Frankreichs Außenminister hält Militär-Option offen

Mit Mandat von UN oder Afrikanischer Union könnte Paris eingreifen. Furcht vor Flächenbrand wächst.

PARIS. Eigentlich war Außenminister Bernard Kouchner zum Flugplatz Paris-Roissy gekommen, um Landsleute zu empfangen, die zusammen mit vielen anderen Europäern aus dem Tschad gebracht worden waren. Doch die Flüchtlinge, die oft ihre ganze Habe in N'Djamena zurücklassen mussten und gerade ihr nacktes Leben retten konnten, verlangten plötzlich von ihm Auskunft über Frankreichs Position im Tschad-Konflikt: Warum hatten die 1200 französischen Soldaten des "Epervier"- (Sperber) Kontingents mit ihren modernen Waffen nicht interveniert, wie schon früher?

Viele kritisierten auch, dass Frankreich mit Präsident Idriss Déby zu lange einen Diktator unterstützt habe. Paris aber ist der Meinung, dass man recht gehandelt habe, indem der Umsturzversuch zwar verurteilt wurde, man den Militäreinsatz aber auf den Schutz der Franzosen und anderer Europäer im Tschad begrenzte.

Die Entwicklung an der Front schien dieser passiven Parteinahme für Déby am Montag Recht zu geben. An den von Paris gewünschten Gesprächen über einen Waffenstillstand und ein "Arrangement" zeigten indes weder Déby noch die Rebellen Interesse.

Frankreich könnte aber seine Haltung ändern, mahnte Kouchner am Montag: "Wir sind bisher nicht in diesen Krieg verwickelt. Und daran ändert sich gegenwärtig nichts. Falls aber eine Resolution des UN-Sicherheitsrates oder die Versammlung der Afrikanischen Union etwas anderes vorschlägt, werden wir weitersehen."

Kouchners Regierungskollege, Verteidigungsminister Hervé Morin, hat in einem Interview versichert, Frankreich stehe zu seinen Verpflichtungen. Vorderhand würden die französischen Soldaten nur zur Notwehr oder zum Schutz von Ausländern von der Waffe Gebrauch machen. Priorität seiner Regierung sei es, ein Blutbad zu vermeiden. Im Rahmen militärischer Abkommen oder eines UN-Mandats könne Frankreich aber intervenieren, um "die Integrität Tschads zu verteidigen".

Sudans Armee verwickelt?

Auf französischen Antrag hatte in der Nacht auf Montag der Sicherheitsrat über den Tschad diskutiert, ohne sich auf eine Haltung einigen zu können. Paris fürchtet, dass sich der Bürgerkrieg zum Krieg zwischen Tschad und Sudan ausweitet: Nach unbestätigten Meldungen hätten sich sudanesische Militärs an einem Angriff von Rebellen auf den tschadischen Grenzort Adré beteiligt.

Der tschadische Außenminister Amad Allam drohte in einer von Radio France International in Addis Abeba aufgezeichneten Stellungnahme: "Wenn es die Sicherheit und die Verteidigung unserer Souveränität erfordert, gehen wir (bei der Verfolgung der Rebellen, Anm.) bis in den Sudan."

Diese Eskalation werde den Einsatz der Eufor zum Schutz der Darfur-Flüchtlinge verunmöglichen und Frankreichs Afrika-Politik diskreditieren, kommentiert die Zeitung "Le Figaro": Paris habe lange seine Gunst gegenüber dem Regime von Déby mit der strategischen Bedeutung des Tschad begründet. Falls nun dessen Regierung stürze, könnte sich das Chaos vom Sudan aus auch auf Nachbarländer wie den Niger, auf Mali und Kamerun ausweiten. Schon in Kolonialzeiten hätten Frankreichs Militärstrategen gelernt: "Tschad ist der Riegel Afrikas."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2008)

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