Bei Waffenexporten ist Russland Weltmacht – und nicht zimperlich

Nur die USA verkaufen als einzelner Staat mehr Rüstungsgüter als Russland. Hauptkunden Moskaus sind China und Indien, aber auch Iran und Hisbollah.

MOSKAU. Putins Mann für heikle Geschäfte im weltweiten Waffenhandel ist Sergej Tschemesow. Über den Schreibtisch des Generaldirektors der russischen Staatsholding Rosoboronexport (etwa: Russischer Rüstungsexport) gehen alle Rüstungsexportverträge des Kreml. Ohne Tschemesows Signatur läuft nichts.

Vieles verbindet Tschemesow mit dem russischen Präsidenten. Er wurde, wie Putin, 1952 geboren, diente beim KGB, arbeitete als Spion in Dresden und war Putins Stellvertreter, als der Mitte der Neunzigerjahre als Kremlbeamter für Außenwirtschaftsgeschäfte zuständig war.

Seit dem 1. März dieses Jahres hat Tschemesow so viel Macht wie nie zuvor inne. Per Präsidenten-Ukas erhielt Rosoboronexport das Exportmonopol für alle russischen Rüstungsgüter. Nebenher übernahm Rosoboronexport noch Russlands größten Automobilproduzenten AvtoVAZ (Lada), der mit dem austro-kanadischen Automobilzulieferer Magna künftig Kleinwagen fertigen will, und sicherte sich den vormals privaten Titanproduzenten VSMPO Avisma.

Volle Auftragsbücher

Russland exportierte 2006 Waffen im Wert von 6,626 Mrd. Dollar. Damit sind Waffen hinter Öl, Gas, Stahl und Holz die wichtigsten Exportgüter. Rosoboronexport vertritt auf den Weltmärkten mehr als 700 russische Rüstungsproduzenten und hat nach eigenen Angaben Aufträge über 21 Mrd. Dollar in den Büchern stehen.

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri führt auf 24 eng bedruckten Seiten Russlands Exportgeschäfte von 1997 bis 2006 auf. Die Liste der Abnehmer reicht von Algerien bis Vietnam. Die Top 5 der Kundenliste von 1997 bis 2006 lautet: China (20,8 Mrd. Dollar), Indien (11,1 Mrd. Dollar), Iran (3,4 Mrd. Dollar), Algerien (1,37 Mrd. Dollar), Vietnam (1,27 Mrd. Dollar).

Bei der Wahl der Kunden ist der Staatskonzern nicht zimperlich. Raketenabwehrsysteme werden nach Syrien und Iran verkauft, Kampfjets nach Algerien, Kalaschnikows nach Venezuela, Helikopter in den Sudan. Auch die Terrororganisation Hisbollah kann sich auf russische Waffensysteme verlassen – auch wenn die über syrische Kanäle ausgeliefert werden.

Die USA verhängten im vergangenen Jahr gleich zweimal Sanktionen gegen russische Rüstungsproduzenten und Rosoboronexport, weil angeblich Staaten auf der „Achse des Bösen“ beliefert wurden.

Tschemesow weist solche Vorwürfe weit von sich, betont, dass sich Russland an alle international gültigen Gesetze halte. Moralische Skrupel scheint Putins Rüstungsmanager dennoch nicht zu kennen. „Wenn wir keine Waffen mehr exportieren, würde es jemand anders machen.“

Das sieht man auch an den (oft allerdings nur geschätzten) Exportzahlen, die die Leute von Sipri regelmäßig veröffentlichen: Russland rangiert hinter den USA auf Rang 2. Von 2000, also Putins Amtsantritt, bis 2006 exportierte Russland Waffensysteme im Wert von 40,534 Mrd. Dollar (USA: 45,438 Mrd. Dollar); im Zeitraum 2000-04 war Russland laut Sipri allerdings noch knapp vor den USA gelegen. Führte Russland im Jahr 2000 Waffen im Wert von gerade einmal 4,1 Mrd. Dollar aus, dürften es in diesem Jahr Waffensysteme für sieben Mrd. Dollar werden.

Hatte Russland bisher das Gros seiner Rüstungsexporterlöse mit Fluggerät verdient – mit Jets und Hubschraubern etwa von MiG und Suchoj – , werden nun Schiffe und U-Boote immer wichtiger. Ein aktueller „Hit“ sind auch Luftabwehrraketen wie die SA-10 „Grumble“. Damit will etwa der Iran seine Atomanlagen schützen.

Putin leitet Modernisierung ein

Russlands Waffen gelten als robust und einfach zu bedienen, sind aber nicht immer auf dem letzten Stand. So hinkt Russland etwa bei der Entwicklung von lasergestützten Waffensystemen und Cruise Missiles, wie sie in der modernen Kriegführung zum Einsatz kommen, hinterher. Das soll sich ändern: Putin hat die Modernisierung des Rüstungssektors zur nationalen Aufgabe erklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2007)

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