Kubis: „Soll internationales Recht nur gelten, wenn es uns gefällt?“

(c) EPA (Berhhard J. Holzner)
  • Drucken

Der slowakische Chefdiplomat Kubis über Kosovo und den Streit mit Ungarn.

Die Presse: Hatten Sie im Sommer 2006 beim Regierungseintritt keine Angst, sich als international angesehener Diplomat auf so ein Karriere-Risiko einzulassen? Es war ja klar, dass die Koalition aus Robert Ficos Linkspartei Smer mit zwei Rechtsparteien auf heftige internationale Kritik stoßen würde.

Ján Kubis: Ich bin gerade deshalb dieser Regierung beigetreten, um mitzuhelfen, dass ihre Beurteilung vom Kopf auf die Füße gestellt und Missverständnisse ausgeräumt werden. Denn ich habe von Anfang an gewusst, dass sie ein ganz normales europäisches, demokratisches Regierungsprogramm hatte. Die Zweifel kamen daher, dass die Partei Smer noch keine Regierungserfahrung hatte und die anderen beiden Parteien einen schlechten Ruf mitbrachten. (Anm.: In den 90er-Jahren verweigerten EU und Nato der Slowakei die Aufnahme, solange die Partei des damaligen Premiers Vladimir Meciar und die vom berüchtigten nationalistischen Provokateur Ján Slota geführte Nationalpartei regierten. Beide sind jetzt Ficos Juniorpartner.) Das verursachte gewisse Klischee-Erwartungen. Aber auch Herr Meciar ist inzwischen ein absoluter Pro-Europäer, der er in der Vergangenheit nicht war.

Womit in Ihrer Arbeit sind Sie nicht zufrieden?

Kubi?: Dass es in den Beziehungen zwischen Ungarn und der Slowakei noch immer nicht die erhofften Fortschritte gibt, kränkt mich. Dazu hat aber lange auch der gute Wille auf der ungarischen Seite gefehlt. Erst jetzt, da sich die ungarischen Partner über die Gefahren ihres inländischen Extremismus und Nationalismus klar werden, sind die Fortschritte in unseren politischen Beziehungen auch von ihnen wirklich gewollt.

International wurden lange die Slowaken als Hauptschuldiger wahrgenommen. Was hat die slowakische Diplomatie versäumt, wenn Großungarn-Schwärmereien weniger Aufruhr bewirken als jeder noch so vage Eindruck einer Benachteiligung der ungarischen Minderheit in der Slowakei?

Kubis: Solange wir in der Slowakei Politiker wie Ján Slota mit einer solchen unakzeptablen und beleidigenden Haltung und Rhetorik gegenüber den ungarischen Mitbürgern haben, werden wir immer Probleme im Ausland und im Inland haben. Aber wenn Sie von Slotas Äußerungen absehen, dann sehen Sie, dass die Slowakei keinen Anlass zur Sorge bietet.

Dafür genügt ein Blick auf unsere wirtschaftliche Entwicklung: Soeben sind wir der Eurozone beigetreten, 2009 werden wir neuerlich die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der EU sein. Und während sich 2008 das Rating vieler anderer Länder verschlechtert hat, wurden wir weiter aufgewertet. Zur politischen Stabilität kommen die sozialen Programme gerade dieser Regierung. Als Partner in EU und Nato sind wir absolut verlässlich, engagieren uns in Friedensmissionen, etwa in Afghanistan.

Nur beim Thema Kosovo schert die Slowakei aus der EU-Linie aus. Liegt das an der Furcht vor einem Präzedenzfall für das Gebiet der ungarischen Minderheit?

Kubis: Das wäre eine grobe Vereinfachung. Man darf zwar die äußerst beunruhigenden Äußerungen einzelner ungarischer Politiker, dass das Beispiel Kosovo als Inspiration für andere Minderheiten dienen sollte, nicht überhören. Aber unsere Position beruht auf einer prinzipielleren Frage: Soll das internationale Recht bezüglich Souveränität und territorialer Integrität der Staaten respektiert werden, so dass eine Veränderung nur auf politischem Wege mit beiderseitiger Zustimmung erfolgen kann, oder soll das nur dann gelten, wenn es uns gerade gefällt?

Innerhalb der EU sind wir zwar in der Minderheit, aber weltweit sind die Staaten in der Mehrheit, die die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht anerkannt haben. Denn viele Länder in Asien und Afrika sind davon sehr beunruhigt.

Es ist wenig bekannt, dass die Slowakei eine sehr aktive Rolle in der Ukraine und in Weißrussland spielt. So fungiert etwa die slowakische Botschaft in Kiew zugleich als Nato-Kontaktstelle im Zuge der Vertiefung der Kooperation zwischen Nato und Ukraine. Warum gilt Ihr Land dort trotz seiner oft sehr scharfen offiziellen Stellungnahmen zu innenpolitischen Entwicklungen als bevorzugter Partner?

Kubis: Dass unsere Rolle als Kontaktbotschaft in Kiew um weitere zwei Jahre verlängert wird, war ausdrücklicher Wunsch der ukrainischen Partner. In Weißrussland fungierten wir erstmals als lokales EU-Vorsitzland während der portugiesischen EU-Präsidentschaft (Anm.: Portugal hat keine Botschaft in Minsk). Die Ukraine sieht uns als Freund, der nicht gefährlich ist.

Zu unserer Glaubwürdigkeit gehört aber auch eine klare Sprache, wenn eine Entwicklung aus unserer Sicht nicht akzeptabel ist. Deshalb und wegen unserer zum Teil ähnlichen Erfahrungen fragt man uns auch in Weißrussland um Rat, wenn es um die Annäherung an EU und Nato geht. Unsere Ratschläge sind zwar die gleichen, die auch andere geben, und sie betreffen die gleichen Themen: Umgang mit der Opposition und mit Nichtregierungsorganisationen, Organisation von Wahlen, Investitionsklima und mehr Transparenz. Aber wir wirken dabei nicht belehrend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.