„Wir zählen auf Österreichs Engagement in Afrika“

Tekeda Alemu, Staatsminister in Äthiopiens Außenamt, fordert mehr westliche Hilfe für die Afrika-Truppe in Somalia. Es sei zu spät, immer erst dann Soldaten zu schicken, wenn es bereits Frieden gebe.

Die Presse: Äthiopiens Truppen sind aus Somalia abgezogen, und islamistische Milizen rücken vor. Wie erfolgreich war Äthiopiens zweijährige Militäraktion in Somalia?

Tekeda Alemu: Vor zwei Jahren war die Lage in Somalia eine Gefahr für unsere nationale Sicherheit. Die Extremisten hatten fast jeden Tag zum Dschihad gegen Äthiopien aufgerufen. Sie dachten, wir seien schwach. Doch nun müssen sie zur Überzeugung gelangt sein, dass Äthiopien die Kapazität hat, sich zu schützen. Die Gefahr für unsere nationale Sicherheit haben wir eingedämmt. Das ist das wichtigste Ergebnis unseres Einsatzes.
Wir wollten auch der Übergangsregierung in Somalia helfen. Aber es gab ein Führungsproblem innerhalb dieser Regierung, deshalb haben wir dieses Ziel nicht voll erreicht. Doch Somalia ist nicht unser Land. Somalias Probleme zu lösen, liegt in der Verantwortung der somalischen Politiker.

Die Presse: Sie sagten richtig: „Somalia ist nicht unser Land“. War nicht ein Problem der äthiopischen Militärmission, dass viele Somalis keine fremden Truppen im Land haben wollten?

Alemu: Das wurde übertrieben. Kein Zweifel: Einige Teile der somalischen Gesellschaft waren nicht erfreut – vor allem die, die dachten, dass unsere Präsenz nicht ihren Interessen dient. Doch der Großteil der Bevölkerung wusste unseren Einsatz zu schätzen. Warum haben uns sonst so viele Menschen gebeten, nicht abzuziehen? Aber natürlich: Es ist normal, dass die Somalis nicht sehr glücklich darüber waren, die Hilfe eines anderen Staates zu brauchen, um die Lage in ihrem Land zu stabilisieren.

Die Presse: Wie kann Somalia Frieden gebracht werden?

Alemu: Durch die Bereitschaft aller Somalis zur nationalen Versöhnung. Und durch mehr Engagement der internationalen Gemeinschaft. Die Unterstützung, die Somalia bisher erhalten hat, war sehr gering – verglichen mit dem, was die internationale Gemeinschaft für andere Länder in Konfliktsituationen getan hat.

Die Presse: Denken Sie dabei auch an eine internationale Friedenstruppe mit der Beteiligung westlicher Länder?

Alemu: Ja. Es herrscht die Tendenz, erst dann UN-Truppen zu entsenden, wenn es einen Frieden gibt, den man sichern kann. Das ist kein sehr hilfreicher Zugang.
Nun wurde endlich eine Resolution für eine UN-Operation ab Juni verabschiedet, um den Soldaten der Afrikanischen Union zu helfen. Das ist ein Wandel zum Besseren – ob im erwünschten Ausmaß, wird sich erst zeigen. Der UN-Generalsekretär will im April einen Bericht darüber vorlegen, wie die Untersützung der UNO für Somalia aussehen könnte.

Die Presse: Ein Problem, das den westlichen Staaten großes Kopfzerbrechen bereitet, sind die  Piratenüberfälle vor der Küste Somalias. Wie kann dieses Problem angegangen werden?

Alemu: Die Piraterie ist nur ein Symptom für die Krise in Somalia. Bevor in Somalia nicht Frieden und Stabilität hergestellt worden sind und es eine handlungsfähige Regierung gibt, wird man nur schwer eine langfristige Lösung für das Piratenproblem finden.

Die Presse: Was erwarten Sie von Österreich?

