Der US-Außenminister plant Abflug am Nachmittag. Die Frist für ein Abkommen mit dem Iran wird bis Ende Juni 2015 verlängert.
Die Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm werden erneut verlängert. Der britische Außenminister Philip Hammond erklärte am Montag in Wien, es sei nicht möglich gewesen, bis zum Ablauf der Frist am 24. November eine Einigung zu erzielen. Daher werde die Deadline bis zum 30. Juni 2015 verlängert.
Trotz intensiver Verhandlungen gelang es der Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands erneut nicht, mit dem Iran ein dauerhaftes Abkommen zum iranischen Atomprogramm zu schließen.
Der Iran werde monatlich 700 Millionen Dollar (rund 560 Millionen Euro) aus seinen eingefrorenen Guthaben zur Verfügung gestellt bekommen, ergänzte Hammond. Nach Angaben eines westlichen Diplomaten soll nun bis zum 1. März 2015 ein politisches Abkommen ausgehandelt werden. Der dazugehörige Anhang mit sämtlichen technischen Detailregelungen soll demnach voraussichtlich bis zum 1. Juli 2015 stehen.
Nächstes Treffen im Dezember
Die Außenminister der fünf UN-Vetomächte USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschlands waren in Wien mit dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif zusammengekommen. Angesichts der Blockade bei den vorbereitenden Gesprächen war bereits am Sonntagabend über eine Verlängerung der Frist für ein endgültiges Abkommen diskutiert worden. Die beiden größten Streitpunkte waren die Urananreicherung und die westlichen Sanktionen gegen Teheran.
Ein westlicher Diplomat sagte am Montag, es seien weitere Expertengespräche sowie ein erneutes Treffen der Verhandlungsteams im Dezember an einem noch festzulegenden Ort geplant. US-Außenminister John Kerry wollte bereits gegen 17 Uhr abreisen.
Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow sind "substanzielle Fortschritte" erzielt worden. Allerdings sei es nicht möglich gewesen, bis zum Ablauf der Frist am 24. November eine Einigung über ein endgültiges Abkommen zu erzielen, sagte Lawrow am Montag in Wien gegenüber dem russischen Fernsehen. Er erwarte, dass der Iran und die 5+1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) sich in drei oder vier Monaten auf "grundlegende Prinzipien" eines endgültigen Abkommens verständigen können.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bedauerte in Wien, dass trotz des großen "Momentums" bei den Verhandlungen mit dem Iran und "einiger neuer Ideen" keine Einigung erzielt werden konnte. Die Gespräche sollen nun höchstens "einige Monate" fortgesetzt werden, so Steinmeier.
Verschärfte Kontrollen
Die Verhandlungen basieren auf dem Genfer Interimsabkommen vom 24. November 2013 und sollten ursprünglich bereits am 20. Juli 2014 zum Abschluss geführt werden. Angesichts bleibender Differenzen einigten sich beide Seiten damals aber, die Gespräche um vier Monate bis zum 24. November zu verlängern.
Das nun weiter geltende Interimsabkommen sieht im Gegenzug für eine Lockerung der Handels- und Finanzsanktionen das Einfrieren des iranischen Atomprogramms und verschärfte Kontrollen vor. Ein dauerhaftes Abkommen soll dem Iran die friedliche Nutzung der Atomtechnologie erlauben, zugleich aber verhindern, dass er in kurzer Zeit Atomwaffen entwickelt. Im Gegenzug für Zugeständnisse Teherans sollen die Sanktionen aufgehoben werden, die im Iran eine Wirtschaftskrise ausgelöst haben.
Nachdem am Montag auch die Außenminister Russlands und Chinas, Sergej Lawrow und Wang Yi, in Wien eingetroffen waren, versammelten sich am Mittag sämtliche Außenminister der 5+1-Gruppe mit ihrem iranischen Kollegen Zarif. In den letzten Tagen hatten beide Seiten ihren Willen zur Einigung hervorgehoben, aber zugleich von der jeweils anderen Seite mehr Zugeständnisse gefordert, um einen Kompromiss zu erreichen.
US-Präsident Barack Obama sagte am Sonntagabend in einem ABC-Interview, ein Abkommen könnte einen Prozess in Gang setzen, durch den "sich nicht nur die Beziehung zwischen dem Iran und uns zu verändern beginnt, sondern auch die Beziehung zwischen dem Iran und der Welt und der Region". Insbesondere könnte ein Abkommen eine regionale Kooperation gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und Syrien ermöglichen.
Die Streitpunkte
Der Streit um das Atomprogramm des Irans schwelt seit rund zwölf Jahren. Das sind die Streitpunkte:
URANANREICHERUNG: Die UN-Vetomächte wollen die Fähigkeit des Irans zur Anreicherung von Uran deckeln, um Teheran den Weg zu einer Atomwaffe zu versperren. Teheran besteht auf einer zivilen Nutzung der Kernkraft mit entsprechend vielen Zentrifugen, die zur Herstellung des Brennstoffs nötig sind. Für Kernbrennstoff muss Uran deutlich niedriger angereichert werden als für Atombomben.
ZENTRIFUGEN: Der Iran hat derzeit 20.000 Zentrifugen zur Urananreicherung; davon sind rund 10.000 in Betrieb. Die meisten sind älter und nicht so leistungsfähig. Der Iran will deutlich mehr Zentrifugen installieren. Der Westen dagegen besteht auf einer möglichst geringen Zahl.
ARAK: Der Schwerwasserreaktor Arak in Mitteliran würde nach einer Inbetriebnahme Plutonium produzieren, das zum Bau von Atombomben dienen könnte. Deshalb forderte der Westen, den Reaktor zu schließen oder zu einem Leichtwasserreaktor umzubauen.
WIRTSCHAFTSSANKTIONEN: Die Sanktionen der USA und der EU haben das ölreiche Land in eine Wirtschaftskrise geführt. Besonders schmerzlich ist das Embargo im Öl- und Bankensektor. Der Iran möchte eine Aufhebung der Strafmaßnahmen; der Westen will die Sanktionen nur aussetzen, um sie bei Vertragsverstößen wieder aktivieren zu können.
VERTRAGSLAUFZEIT: Offiziell gibt es zu dieser Frage keine Details. Beobachter gehen davon aus, dass die 5+1-Gruppe schon unter dem Druck der Skeptiker im US-Kongress oder der Kritiker in Israel eine mindestens zweistellige Anzahl Jahre anpeilt. Der Iran will sich höchstens auf 5 bis 7 Jahre einlassen.
(red.)