"So mir Gott helfe": Obama ist US-Präsident

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Mit Vorschuss-Lorbeeren und hohen Erwartungen startet der neue Präsident ins Amt. Die Krise scheint wie weggefegt.

Zu High Noon, zur Mittagszeit, stand die Zeit still, wie festgefroren an diesem kalten Wintertag, als nicht nur die USA, sondern die ganze Welt auf die Zeremonie unterhalb der mächtigen Kuppel des Kapitols in Washington fixiert war. Pünktlich zu Mittag legte Barack Obama die eine Hand auf die Bibel, hob die andere zum Schwur, um die Eidesformel zu sprechen. Und wie die meisten seiner Vorgänger fügte er den Zusatz an: „So wahr mir Gott helfe.“

»"Ich, Barack Hussein Obama, schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich verwalten und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften erhalten, schützen und verteidigen will. So mir Gott helfe."«

Barack Obamas Amtseid

Das Meer an Menschen, das sich unterhalb des Kapitols entlang der Mall erstreckte und sich in der Innenstadt verästelte, brach umgehend in frenetische Ovationen aus, und viele überkam die Rührung – vor allem Afroamerikaner, in denen die Erinnerung an die Zeit der Rassentrennung noch nachwirkt. Überall standen Grüppchen von Schwarzen in freudiger Erwartung tanzend und winkend zusammen, eine Frau hatte die Namen ihrer Vorfahren auf ihre Jacke geheftet.

Feierstunde für Black America

Einige Dutzend Unverdrossene hatten in der Nacht das vorübergehende Obama-Domizil belagert, Gegner von George W. Bush schleuderten als Zeichen ihrer Verachtung Schuhe über die Gitter auf den Rasen des Weißen Hauses. Im Morgengrauen haben sich dann Zehntausende in ausgelassener und feierlicher Stimmung in Bewegung gesetzt, um sich die besten Plätze zu sichern. Aus allen Teilen des Landes, aus Florida, Kalifornien und Hawaii, waren sie in den Hauptstadt geströmt, die an diesem Feiertag der US-Demokratie schier überging. Ganz Washington war auf den Beinen. Über der Mall knatterten Hubschrauber, die Sirenen der Polizeiautos heulten durch die Straßen, an allen Ecken flackerte Blaulicht.

Auf der Ehrentribüne hatte sich alles versammelt, was Rang und Namen hat in der US-Politik und in der Showbranche. Unter all den Pop- und Hollywoodstars, die Obamas Wahlkampf mit Spenden aufgepäppelt hatten, bekam auch der aktuellste Held des Landes einen VIP-Sitz zugewiesen: Chesley Sullenberger, der Pilot, der seine Maschine in einer Notlandung kühn in den Hudson setzte.

Die Angelobung Barack Obamas zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika war nicht nur für „Black America“ eine historische Stunde. „Das ist unser Moment, das ist unsere Zeit“, hatte Obama im Wahlkampf ein ums andere Mal getrommelt. „Wir sind die, auf die wir gewartet haben“, postulierte er hochfahrend.

(c) EPA (Justin Lane)

Beginn einer neuen Ära

Mit großem Brimborium, mit einem für diesen Anlass geschaffenen Gedicht und einer Komposition, zelebrierte die Nation die Amtsübernahme des 47-Jährigen mit dem „komischen Namen“, wie er selbst formulierte: das Kind eines Kenianers und einer weißen Amerikanerin, aufgewachsen in Hawaii und Indonesien. Geschätzte drei Millionen Menschen in Washington und Abermillionen an den TV-Schirmen verfolgten eine pompöse Inszenierung nach US-Machart, die einer perfekt orchestrierte Choreografie folgte.

Der Stabwechsel im Weißen Haus markiert nicht nur einen Generationenwechsel, sondern auch den Beginn einer neuen Ära, die aufgeladen ist von Hoffnungen und hochfliegenden Erwartungen – und die Obama im Wahlkampf selbst messianisch geschürt hat, nur um den Ton nach der Wahl angesichts der Problemhürden demonstrativ zurückzudrehen.

Vor zwei Jahren hatte seine Reise ins Weiße Haus begonnen, als er während seines Weihnachtsurlaubs auf Hawaii den Entschluss fasste, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Die Ausgangslage war geprägt vom moralischen Bankrott eines Landes, das nach grundlegenden Reformen hungerte, das freilich weit entfernt war vom Finanzfiasko der Gegenwart.

Tagcloud: Je größer ein Wort geschrieben ist, desto öfter erwähnte es Barack Obama in seiner Amtsantrittsrede.

Obama hatte nichts zu verlieren, Hillary Clinton ging aufseiten der Demokraten als klare Favoritin ins Rennen. In einem wahren Marathon verkündete er seine Botschaft von Wandel und Hoffnung. Getragen von einer Welle der Euphorie, zwang er zuerst Clinton in die Knie und danach auch seinen republikanischen Gegenkandidaten John McCain. Während der Übergangsphase vor seinem Amtsantritt hat er die Vorschusslorbeeren weitgehend bestätigt.

Nach der Inauguration geleiteten Dutzende Blasmusikkapellen den Präsidenten in einer zum Triumphmarsch umfunktionierten Parade zu seinem neuen Arbeitsplatz. Am Abend beehrte er einige der zahllosen Bälle und Partys.

Die Sperrstunde war aufgehoben, bis hinein in den frühen Morgen feierte Washington die Amtsübernahme, bevor für Barack Obama das harte Regierungsgeschäft begann und die Realität die Nation aus dem Taumel riss. Die USA wachten im Krisenkater auf.

HINTERGRUND

Aufgebot an Sicherheitskräften in Washington, D.C.: 4000 Washingtoner Polizisten, 4000 Polizisten aus anderen Teilen der USA, tausende Soldaten der Nationalgarde sowie 5000 weitere Armeeangehörige waren für die Sicherung der Inaugurationsfeier abgestellt. Die Hauptverantwortung für die Sicherheit des Präsidenten liegt beim Secret Service.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2009)

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