzen.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat bekräftigt, dass eine Militäroperation gegen kurdische Rebellen im Nord-Irak nur mit Zustimmung des Parlaments in Frage kommt. "Wenn grenzüberschreitend etwas unternommen wird, werden wir dies in erster Linie mit den Sicherheitskräften besprechen und dann dem Parlament vorlegen", sagte Erdogan. Einen Termin nannt er aber nicht.

Militär fordert politische Entscheidung

Der Ministerpräsident dementierte damit Berichte über einen angeblichen Einmarsch türkischer Soldaten, die am Mittwochabend aufgekommen waren. Die türkische Armeeführung hat sich wiederholt für einen Militärschlag gegen Lager der illegalen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nachbarland ausgesprochen, dafür aber eine politische Entscheidung gefordert.  

Erdogans Zögern passt den Militärs nicht, wie der zunehmend gereizte Ton ihrer Äußerungen zeigt. Die Armee sei doch keine "Bande von Straßenschlägern", sagte Generalstabschef Yasar Büyükanit jetzt: "Wir brauchen politische Direktiven." Der General fordert seit Mitte April einen Parlamentsbeschluss zur Truppenentsendung.

Elf Soldaten starben im Kampf gegen PKK

Hinter dem Drängen der Armee steht nicht nur die Sorge angesichts der steigenden Verluste im Kampf gegen die Kurdenorganisation PKK - allein in dieser Woche starben elf Soldaten bei Gewaltaktionen der Rebellen im türkischen Südosten. Mit ihren Forderungen verfolgen die Militärs auch das Ziel, Erdogan politisch zu schwächen. Die Armee misstraut dem Ministerpräsidenten wegen seiner angeblichen islamistischen Tendenzen und auch wegen seiner EU-Politik.

Deshalb beschränken sich die Militärs auch nicht mehr auf das Thema Irak allein. In seiner jüngsten Stellungnahme geißelte der Generalstab jene "Personen und Institutionen" im In- und Ausland, die mit Hilfe von Schlagwörtern wie Frieden, Freiheit und Demokratie die PKK schützen würden. "Unsere Nation muss sich dieser Gefahr bewusst sein", erklärten die Militärs. Generalstabschef Büyükanit hatte schon bei früheren Gelegenheiten die Forderungen der EU und der EU-Anhänger etwa beim Minderheitenschutz als Versuche gewertet, die Türkei zu teilen. Zudem wirft die Armee einigen EU-Ländern vor, der PKK zu helfen.

Bevölkerung für, Wirtschaft gegen Einmarsch

Der Appell der Militärs an die nationalistischen Reflexe der Türken zeigt Wirkung. In der Umfrage einer türkischen Nachrichten-Website sprachen sich drei Viertel aller Teilnehmer für einen Einmarsch in den Irak aus. Man muss allerdings berücksichtigen, dass eine solche Internet-Abfrage alles andere als repräsentativ ist.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Der Industriellenverband TÜSIAD wies am Freitag darauf hin, dass ein Einmarsch der Türkei im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen kommen könnte. "Ich hoffe nicht, dass die Türkei in eine solche Lage gebracht wird", sagte TÜSIAD-Chefin Arzuhan Dogan-Yalcindag. Der türkische Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre basierte nicht zuletzt auf politischer Stabilität - außenpolitische Abenteuer mit ernsthaften Spannungen zwischen der Türkei und den USA, die im Falle eines Irak-Einmarsches zu erwarten wären, würden diese Stabilität zunichte machen, befürchten türkische Unternehmer.

Ob sich die Armee von solchen Überlegungen beeindrucken lässt, ist nicht sicher. Die Generäle haben in den vergangenen Wochen Panzerverbände und andere Truppen an die irakische Grenze verlegt, einige Gebiete in unmittelbarer Grenznähe wurden sogar bereits zu "Sicherheitszonen" erklärt. Am Freitag wurden zudem neue Gefechte zwischen der Armee und der PKK im türkischen Südosten gemeldet. Der Druck auf Erdogan wird mit jedem toten Soldaten größer.

(APA/Red.)

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