Türkei: Buchstaben-Reform für kurdische Minderheit

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Erdogan kündigt mehr Rechte für Kurden an.

ISTANBUL. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat sich überraschend für mehr Rechte für die kurdische Minderheit im Land ausgesprochen. Die Regierung will offenbar guten Willen zeigen, um der radikalen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) die Unterstützung in den eigenen Reihen abzugraben.

Als eine erste symbolische Geste soll für die kurdische Minderheit das Verbot der im Kurdischen gebrauchten Buchstaben q, w, x aufgehoben werden. Das berichtete die Zeitung „Today's Zaman“. Bei seiner großen Schriftreform von 1928 hatte der Republikgründer Kemal Atatürk festlegen lassen, mit welchen Buchstaben Türkisch in Zukunft geschrieben werden sollte und alle übrigen verboten.

Obwohl das Verbot eigentlich nur für das Türkische gedacht war und die alte, aus dem Arabischen abgeleitete osmanische Schrift verdrängen sollte, wird es heute von der Justiz auch als Mittel zur Unterdrückung des Kurdischen gebraucht. Jüngstes Beispiel ist ein Brief eines Kurden an den Premierminister in Kurdisch, der zu mehreren Strafverfahren führte, wobei die Anklagebehörden auch die falschen Buchstaben für strafwürdig befanden.

Nun ist eine Meldung über Pläne der Regierung in einer fast nur von Ausländern gelesenen Zeitung „Today's Zaman“, noch kein sicherer Hinweis darauf, dass diese Reform auch kommt. Premier Erdogan hat zwar die Bereitschaft zu einer Lösung der Kurdenfrage angedeutet und die amerikanische Außenministerin von seinen umfassenden Plänen informiert, sich wirklich festgelegt hat sich der Regierungschef noch nicht.

Kulturelle Zugeständnisse

Andererseits gibt es noch mehr Hinweise darauf, dass man sich im Staatsapparat Gedanken zur Kurdenfrage macht. Fikret Bila, ein erfahrener Journalist mit viel Erfahrung und besten Kontakten kam etwa auf den Einfall, die ehemaligen Kommandanten der türkischen Streitkräfte zu befragen. Und siehe da, sie alle meinten mehr oder weniger, dass man den Kurden auch kulturelle Zugeständnisse machen müsse. Zugleich bemüht sich die Türkei, um bei europäischen Banken einen Kredit über zehn Milliarden Euro zur Fertigstellung der großen Bewässerungs- und Infrastrukturprojekte im kurdischen Südosten zu bekommen. Das so genannte GAP-Projekt diente mit seinen Staudämmen bisher fast ausschließlich der Stromerzeugung für den Westen der Türkei, nun sollen die Investitionen auch der lokalen Bevölkerung zu gute kommen.

Dahinter wird eine gewisse Logik sichtbar, mit Investitionen und gleichzeitig einigen kulturellen Zugeständnissen sollen die Kurden gewonnen werden. Indem Erdogan hart gegen die PKK und ihre Sympathisanten auftritt, kommt er aber auch in die Lage dessen, der Reformen machen kann, die vorher nicht möglich waren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2007)

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