Grenze Serbien-Ungarn: „Da ist eine Schlacht im Gange“

Nachdem Flüchtlinge die Absperrungen an der ungarisch-serbischen Grenze durchbrechen wollten, eskalierte die Lage.
Nachdem Flüchtlinge die Absperrungen an der ungarisch-serbischen Grenze durchbrechen wollten, eskalierte die Lage. APA/EPA/SANDOR UJVARI
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Ungarns Sicherheitskräfte setzten an der Grenze zu Serbien Tränengas und Wasserwerfer ein. Viele Flüchtlinge versuchen nun, über Kroatien und Slowenien nach Österreich zu gelangen.

Budapest/Wien. Es waren brutale Szenen, die sich am Mittwoch an der serbisch-ungarischen Grenze abspielten. Mit Wasserwerfern und Tränengas gingen ungarische Polizisten gegen Flüchtlinge vor. Laut einem Regierungssprecher versuchten hunderte Menschen, den neuen Grenzzaun zu durchbrechen: „Es ist dort eine Schlacht im Gange.“ Ein Reporter von Reuters berichtete von mehreren Verletzten, darunter auch Polizisten. Zwei Kinder seien verletzt worden, nachdem sie über die Grenzabsperrung geworfen worden seien. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigt sich schockiert über die Entwicklungen an der ungarisch-serbischen Grenze und lobte Österreich für sein Vorgehen.

  • Ungarn. Die Regierung in Budapest will die Grenze zu Serbien für 30 Tage schließen. Zwar wurden durch ein Tor im Zaun am Mittwoch immer wieder Flüchtlinge in eine Transitzone auf ungarischem Gebiet durchgelassen. Der Großteil der dort gestellten Asylanträge wurde aber im Schnellverfahren abgelehnt. Über einen Flüchtling aus dem Irak verhängte ein ungarisches Gericht bereits eine einjährige Einreisesperre.

  • Kroatien. Immer mehr Flüchtlinge versuchen nun, auf eine andere Route auszuweichen. Sie machen sich auf einen Weg, der sie von Serbien über Kroatien und Slowenien nach Österreich führen soll. Das Passieren des Grenzgebiets zu Kroatien ist nicht ungefährlich, hier lauern abseits der Wege noch immer Minen aus dem Krieg der 1990er-Jahre. Zagreb hat deshalb Minenexperten in die Region entsandt, um Unfälle zu verhindern. Kroatiens Innenminister, Ranko Ostojić, sagte, er rechne in den kommenden Tagen mit rund 4000 Flüchtlingen. Zagreb will die Durchreise nicht zu verhindern: „Wenn es nötig ist, werden wir Korridore errichten.“ 

  • Slowenien. Diese Vorgangsweise ist offenbar mit Slowenien abgesprochen. Zugleich spielt Laibach mit dem Gedanken, wieder Kontrollen an seiner Grenze zu Ungarn einzuführen. Dies berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA am Mittwoch. Offiziell wollte sich die slowenische Regierung dazu vorerst nicht äußern.

  • Österreich. Außenminister Sebastian Kurz hat sowohl Slowenien als auch Kroatien aufgefordert, beim Thema Flüchtlinge europäisches Recht einzuhalten. Kurz habe in Telefonaten mit den Außenministern der beiden Staaten auf die „hohe Belastung Österreichs“ hingewiesen, so ein Sprecher des Außenamts. Bundeskanzler Werner Faymann wird heute, Donnerstag, die Regierungschefs Sloweniens und Kroatiens zu Konsultationen treffen. An der österreichisch-slowenischen Grenze begann die Polizei laut Innenministerium mit ersten Kontrollen – unter anderem beim Grenzübergang Spielfeld. Im Burgenland hat die Polizei am Mittwochmorgen um sieben Uhr ebenfalls Grenzkontrollen gestartet. Das Bundesheer kündigte an, 300 Berufs- und Zeitsoldaten an die Grenze zu schicken.
  • Deutschland. Die Zahl der Flüchtlinge, die von Österreich nach Deutschland kommen, steigt trotz der Grenzkontrollen wieder an. Allein bis Mittag kamen am Mittwoch 1300 Flüchtlinge in Bayern an. Offenbar nutzen Schlepper nun kleinere Grenzübergänge. Hunderte Flüchtlinge machten sich von Salzburg auch auf eigene Faust zu Fuß oder per Taxi in Richtung Deutschland auf.

    Im Grenzort Freilassing (Bayern) trafen regelmäßig kleinere Gruppen von Flüchtlingen zu Fuß ein. Kurz nach 13 Uhr erreichten bereits 360 Flüchtlinge, die vom Salzburger Hauptbahnhof zu Fuß in Richtung Bayern losmarschiert waren oder sich mit Taxis dort hinchauffieren ließen, die Grenze. Direkt nach dem Übergang Saalbrücke wurden sie von der Polizei angehalten, wie die APA bei einem Lokalaugenschein feststellte. Weitere Hunderte strömten nach. (red.)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2015)

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