Alemu: Österreich trägt als Mitglied des UN-Sicherheitsrats große Verantwortung. Wir zählen auf Österreichs Engagement bei der Lösung der Konflikte in Afrika. Österreich könnte dabei eine noch aktivere Rolle spielen, denn es war nie Kolonialmacht und genießt in Afrika deshalb großes Vertrauen. Äthiopien und andere afrikanische Länder haben Österreich bei der Wahl in den Sicherheitsrat unterstützt.

Die Presse: Vor welchen Herausforderungen steht Äthiopien in den kommenden Jahren?

Alemu: Außenpolitisch trachten wir danach, dass in unserer Nachbarschaft Frieden und Stabilität einkehren. Es gilt, den Konflikt in Somalia endlich zu beenden. Und wir hoffen, die Probleme mit unserem Nachbarland Eritrea bald lösen zu können. Dazu kommen die Konflikte im Sudan – zwischen dem Norden und dem Süden des Landes und in Darfur. Um zu einer Lösung beizutragen stellt Äthiopien auch Soldaten für die UN-Truppe in Darfur.
Innenpolitisch müssen mit unserem Wirtschaftsprogramm fortfahren und natürlich den  Demokratisierungsprozess stärken. Der ist wichtig, um unsere sehr vielfältige Gesellschaft zusammenhalten.

Die Presse: Es gibt aber internationale Kritik daran, dass Äthiopien nun Oppositionspolitiker wie Frau Bertukan Mideksa ins Gefängnis geworfen hat.

Alemu: Sie wurde gemeinsam mit anderen Personen der Opposition begnadigt, nun aber ins Gefängnis zurückgeschickt, weil sie gegen ihre Auflagen für die Begnadigung verstoßen hat. Rechtsstaatlichkeit ist sehr wichtig für die Demokratisierung unseres Landes. Aber Frau Bertukan Mideksa hat versucht, diese Rechtsstaatlichkeit zu unterminieren. Sie hat gegen das Gesetz verstoßen.

Die Presse: Inweifern hat sie gegen das Gesetz verstoßen? Warum war sie überhaupt im Gefängnis?

Alemu:  Sie wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Diese Strafe wurde aufgehoben, nachdem sie um eine Begnadigung angesucht hatte. Die Begnadigung erfolgte aber unter der Bedingung, dass sie und ihre Kollegen nun das Gesetz respektieren. Sie hat aber abgestritten, dass sie um Begnadigung angesucht hat. Und damit hat sie das Gesetz verletzt. Deshbalb tritt die Haftstrafe, die aufgehoben worden war, jetzt in Kraft.

Die Presse: Aber warum war die Oppositionspolitikerin überhaupt verurteilt worden?

Alemu: Das Verbrechen war die Beteiligung an Gewalt und Aufruf zur Gewalt während der Wahlen 2005.

Die Presse: Gerade Äthiopien ist auf ausländische Unterstützung angewiesen. Fürchten Sie deshalb negative Auswirkungen durch die internationale Wirtschaftskrise?

Alemu: Natürlich sind auch wir von der Wirtschaftskrise betroffen. Da unser Finanzsektor nicht voll in das internationale Finanzsystem integriert ist, sind die Auswirkungen in diesem Bereich nicht so groß. Aber wir sind von den Märkten in Europa und Nordamerika abhängig. Wenn es einen wirtschaftlichen Abschwung in diesen Ländern gibt, sind wir natürlich davon betroffen. Denn dann wird es schwieriger, unsere Exportprodukte in diese Länder abzusetzen. Ein Konjunkturabschwung im Westen könnte auch zu einem Rückgang der ausländischen Investitionen führen, die wir für unsere Entwicklung dringend benötigen. Und mit der Wirtschaftskrise sinkt die Kapazität der äthiopischen Diaspora in Nordamerika und Europa, Geld an die Verwandten in Äthiopien zu schicken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2009)

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